Ostern als „dramaturgischer Mehrakter“

Die Musik in der Karwoche wird in den katholischen Kirchen wieder theatralischer und hat eine zentrale Funktion. Die Osterzeit könne musikalisch als „dramaturgischer Mehrakter“ bezeichnet werden, so die Musikwissenschaftlerin Elisabeth Theresia Hilscher.

Die Barockzeit habe der katholischen Karwochenliturgie mit theatralischen Inszenierungen Impulse gegeben, die angesichts einer erstarkenden „Kultur des Feierns“ wieder zunehmend aufgegriffen würden, sagte Hilscher in einem Interview mit Kathpress. Sie hat den Eindruck, „die Akzeptanz und das Bewusstsein für ein großes liturgisches Feiern der Kirchenfeste steigt derzeit wieder“. Verstärkt greife man in der Gegenwart zudem auf frühere Riten, Bilder und szenische Darstellungen zurück, so die auch in der Wiener Dommusik engagierte Wissenschaftlerin.

Musik „besser als tausend Worte“

„Viele rituelle Formen aus der Gegenreformation haben sich bis heute gehalten und erfahren wieder zunehmende Beliebtheit - da Zeremonien und Riten eben viel besser erklären als tausend Worte“, so Hilscher vom Institut für kunst- und musikhistorische Forschungen (IKM) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, das vergangene Woche gemeinsam mit dem Don-Juan-Archiv in Wien eine Tagung über die Wiener Kreuzestheologie und Passionsfrömmigkeit der Barockzeit veranstaltete.

Ein Palmzweigbusch mit bunten Verzierungen

APA/Barbara Gindl

Der Palmsonntag markiert den Beginn der Karwoche

Die Karwoche sei bereits per se ein „dramaturgischer Mehrakter“, befand Hilscher. Nach fünf Fastenwochen mit starker Reduktion, weniger Prunk, bescheidenerer Musik und Fastentüchern komme als „erster Akt der heiligen Woche“ die große Liturgie des Palmsonntags, mit Palmprozession und der von mehreren Personen vorgetragenen Passionsgeschichte.

„Theatralischer Höhepunkt“ am Ostersonntag

Nach drei Ruhetagen am Montag, Dienstag und Mittwoch folge dann das „Triduum sacrum“ mit zunächst dem Abschied von der Liturgie und der einsetzenden Ruhepause am Gründonnerstag, anschließend der schlichten Dunkelheit am Karfreitag, an dem auch der Altar abgeräumt ist, und der Stille am Karsamstag.

Alles laufe jedoch hinaus auf den theatralischen Höhepunkt der groß inszenierten Auferstehungsfeier in der Osternacht: „In die dunkle, stille Kirche wird das eine Licht getragen, ehe aus dem Nichts heraus über enorm viele Lesungen hingeführt wird zum Gloria mit Orgel und Glockenläuten, wo die Pracht mit aller Gewalt wieder durchbricht“, so die Schilderung der Theater- und Musikexpertin. Es folge das Hochamt, in aller Bedeutsamkeit noch einmal wiederholt am Ostersonntag, ehe der Ostermontag ein Ausklingen und der Übergang in die bis Pfingsten dauernde österliche Zeit geschehe, so Hilscher.

Frauen singen in einem Kirchenchor

APA/AFP/Noah Seelam

Die Gemeindemitglieder werden in die musikalische Gestaltung der Gottesdienste eingebunden

Klassische und moderne Musik

Dass die Musik eine zentrale Funktion habe, sagte der Journalist Otto Friedrich, der den Liturgiekreis in der Wiener Ruprechtskirche leitet, gegenüber Udo Seelhofer für Kathpress. „Man kommt nicht nur zum Zuhören in den Gottesdienst. Man macht mit und man singt mit.“ „Eine Feier, egal ob religiös oder nicht, ist eigentlich keine wirkliche Feier, wenn es keine Musik gibt“, sagte Johannes Ebenbauer vom Institut für Orgel, Orgelforschung und Kirchenmusik an der Musikuni Wien im Gespräch mit Seelhofer. „Sich in Musik auszudrücken ist dem Menschen mitgegeben, das ist etwas Einzigartiges“, so Ebenbauer.

Ob die Musik modern oder eher klassisch ist, spiele keine Rolle, sagte Friedrich: „Es muss qualitätsvolle Musik sein.“ Diese könne auch zeitgenössisch sein. „Wir versuchen, die ganze Palette musikalischer Möglichkeiten auszunützen“, so Friedrich.

Welche Lieder zum Osterfest letztlich ausgewählt werden, sei von der Gemeinde abhängig, erklärte Friedrich: „Wenn ich eine Gemeinde mit Sinn für Klassik oder Romantik habe, ist eine Messkomposition von Mozart oder Schubert samt Gemeindegesängen sinnvoll. Habe ich eine Gemeinde, die sich mit neuen geistlichen Liedern identifiziert, versuche ich, in diesem Genre etwas zu finden.“

Feiern mit großem Aufwand

Das Wiederaufleben vieler Traditionen in Österreich, Süddeutschland, den früheren Ostblock-Ländern sowie besonders in Italien und Spanien ist kaum mit dem enormen Aufwand zu vergleichen, mit dem in der Barockzeit die Heilige Woche begangen wurde. Besonders eindrucksvoll war das auch in Wien der Fall, wie zeitgenössische Reiseberichte von Gästen der Residenzstadt belegen.

Auch der Montag, Dienstag und Mittwoch der Karwoche wurden damals mit großem Aufwand gefeiert, unter anderem mit Fastenpredigten und Darstellungen von Gräbern, für deren Gestaltung die Kirchen Theaterkulissen ausborgten, mit Prozessionen, Andachten, Bittgängen, geistlichen Spielen oder den musikdramatischen Darstellungen der Grablegung Christi („Sepolcro“) in der Hofmusikkapelle.

Eine Orgel

APA/Georges Schneider

Die Karwoche wurde in der Barockzeit mit großem Aufwand gefeiert

„Theater in der Stadt“

„Die Karwoche wurde als Theater in der Stadt gefeiert, wobei der Hof, die Stadt, die Bruderschaften und die Orden die wichtigsten Akteure waren“, so Expertin Hilscher. Lange Zeit wurde in Wien die Karwoche bereits am Freitag vor dem Palmsonntag eröffnet - mit dem Kreuzweg vom Stephansdom über die Alserstraße auf den Kalvarienberg in Hernals, der an die genauso lange Via Dolorosa in Jerusalem erinnern sollte.

Die Wallfahrt mit abschließendem Kirtag war eine katholische Antwort auf das Massenphänomen des „Auslaufens“ in die Adelsschlösser der Wiener Vororte, wo den Protestanten des Augsburger Bekenntnisses ab 1571 die Religionsausübung allein gestattet war, sagte die Expertin für habsburgische Repräsentation.

Tugend-Propaganda des Adels

Der Kalvarienberg-Bußgang und die Kartage-Liturgien hatten auch zentrale Bedeutung für den katholischen Adel und besonders die Habsburger, um Tugenden wie Demut („Humilitas“) und Frömmigkeit („Pietas“) hervorzuheben. Demonstrativ zur Schau gestellt wurden Selbsterniedrigungen - „etwa durch bewusstes ‚Durchknien‘ der ganzen Messe ohne Polster, durch ein barfüßiges Zurücklegen der Kalvarienbergswallfahrt wie ein Bettler, durch den Tausch des Prachtkleides gegen ein Büßerhemd bis hin zu Selbstgeißelungen“, schilderte Hilscher.

Die Botschaft dieser Riten sei das öffentliche Bekenntnis, dass selbst der höchste weltliche Herrscher sterblich und vergänglich sei, sowie auch das mahnende Bibelwort „Die Ersten werden die Letzten sein“.

religion.ORF.at/KAP

Mehr dazu:

Links: