Der erste Märtyrer: Trauriges Gedenken zu Weihnachten

Nach den Feierlichkeiten zur Geburt Jesu gedenken viele Katholiken, Evangelische und Anglikaner am 26. Dezember des Martyriums der Christen: Der heilige Stephanus gilt als erster christlicher Märtyrer und seine Steinigung als Beginn der Christenverfolgung.

Ihm sind viele Kirchen geweiht. Auch der Stephansdom, Sitz des Erzbischofs von Wien, trägt seinen Namen: Stephanus. Er war einer der ersten sieben Diakone in der Jerusalemer Urgemeinde und als solcher für karitative Aufgaben und Mission zuständig. So kümmerte er sich etwa um die Witwen der griechischsprechenden Judenchristen. Als Judenchristen werden jesusgläubige Juden in der Antike bezeichnet.

„Reden wider die heiligen Stätten“

Im Neuen Testament wird Stephanus von Evangelist Lukas als Mann „erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist" (Apostelgeschichte 6, 5) bezeichnet. Gedacht wird des Diakons „voll Gnade und Kraft“, der „große Wunder und Zeichen unter dem Volke“ tat (Apostelgeschichte 6, 8), am 26. Dezember aber nicht in erster Linie wegen seines Lebens, sondern aufgrund der Umstände seines Sterbens: Stephanus wurde gesteinigt. Er war der erste Christ, der einen Märtyrertod starb, und wird daher oft auch als Erzmärtyrer bezeichnet. Stephanus war vorgeworfen worden, „Reden wider die heiligen Stätten und das Gesetz” zu halten.

Heiliger Stephanus, Gemälde von Carlo Crivelli, Polittico del 1476

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Heiliger Stephanus, Gemälde von Carlo Crivelli von 1476

Wegen seiner Predigten geriet er in Konflikt mit einer Gruppe hellenistischer Juden. Mit falschen Zeugen, heißt es in der Bibel, hätten sie ihn vor den Hohen Rat, den Sanhedrin, gebracht. Dieser Rat, bestehend aus Hohepriestern, Schriftgelehrten und Ältesten, fungierte als oberstes religiöses und gleichsam politisches Gericht. Stephanus habe gesagt, der Nazarener, also Jesus, werde diesen Ort zerstören und die von Mose überlieferten Bräuche ändern, so die Ankläger.

„Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt?“

Stephanus, dessen Gesicht dabei wie das eines Engels erschienen sein soll, antwortete mit einer Verteidigungsrede. Sie ist die längste Rede in der Apostelgeschichte. In dieser bekennt er sich zum christlichen Glauben, lässt in etwa 50 Versen die Geschichte Israels Revue passieren, kritisiert die Überhöhung des Tempels und bezichtigt die Juden selbst, den Geboten Moses untreu geworden zu sein. Letztlich wirft er ihnen Prophetenmord vor: „Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt?“ (Apostelgeschichte 7, 52).

Als der Diakon der bereits wütenden Menge seine Vision darlegte und die Worte „Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ sprach, (Apostelgeschichte 7, 56), also Jesus mit dem den Israeliten in einer Prophezeiung verheißenen Menschensohn gleichsetzte, sahen die anderen in Stephanus nicht zuletzt einen Gotteslästerer. Der Mann wurde vor die Stadtmauern getrieben und gesteinigt.

Steinigung des Heiligen Stephanus, Gemälde von Luigi Garzi (1638–1721)

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Stephanus bittet im Angesicht des Todes um Vergebung für seine Mörder

Beginn der Christenverfolgung

Das Sterben des Stephanus wird in der Bibel wie folgt beschrieben: „So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er“ (Apostelgeschichte 7, 59 - 60). Dass er Gott im Angesicht des Todes um Vergebung für seine Verfolger anrief, erinnert an Jesus, der ebenfalls sterbend für seine Peiniger um Vergebung gebeten hatte. Dieses Motiv findet sich auch in anderen frühchristlichen Märtyrererzählungen.

Bei der Steinigung zugegen war auch Saulus (später Paulus), der das Geschehen wohlwollend beobachtete. Stephanus war der erste Christ, der für seinen Glauben getötet wurde. Sein gewaltsamer Tod markierte den Beginn der Christenverfolgung in Jerusalem. An vorderster Front jagte sie Saulus, der, als ihm schließlich Jesus erschien, vom Christenverfolger zum eifrigen Missionar wurde. Am 26. Dezember wird in vielen Gottesdiensten nicht nur der Verfolgung der Urchristen gedacht, sondern besonders auf jene Christen aufmerksam gemacht, die ihren Glauben auch heute nicht frei von Repression und Verfolgung leben können.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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