Zsifkovics weiht Gedenktafel für 77 ermordete Roma ein

Nach fast 80 Jahren der Verdrängung hat eine ökumenische Initiative in Jabing im Südburgenland dafür gesorgt, dass das Schicksal 77 ermordeter Roma aus der Gemeinde dem Vergessen entrissen wurde.

In der Gemeinde im Bezirk Oberwart gibt es nun eine von Bischof Ägidius Zsifkovics eingeweihte Gedenktafel zur Erinnerung an jene Roma, die bis 1938 in dem Ort gelebt haben und während des Nazi-Regimes deportiert und in Konzentrationslagern ermordet wurden. 93 Namen mit Geburts- und Sterbedatum sind auf der Gedenktafel angeführt: ganz oben die Namen der fünf Überlebenden, darunter die der 77 Ermordeten, sowie jene der elf Personen, von denen man nicht weiß, wo und wie sie ums Leben kamen.

„Nicht-Erinnern Fortführung der Gewalt“

Die Initiative dafür geht auf den Theologen und Historiker Jakob Frühmann zurück, der sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche ins Boot holen konnte. „Ich habe mich im Zuge der Diplomarbeit vor allem mit der Frage von Gerechtigkeit und Gewalt auseinandergesetzt, weil ja in gewisser Art und Weise das Nicht-Erinnern auch eine Fortführung der Gewalt ist“, so Frühmann am Wochenende im ORF-Burgenland.

Die Einweihung der Tafel erfolgte im Anschluss an einen ökumenischen Gottesdienst in der Jabinger Pfarrkirche, den Bischof Zsifkovics gemeinsam mit Pfarrer Otto Mesmer von der evangelischen Kirche feierte. Es gebe noch weitere Gemeinden, die diesen Schritt tun könnten, sagte Zsifkovics. Das, was passiert sei, dürfe nie wieder vorkommen, betonte Mesmer. Im Gemeinderat habe man sich mehrheitlich dazu entschlossen, die Gendenktafel aufzustellen, so Bürgermeister Günter Valika.

„Erinnern bringt tieferes Verstehen“

In seiner Ansprache beim Gottesdienst sagte Zsifkovics, dass „Reden über das, was geschehen ist, - immer und immer wieder - ist der vielleicht wichtigste Dienst“, den man gegen das Vergessen leisten könne. „Denk an die Tage der Vergangenheit, lerne aus den Jahren der Geschichte“, zitierte er das Wort Mose im Alten Testament (Dtn 32,7).

Der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovic

APA/ROBERT JAEGER

Der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics

„Nur das Erinnern führt letztlich zur Aufarbeitung, bringt ein tieferes Verstehen, ermöglicht Versöhnung und eröffnet Zukunft“, so der Bischof, der auch auf ein Wort von Kardinal Franz König, gehalten bei der Gedenk-Ansprache am 13. März 1988 in der Wiener Staatsoper, verwies: „Wir müssen uns aufs Neue die Mühe machen, mitzudenken, mitzufühlen, mitzuleiden, mit den Menschen von damals.“

Nazi-Ideologie nicht von ungefähr

Der Blick auf die Vergangenheit, auch und gerade dann, „wenn er weh tut und anklagt“, sei eine Notwendigkeit für mögliches Lernen für die Zukunft. „Junge Menschen von heute fragen: wie konnte es vor 70 Jahren hier in Jabing und andernorts zu solchen Verbrechen kommen? Die absurde Ideologie des Nationalsozialismus kam nicht von ungefähr. Sie baute auf einem verbreiteten Weltbild auf, das an die Stelle der Überzeugung von der gleichen Würde aller Menschen auf Grund ihrer Gottesebenbildlichkeit rassistische, antisemitische, nationalistische und völkische Fantasien gesetzt hatte“, so Bischof Zsifkovics.

Nationalistische Feindbilder: Weg zur Bestialität

Eine solche Ideologie sei der Nährboden für die Umsetzung einer nicht vorstellbaren Unmenschlichkeit gewesen. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts habe der österreichische Dichter Franz Grillparzer vor nationalistischen Feindbildern und der Abwertung und Diffamierung der „anderen“, der „Fremden“, die in der Missachtung der Menschenwürde als Objekt des Hasses instrumentalisiert werden, gewarnt: „Von Humanität durch Nationalität zur Bestialität“, zitierte der Bischof den Dichter.

Zugleich dankte Bischof Zsifkovics den mutigen und warnenden Stimmen, „die die NS-Ideologie entlarvten als einen Kampf, der sich letztlich gegen Gott und gegen den Menschen richtete. Diesen Menschen gilt heute unsere höchste Wertschätzung und unser Dank für ihren Einsatz, ihren Mut, gegen den Strom zu schwimmen, sowie für ihr Glaubenszeugnis, das sie mit ihrem Leben bezahlten“.

Alle seine Kinder Gottes, ohne Unterschiede, erinnerte der Bischof: „Unabhängig von Volkszugehörigkeit, Sprachen, Kulturen, Religionen und Konfessionen kommt uns allen die gleiche Menschenwürde zu“. Bedrohungen der Menschenwürde müsse auch heute mutig entgegengetreten werden.

Mehr als 500.000 ermordete Roma und Sinti

Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Österreich etwa 11.000 Roma und Sinti. Mehr als 8.000 von ihnen wurden im Nationalsozialismus ermordet. Insgesamt wurden mindestens 500.000 Roma und Sinti von den Nationalsozialisten ermordet. Ab 1940 wurden rund 4.000 Roma und Sinti im NS-Lager Lackenbach interniert. Bei der Befreiung im April 1945 waren nicht mehr als 300 bis 400 Roma und Sinti am Leben.

Im Anschluss an die Einweihung der Gedenktafel für die im Nationalsozialismus ermordeten Jabinger Roma und Sinti hielten Jakob Frühmann - „Zur Deportation der Jabinger Roma und Romnija“ -und Gerhard Bahmgartner - „Die Holocaust-Opfer der Roma“ - Vorträge. Aus dem unter anderem in Jabing gedrehten Film „Stefan Horvath - Zigeuner aus Oberwart“ von Peter Wagner wurden Ausschnitte gezeigt.

Peter Sarközi, Sohn von Stefan Horvath, war eines der Opfer des von Franz Fuchs 1995 verübten Rohrbombenattentats. Am 4. Februar 1995 wurden vier Roma - Peter Sarközi, Josef Simon, Karl und Erwin Horvath - in Oberwart durch eine perfide Sprengfalle getötet. Der rassistisch motivierte Attentäter Franz Fuchs brachte ein Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ an die Rohrbombe an.

religion.ORF.at/KAP