Bildungspolitik in Bezug auf Islam-Unterricht säumig

In Bezug auf islamischen Religionsunterricht hat die Bildungspolitik „großen Aufholbedarf“. Das sagte Wolfgang Weirer, Professor an der Uni Graz am Freitag. Dort werden Fortbildungsmaßnahmen für muslimische Religionslehrer entwickelt.

Gäbe es zusätzlich zu Wien und Innsbruck auch in Graz die Möglichkeit, islamische Religionspädagogik zu studieren, würde auch die Entwicklung eines „Islam österreichischer Prägung“ einen wichtigen Impuls erhalten, ist sich Wolfgang Weirer, katholischer Religionspädagogik-Professor an der Uni Graz, sicher. An seinem Institut wurde zuletzt eine Studie im Rahmen des Projekts „Integration durch interreligiöse Bildung“ durchgeführt, die erstmals den islamischen Schulunterricht in der Steiermark und in Kärnten evaluierte. Über die Ergebnisse informierte Weirer „Kathpress“ am Freitag.

Passgenaue Fortbildungsmaßnahmen

Ziel des Projekts war die Qualitätsentwicklung des Islamischen Religionsunterrichtes durch die Konzeption und Durchführung von passgenauen Fortbildungsmaßnahmen für muslimische Religionslehrer in der Steiermark und in Kärnten. Außerdem wurden in ausgewählten Schwerpunktschulen Modelle gemeinsamen Unterrichts von muslimischen und katholischen Lehrpersonen in interreligiös zusammengesetzten Klassen erprobt.

Den Fachleuten ging es dabei auch um eine kritische Lesart des Koran im aktuellen Kontext sowie eine „aufgeklärte Perspektive, um etwaigen Tendenzen der Fundamentalisierung entgegenzuwirken“, wie Weirer hinwies. Eine wertschätzende Haltung anderen Glaubensrichtungen gegenüber sei ebenso intendiert. Ein Islam „angepasst an mitteleuropäische Werte und Lebensumstände“, sei möglich und solle unterstützt werden.

74 Lehrkräfte für 11.400 Schüler

Rund 11.400 muslimische Kinder erhalten aktuell in der Steiermark und in Kärnten Schulunterricht in ihrer Religion. Wie dieser organisiert ist, woher die Lehrpersonen kommen und wie sie ausgebildet sind, hat Weirer gemeinsam mit Agnes Gmoser vom Institut für Katechetik und Religionspädagogik erhoben. Einige Ergebnisse: Die 74 islamischen Religionslehrkräfte sind an 362 Standorten im Einsatz und „nahezu ausschließlich sunnitisch“. Etwa ein Drittel ist jünger als 30 Jahre alt, 40 Prozent haben erst ein bis fünf Jahre Berufserfahrung.

Männer und Frauen halten sich bei den Jüngeren die Waage; bei den Älteren dominieren die Männer. Gut 80 Prozent arbeiten hauptberuflich in der Schule, ebenso hoch ist der Anteil an akademisch Ausgebildeten. Allerdings habe nur rund ein Viertel eine fachspezifische Lehramtsausbildung nach österreichischen Standards, so Weirer.

Religionsunterricht für Integration

Diesem Manko wolle die Uni Graz laut Rektorin Christa Neuper begegnen: „Hochwertige Ausbildung ist uns ein großes Anliegen. Die Karl-Franzens-Universität bekennt sich ganz klar zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung.“ Auch die steirische Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner wies darauf hin, dass die Schule neben dem Elternhaus die Kinder und Jugendlichen entscheidend prägt.

„Der islamische Religionsunterricht ist eine wichtige Bereicherung, es bedarf jedoch durchgehend einer mitteleuropäischen Färbung und Betrachtung, um möglichen fundamentalistischen und extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken.“ Dann sei der Religionsunterricht einer der entscheidenden Faktoren für gelingende Integration, sagte Meixner.

Gemeinsamer Religionsunterricht als Chance

Im Zuge des Forschungsprojekts erarbeiten Grazer katholische und muslimische Religionspädagogen auch eine Strategie zur nachhaltigen Etablierung eines islamischen Unterrichts nach heimischen Qualitätskriterien. Schon jetzt sind - so Weirer - die Religionsstunden in der Hälfte der Fälle gut in den Schulalltag integriert und finden zeitgleich mit dem christlichen Unterricht statt. Interreligiöse Einheiten, bei denen christliche und islamische Schüler gemeinsam lernen, ließen sich daher unkompliziert durchführen.

„Sie würden Kinder und Jugendliche in Bezug auf ihren Glauben dialogfähig machen“, unterstrich der Religionspädagoge die Chancen solcher Kooperationen. Ein entsprechendes Konzept werde derzeit vom Projektteam erprobt und evaluiert.

Start ab Herbst?

Darüber hinaus planen die Wissenschaftler Fortbildungsmaßnahmen, um die Qualität der Schulbildung zu heben. Da die beiden zuständigen Fachinspektoren Ali Kurtgöz und Esad Memic an einer Zusammenarbeit sehr interessiert sind, können die ersten Kurse bereits im Herbst starten. Das Klären rechtlicher Rahmenbedingungen des islamischen Religionsunterrichts ist ein weiteres Ziel.

Die am Donnerstag in Graz präsentierte Studie wurde in Zusammenarbeit mit den islamischen Schulämtern durchgeführt. Das gesamte Forschungsvorhaben wird vom Bildungsministerium, vom Außenministerium, dem Land Steiermark und der Stadt Graz gefördert.

religion.ORF.at/KAP

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