Religionsunterricht wichtig für orthodoxe Identität

Die identitätsstiftende Bedeutung des orthodoxen Religionsunterrichts in Österreich und die Entwicklung der Ausbildung der Religionslehrerinnen hat der Wiener rumänisch-orthodoxe Experten Ioan Moga analysiert.

Der Beitrag, der der Stiftung „Pro Oriente“ vorliegt zeigt laut Kathpress, dass über die Schule sogar so etwas wie ein neuer orthodoxer „Kulturtyp“ entstanden ist. Kinder aus orthodoxen Familien in Österreich besuchen auf allen Schulstufen deutschsprachigen orthodoxen Religionsunterricht. Die Ausbildung der Religionslehrerinnen und -lehrer wird in Kooperation mit dem orthodoxen Schulamt seit 2006 an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems und seit 2015 auch an der Universität Wien angeboten.

25 Jahre orthodoxer Religionsunterricht

Der orthodoxe Religionsunterricht in Österreich blickt bereits auf eine 25-jährige Geschichte zurück. Aufgrund der gesetzlichen Grundlage, die den Religionsunterricht an öffentlichen und mit Öffentlichkeitrecht ausgestatteten Schulen als Pflichtgegenstand vorsieht, konnte die seit 1967 gesetzlich anerkannte Orthodoxe Kirche die religiöse Erziehung der orthodoxen Schülerinnen und Schüler österreichweit organisieren.

Mit der Gründung des Orthodoxen Schulamtes im Jahre 2005 mündete dieser Prozess in eine institutionelle Struktur. Der damalige griechisch-orthodoxe Metropolit Michael (Staikos), der serbisch-orthodoxe Fachinspektor Branislav Djukaric und der russisch-orthodoxe Diakon (inzwischen Priester) Johann Krammer (der vor allem für die Erarbeitung der Lehrpläne zuständig war) gehörten zu denjenigen, die diese Entwicklung maßgeblich geprägt haben.

Schulamt Bischofskonferenz untergeordnet

Inzwischen ist das Orthodoxe Schulamt als eine gemeinsame kirchliche Einrichtung, die für alle rechtlichen, personalen, disziplinären und administrativen Belange des orthodoxen Religionsunterrichtes zuständig ist, der 2010 gegründeten Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich untergeordnet.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), ist zugleich Leiter des Schulamtes. Die kirchliche Verantwortung der kirchlich bestellten oder der im staatlichen Vertragsdienst stehenden Religionslehrkräfte wurde von der Orthodoxen Bischofskonferenz in einer „Rahmenordnung für orthodoxe Religionslehrer in Österreich“ im November 2014 festgehalten.

12.000 Schüler an 900 Standorten

Die Entwicklung der Lehrpläne erfuhr mehrere Etappen, inzwischen entsprechen sie den aktuellen Standards einer kompetenzorientierten Lehre. Zurzeit gibt es zirka 12.000 orthodoxe Schüler und Schülerinnen, die in ganz Österreich auf allen Schulstufen am orthodoxen Religionsunterriebt teilnehmen und von knapp 100 Lehrern und Lehrerinnen an fast 900 Standorten unterrichtet werden, Tendenz steigend. Waren es im Schuljahr 2012/13 noch 10.003 Schülerinnen und Schüler, die an 788 Standorten den orthodoxen Religionsunterricht besuchten, so waren es im Schuljahr 2016/17 bereits 12.117 an 896 Standorten.

Die Zahlen lassen jedoch kaum erkennen, mit welchen großen Schwierigkeiten die Organisation des orthodoxen Religionsunterrichts verbunden war und immer noch ist: Der Aufwand der Religionslehrkräfte ist bei Vollzeitbeschäftigung durch die Verteilung auf mehrere, bis zu zwölf zum Teil weit voneinander entfernte Standorte enorm.

Da der Lehrplan für die Volksschule biblisch orientiert ist, dienen als zurzeit einzig approbierte Unterrichtsgrundlage zwei biblisch zentrierte Lehrbücher: die 2009 erschienene, für die Volksschule gedachte „Bibel in kurzen Erzählungen“ (mit orthodoxen Gebeten im Anhang) und die 2015 veröffentlichte „Orthodoxe Schulbibel“ mit Evangelien, Apostelgeschichte und ausgewählten Psalmen, die ab der 5. Schulstufe den Unterricht begleiten soll. Das Entwickeln weiterer Lehr- und Unterrichtsmaterialien gehört zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben.

Starke, wachsende Minderheit

Aufgrund einer relativ starken, durch Migration anwachsenden orthodoxen Minderheit (geschätzt etwa 500.000 Gläubige) in Österreich, sah sich die orthodoxe Kirche zudem mit der Frage der Ausbildung der Religionslehrkräfte konfrontiert. In einer ersten Phase griff man auf Religionslehrer und Theologen zurück, die ihre Hochschulausbildung hauptsächlich im Ausland abgeschlossen hatten.

Eine neue Ausbildungsmöglichkeit eröffnete sich durch die Gründung der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems im Jahre 2006, einer pädagogischen Hochschule in privater Trägerschaft. Zu den Trägern zählt neben der römisch-katholischen Kirche, der evangelisch-lutherischen und der evangelisch-reformierten Kirche, der altkatholischen Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen auch die orthodoxe Kirche.

Ein panorthodoxes Projekt

Beim orthodoxen Religionsunterricht in Österreich und den Ausbildungsangeboten handle es sich um ein einmaliges panorthodoxes Projekt, so der Experte Moga. Das tief in den Köpfen vorhandene Vorurteil, dass „Orthodoxie“ immer mit einer „ethnischen“ Zugehörigkeit einhergehen muss, werde hier ein für alle Mal entkräftet.

Da stehe zum Beispiel eine aus Rumänien stammende Lehrerin vor einer Klasse mit Kindern, die aus Serbien, Griechenland, Bulgarien oder Russland stammen. Die orthodoxen Religionslehrerinnen und -lehrer seien also - mehr als die Gemeindepriester - diejenigen, die in der Diaspora das Bewusstsein und die Erfahrung der Einheit der Orthodoxie vermitteln, so Moga.

Somit werde - auf der Grundlage der allen gemeinsamen deutschen Sprache - nicht nur Integration gelebt, interreligiöse Verständigung ermöglicht und konfessionelle Identität gepflegt, sondern es werde langsam auch ein neuer orthodoxer „Kulturtyp“ gebildet: eine kulturell in Mittel- bzw. Westeuropa angekommene, die Vielfalt der ursprünglichen sprachlich-nationalen Traditionen bejahende, diese aber zugleich übersteigende Identität.

religion.ORF.at/KAP

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