Erdogan im Vatikan: Papst verschenkt Friedensengel

Papst Franziskus hat den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Vatikan empfangen. Der Staatsbesuch in Rom war von Protesten gegen die türkische Militärintervention in Syrien sowie Unterdrückung der Meinungsfreiheit begleitet.

Der Papst überreichte Erdogan sein Geschenk mit den Worten: „Das ist ein Friedensengel, der den Dämon des Krieges besiegt. Er ist Symbol einer Welt, die auf Frieden und Gerechtigkeit basiert“, erklärte Franziskus dazu, wie beobachtende Journalisten nach der privaten Begegnung am Montagvormittag berichteten. Zudem schenkte er ihm eine Ausgabe seiner Umweltenzyklika „Laudato si“ und seine Botschaft zum Weltfriedenstag 2018.

Vier-Augen-Gespräch länger als üblich

Erdogan schenkte Franziskus eine aus Keramik gefertigte Panorama-Ansicht Istanbuls sowie Werke des islamischen Mystikers, Dichters und Philosophen Maulana Rumi (1207-1273). Der türkische Präsident war kurz vor 9.30 Uhr im Vatikan angekommen.

Das Vier-Augen-Gespräch dauerte mit etwa 50 Minuten gut eine halbe Stunde länger als üblich. Der Konvoi bestand aus etwa 30 Autos und Minivans sowie einer großen türkischen Motorradeskorte.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine bei Papst Franziskus im Vatikan am 5. Februar 2018

APA/AFP/Kayhan Ozer

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine beim Papst

Kirchen in der Türkei und Naher Osten

Papst Franziskus habe mit Präsident Recep Tayyip Erdogan vor allem über die Lage der Kirche in der Türkei, die Aufnahme von Flüchtlingen sowie die Lage im Nahen Osten gesprochen, teilte der Vatikan im Anschluss an das Gespräch mit.

Vor allem sei es um den Status von Jerusalem gegangen. Man habe die Notwendigkeit von Frieden und Stabilität in der Region betont. Dafür brauche es „Dialog und Verhandlungen sowie die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Gesetzen“.

Erster Empfang seit 59 Jahren

Es war der erste Empfang für einen türkischen Präsidenten oder Regierungschef im Vatikan seit 59 Jahren und seit der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen Heiligem Stuhl und der Türkei im Jahr 1960. Erdogan hatte Franziskus bei dessen Türkei-Besuch 2014 in Ankara empfangen. Am Montag wurde er von seiner Frau Emine in den Vatikan begleitet.

Erdogan dankte Franziskus zu Beginn der Begegnung für dessen Interesse. Die Atmosphäre des Treffens beschrieben die beobachtenden Journalisten als höflich und froh gestimmt. Beobachter gehen davon aus, dass Franziskus das Thema Menschenrechte angesprochen haben dürfte sowie den Schutz der christlichen Minderheit in der Türkei nebst Problemen bei der Anerkennung kirchlichen Eigentums.

Friedenssymbol Olivenzweig „missbraucht“

Der Staatsbesuch in Rom und im Vatikan wurde von Protesten begleitet. In einer Kirche in Turin hatten Aktivisten am Sonntag die türkische „Operation Olivenzweig“ im Nordwesten Syriens gegen syrische Kurden kritisiert. Erdogan missbrauche den Olivenzweig, das christliche Symbol für den Frieden, um eine Kriegsaktion zu verdecken, sagten die Demonstranten.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine bei Papst Franziskus im Vatikan am 5. Februar 2018

APA/AFP/Kayhan Ozer

Erdogan und Papst Franziskus sprachen 50 Minuten miteinander

Menschenrechtler und Journalisten demonstrierten zudem gegen die massiv eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei und die Inhaftierung von etwa 150 bis 170 Journalisten. Auch der deutsche Reporter Deniz Yücel ist dort immer noch in Haft.

Kurden wollten demonstrieren

Kurden in Italien hatten zudem Demonstrationen im Bereich der Engelsburg, unweit des Vatikan, angekündigt. Rom hatte für den Bereich zwischen Petersplatz und Quirinalspalast ein 24-stündiges Demonstrationsverbot verhängt. Im gesamten Gebiet galten zudem erhöhte Sicherheitsvorkehrungen.

Nach dem privaten Gespräch mit Franziskus wollte Erdogan sich mit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin treffen; zudem war eine Besichtigung des Petersdoms vorgesehen. Im Anschluss standen Treffen mit Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella sowie Ministerpräsident Paolo Gentiloni an.

religion.ORF.at/KAP