Zulehner wertete Papstreden mit PC-Software aus

Der Wiener Theologe Paul Michael Zulehner hat die Reden des Papstes per computergestützter Volltextsuche ausgewertet: „Gott“, „Leben“, „Menschen“ und „Liebe“ sind demnach die vier von Papst Franziskus am häufigsten benutzten Begriffe.

Auch die Wörter „Barmherzigkeit“, „Gesellschaft“, „arm“ und „Kinder“ kommen sehr oft in offiziellen Schreiben, Predigten und Interviews des Papstes vor, wie aus der jetzt in Ostfildern (Baden-Württemberg) veröffentlichten Studie von Zulehner hervorgeht.

Analyse des Denkens von Franziskus

In einem zweiten Schritt nutzt Zulehner diese Ergebnisse für eine Analyse des Denkens von Franziskus. Sein Buch trägt den Titel „Ich träume von einer Kirche als Mutter und Hirtin“. Der Papst geht demnach von einer barmherzigen Seelsorge aus, so der Wiener Pastoraltheologe.

Theologe Paul Michael Zulehner

Kathpress/Franz Josef Rupprecht

Theologe Paul Michael Zulehner

Neue alte Pastoral

„Liest man die vorliegenden Texte des Papstes quer, dann findet sich in ihnen wie ein roter Faden das Konzept einer Pastoral des Erbarmens“, schreibt Zulehner in seinem neuen Buch. Franziskus verschiebe damit die Akzente der gesamten „Pastoralkultur“. Dies mute neu und „revolutionär“ an, „obgleich das ‚Neue‘ letztlich das verlorene und wiedergefundene ’Alte" ist“. Als Beispiel nennt Zulehner: „Wenn Papst Franziskus über Sünde spricht, dann immer im Umkreis von Gnade.“

Franziskus lege „über lange Zeit verschüttete Grundannahmen“ der Lehre von Jesus Christus frei, die in das Leben und Wirken der Kirche einsickern sollten, so Zulehner. Dies sei irritierend für jene, „denen die Tiefenschicht der Kirche fremd geworden ist“. Dazu gehörten Verantwortliche auf kirchlichen Positionen und auf Lehrstühlen. Zulehner nennt sie „Ideologen, denen das Kirchenrecht wichtiger ist als das Evangelium“. Franziskus warne solche fundamentalistischen Alles- oder Besserwisser vor theologischer Arroganz und falscher Sicherheit.

„Vom Moralisieren zum Heilen“

Der Theologe betont, der Papst sehe den manchmal missverstandenen Begriff der Barmherzigkeit nicht in einem Gegensatz zu Gerechtigkeit. Vielmehr setze Barmherzigkeit oft erst Gerechtigkeit frei. Insofern könne der Papst sowohl zur Barmherzigkeit als auch zur Gerechtigkeit gegenüber den Armen aufrufen.

Eine Akzentverschiebung sieht Zulehner darin, dass der Papst dazu aufruft, im Umgang mit Menschen „vom Moralisieren zum Heilen“ und „vom Gesetz zum Gesicht“ überzugehen. Nach Einschätzung des früheren Dekans der Wiener Theologischen Fakultät ist sich der Papst bewusst, dass er für diese Akzentverlagerung in der traditionellen Kultur der Seelsorge „wenig Unterstützung findet“. Allerdings habe der Papst einen „langen Atem“.

Zulehner bewies seine Sympathie für den Kirchenkurs von Papst Franziskus zuletzt mit der von ihm gegründeten Initiative „pro-pope-francis.com“, der sich mehr als 70.000 Unterstützer anschlossen, darunter viele Prominente aus Kirche, Politik, Wissenschaft und öffentlichem Leben.

religion.ORF.at/KAP

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