Veruntreuungsprozess im Vatikan wirft neue Fragen auf

Nach einer Zeugenaussage in einem Veruntreuungsprozess im Vatikan stehen neue Fragen im Raum. Möglicherweise fanden bisher nur von Medien berichtete Doppelzahlungen bei der umstrittenen Renovierung einer Wohnung für Kardinal Tarcisio Bertone tatsächlich statt.

Das ergab am Freitag die Befragung des Ingenieurs Marco Bargellini in dem Verfahren, das Geldflüsse der Stiftung des vatikanischen Kinderkrankenhauses „Bambino Gesu“ für die Renovierungsarbeiten der Wohnung von Kardinal Tarcisio Bertone klären soll.

Geldflüsse ungeklärt

Bargellini, im Governatorat des Vatikanstaats für Bausanierung zuständig, sagte, das Governatorat habe für die Renovierung gezahlt. Das Geld sei für den Kardinal vorgestreckt worden, der die Übernahme der Kosten per Brief zugesagt hatte.

Ob die ausgelegten Beträge von Bertone erstattet wurden, wurde nicht bekannt. Dass möglicherweise auch die Stiftung des vatikanischen Kinderkrankenhauses „Bambino Gesu“ für die Renovierungsarbeiten der Wohnung aufkam, habe er nicht gewusst, so Bargellini.

Renovierte 300-Quadratmeter-Wohnung

In dem seit Mitte Juli laufenden Prozess muss sich der frühere Schatzmeister der Stiftung „Bambino Gesu“, Massimo Spina, gemeinsam mit dem Ex-Präsidenten der Stiftung des vatikanischen Kinderkrankenhauses, Giuseppe Profiti, vor Gericht verantworten.

Die beiden sollen dem früheren Kardinalstaatssekretär die Renovierung seiner Wohnung mit Krankenhausgeldern finanziert haben. Bertone war wegen der Renovierung des 300-Quadratmeter-Appartments unmittelbar neben dem Petersdom in die Schlagzeilen geraten. Profitis Befragung erfolgte bereits am Dienstag und dauerte ebenso wie die Spinas mehr als fünf Stunden.

Wohnung für Benefiz-Veranstaltungen

Die Rechnungen für die Renovierung der Kardinalswohnung seien von der Stiftung beglichen worden, hatte Profiti ausgesagt. Der Kardinal hätte seine Räume für Veranstaltungen zur Spendeneinwerbung für das Krankenhaus zur Verfügung stellen sollen, auch um die Kosten für die Renovierung wieder einzuspielen, so Profiti weiter.

Medienberichten zufolge gab es bislang jedoch keine derartigen Termine in Bertones Wohnung.

Zeugen entlasten Schatzmeister

Der frühere Kardinalstaatssekretär erklärt, er habe 300.000 Euro selbst für die Renovierung beigesteuert. Neben Ingenieur Marco Bargellini wurden am Freitag bis in den Abend hinein außerdem Paolo Mennini, Paolo Cipriani und Massimo Tulli als Zeugen gehört.

Sowohl Mennini, ehemals bei der vatikanischen Güterverwaltung Apsa tätig, als auch Cipriani und Tulli, die beide früher leitende Funktionen bei der Vatikanbank IOR hatten, entlasteten Spina. Der Ex-Schatzmeister habe keine Gelder angewiesen. Dazu sei auch nur Profiti befugt gewesen.

Auftrag an Firma eines Freundes

Die Staatsanwaltschaft des Vatikan wirft Profiti vor, rund 420.000 Euro veruntreut zu haben. Mit dem Geld soll der Umbau der Wohnung von Bertone, Kardinalstaatssekretär unter Benedikt XVI. (2005-2013), finanziert worden sein.

Den Auftrag dazu soll der frühere Präsident der Stiftung „Bambino Gesu“ der Firma eines Freundes zugeschanzt haben. Bertone wusste nach eigenen Angaben nichts von dem Beitrag der Stiftung. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe tauschte der Vatikan im November 2015 den kompletten Klinikvorstand aus.

Der Prozess soll am Vormittag des 2. Oktober mit der Anhörung eines weiteren Zeugen fortgesetzt werden. Ein Urteilsspruch wird bis zum Ende der ersten Oktoberwoche erwartet.

religion.ORF.at/KAP

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