Was es bedeutet, „christlich-sozial“ zu sein

Nicht jeder, der sozial handelt, muss christlich sein; aber jeder, der sich christlich nennt, muss sozial handeln: Diesen Anspruch vertritt Magdalena Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich (ksoe).

Bei einem gesellschaftspolitischen Stammtisch in Dornbirn diskutierte am Montagabend die ksoe-Direktorin im Anschluss an ihr Impulsreferat mit dem Feldkircher Caritasdirektor Walter Schmolly und den Sozialsprechern der ÖVP und FPÖ Vorarlberg, Matthias Kucera und Cornelia Michalke. Es ging um Prinzipien von Konkurrenz und Leistung versus Solidarität und Sozialstaat Im Kolpinghaus Dornbirn stellte Holztrattner die Frage: „Wie geht denn eigentlich christlich-sozial?“

Regierung auf dem Prüfstand

Dabei stellte sie vor einem Podiumsgespräch mit Fachleuten auch das Regierungsprogramm und dessen Umsetzung auf den Prüfstand, betrieben immerhin von zwei Parteien, die das Christlich-Soziale für sich reklamierten. Und die Zwischenbilanz nach zweimonatiger türkisblauer Koalition fiel durchaus kritisch aus, wie aus einem Bericht der Diözese Feldkirch am Dienstag hervorgeht.

Holztrattner ortete vor allem Sparmaßnahmen im Sozialbereich - bei der Mindestsicherung, beim Kinderbetreuungsgeld, bei der Kürzung der Ausgaben für Integration. Die von der Regierung gestrichene „Aktion 20.000“ für ältere Arbeitssuchende hätte Tausenden Hoffnung auf einen Wiedereinstieg ins Arbeitsleben geben können, wies die ksoe-Direktorin hin. In dieselbe Kerbe schlügen die Kürzungen um einen dreistelligen Millionenbetrag für weitere Maßnahmen des Arbeitsmarktservices. Kritik übte Holztrattner an einer „diskriminierenden Sprache“ seitens der Regierungsmitglieder: Es gebe eine Spaltung in jene, die Leistung erbringen, und in jene, die als „Durchschummler“ tituliert würden.

Keine Solidarität am freien Markt

Die Sozialethikerin sieht das aktuelle Regierungsprogramm geprägt vom Grundparadigma, dass ein jeder Mensch zuerst ein Individuum, ja ein Egoist sei: „Dieses Individuum erhält sich selbst und ist geleitet von den Prinzipien der Konkurrenz, des Wettbewerbs und der Leistung.“ Dem stehe das Prinzip der Solidarität und damit der Sozialstaat diametral gegenüber. Für das Christentum sei die Zuwendung zu den Armen konstitutiv, erklärte Holztrattner.

Auf dem freien Markt, wo „das Gesetz des Stärkeren“ herrsche, habe Solidarität mit Bedürftigen keinen Platz; dadurch werde der Sozialstaat an sich - auch im neuen Regierungsprogramm - deutlich abgewertet. Holztrattner stellte die besorgte Frage, ob die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche nicht zu einer immer stärkeren „Jeder-ist-seines-Glückes-Schmied-Mentalität“ führe.

Schmolly: Fokusverlagerung von Schutz auf Sicherheit

Einer dreifachen Nagelprobe unterzog das aktuelle Regierungsprogramm in der Diskussion Walter Schmolly - einer der neun Caritasdirektoren, die vergangene Woche der Regierung die schrittweise Demontage des Sozialstaates vorgeworfen hatten: „Eine christliche-soziale Haltung lässt sich daran messen, ob sie es schafft, Ausgrenzungsmechanismen anzusprechen und zu unterbrechen“, nannte Schmolly ein erstes Kriterium.

Zweitens gelte es möglichst allen Mitgliedern einer Gesellschaft Teilhabe zu ermöglichen. Eine besondere Herausforderung sei drittens der Umgang mit Flüchtlingen: „Das geltende Asylrecht regelt, dass schutzbedürftige Menschen diesen Schutz bei uns auch bekommen. Im Regierungsprogramm wird das Asylrecht nun nicht mehr zu einer Frage des Schutzes, sondern der Sicherheit“, ortete Schmolly eine Fokusverlagerung.

Politiker: Gegen den „Vollkasko-Staat“

Die beiden Vertreter der Politik verteidigten wenig überraschend die Regierungspolitik. Gegen den „Vollkasko-Staat“ und für den „Eigenverantwortungsstaat“ sprach sich Landtagsabgeordneter Matthias Kucera aus. Er sei „absolut dafür, dass geprüft und hinterfragt wird, ob alle Sozialleistungen, die bisher angeboten wurden, auch treffsicher sind“. Das solle nicht bedeuten, dass Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Armen erfolgen. Es geht laut dem VP-Sozialsprecher vielmehr darum, dass mit dem vorhandenen Geld gerecht gewirtschaftet wird.

Sein FP-Pendant Cornelia Michalke pochte auf die Solidarität, die durch den Steuerzahler geleistet wird: „Es braucht die Leistungsgesellschaft und den solidarischen Steuerzahler, damit wir jenen helfen können, die sich nicht helfen können.“ Politik könne sich nicht darauf beschränken zu sagen, es steht ja alles schon in der Bibel.

„Weil sich die Menschen eben nicht alle so verhalten“, begründete Michalke. Sie brandmarkte es als schweren Fehler, dass in den vergangenen Jahren die „unsere Gesellschaft tragenden“ Familien „kaputt gemacht“ worden seien. Gegenüber Zuwanderern gelte es hierzulande geltende Werte einzufordern. „Wir müssen uns trauen zu sagen, so möchten wir es bei uns haben, das sind unsere Werte“, wie es ja auch umgekehrt Migranten für ihre eigenen Werte „sehr wohl tun“ würden.

religion.ORF.at/KAP

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