Pflegeskandal Kirchstetten: Betreiber „schockiert“

Tief betroffen und schockiert hat sich die Geschäftsführung vom „Haus der Barmherzigkeit“ über die Übergriffe einzelner Pflegekräfte auf Bewohner des Pflegeheims Clementinum im niederösterreichischen Kirchstetten geäußert.

Alle verdächtigen Personen seien in der katholischen Einrichtung nach Bekanntwerden der Vorwürfe „umgehend fristlos entlassen“ und zeitgleich seitens des Hauses die Polizei und Behörden eingeschaltet worden, hieß es in einer Stellungnahme des Trägers am Mittwoch. Die vor einem Jahr bekanntgewordenen Vorwürfe hatten sich durch am Dienstag veröffentlichte Justizakten erhärtet.

Organisation „grundlegend überprüft“

Die Ermittlungen würden auf allen Ebenen unterstützt und für alle Betroffenen seien umgehend Angebote der psychologischen Betreuung geschaffen worden. Man hoffe auf eine rasche und vollständige Aufklärung der Vorfälle, hieß es.

EIne alte Dame mit Rollator und männlciher Begleitung auf einem Spitalsgang

APA/dpa/Angelika Warmuth

In einem Pflegeskandal ermitteln die Behörden, ob Pflegebedürftige gequält worden sind

Zur künftigen Verhinderung von Übergriffen sei das Führungsteam des Clementinums ausgetauscht worden und man sei dabei, die Geschehnisse in enger Abstimmung mit diversen Behörden umfassend intern aufzuarbeiten, hieß es in der Mitteilung weiter.

Weiters sei die Organisation vor Ort „grundlegend überprüft“ und zusätzlich zu den bestehenden Kontrollmechanismen ein neues Sicherheitssystem eingeführt worden. Zudem gibt es nun eine unabhängige Ombudsstelle, die „Safety Line“, mittels derer Mitarbeiter interne Vorkommnisse anonym melden können.

Wehrlose Personen gequält

Gegen mehrere ehemalige Pflegekräfte des Clementinums läuft bereits seit Oktober des Vorjahres ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft St. Pölten, bei dem es um den Verdacht des Quälens oder Vernachlässigens wehrloser Personen geht. Die fünf Beschuldigten sollen pflegebedürftige Menschen beschimpft und grausam behandelt haben.

Unter anderem sei einer Frau mit den begleitenden Worten, dass sie stinke, Haarspray ins Gesicht gesprüht worden, auch Kot soll in einen Mund gestopft worden sein. Aussagen der Justizakten, aus denen die Wochenzeitung „Falter“ zitierte, deuten darauf hin, dass schwer Kranke ermordet werden hätten sollen. Ein Pfleger soll eine hoch fiebernde Frau in der Kälte unbedeckt vor ein offenes Fenster gelegt haben.

Umfangreiche Ermittlungen

Auskünften des Staatsanwaltschaft zufolge wird derzeit noch immer die Pflegedokumentation und Aussagen zahlreicher Bewohner dahingehend überprüft, ob und in welchem Umfang es zu Körperverletzung oder Gesundheitsschädigungen gekommen ist. Ermittelt wird, ob es zum Quälen oder Vernachlässigen wehrloser Personen, sowie zu sexuellem Missbrauch wehrloser oder psychisch beeinträchtigter Personen gekommen ist.

Schönborn: „Lückenlos aufklären“

Schon beim Bekanntwerden der Vorwürfe hat sich auch Kardinal Christoph Schönborn, der aus historischen Gründen als Wiener Erzbischof Schirmherr der Trägerschaft des Clementinums ist, ohne dabei aber Einflussmöglichkeiten auf die operativen Tätigkeiten in den einzelnen Heimen zu habe, zum Fall geäußert.

Der Wiener Erzbischof sei „tief erschüttert von den Missbrauchsfällen“ und sprach sich für eine „lückenlose Aufklärung“ aus, wie sein Pressesprecher Michael Prüller damals erklärte. Alle Träger der Altenpflege - besonders die Kirche - müssten alles tun, um solche Untaten von vornherein zu verhindern.

Hauptbeschuldigter arbeitete weiter

Die Beschuldigten bestreiten laut „Falter“ die gegen sie erhobenen Vorwürfe. Der Hauptbeschuldigte hat allerdings laut Angaben des Ö1-Morgenjournals vom Mittwoch bis Montag erneut „in einem kirchlichen Pflegeheim in Wien“ gearbeitet, das ihn nach seiner Entlassung in Kirchstetten angestellt habe.

Dieses Heim dürfte von den Vorwürfen nichts gewusst haben, da die Ermittlungen geheim sind, keine Informationen an Organisationen weitergegeben werden und laufende Verfahren nicht im Strafregister - dessen Auszug bei Anstellungen im Sozialbereich üblicherweise verlangt wird - vermerkt werden, wie Staatsanwaltschafts-Sprecher Leopold Bliem erklärte. Im Pflegebereich gebe es bis dato keine Möglichkeit für ein Berufsverbot.

Laut Auskunft seitens des „Hauses der Barmherzigkeit“ gegenüber Kathpress könne „definitiv ausgeschlossen werden“, dass es sich bei dem genannten „kirchlichen Pflegeheim in Wien“ erneut um eine Einrichtung des „Hauses der Barmherzigkeit“ gehandelt habe.

religion.ORF.at/KAP

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