Bischof-Glettler-Buch: Jesus als „fremde Gestalt“

Sperrige, unbequeme Bibelstellen über Jesus sollte man nicht übergehen, sondern besser genau ansehen: Diesem Vorhaben widmen sich der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler und der Grazer Psychiater Michael Lehofer im Buch „Die fremde Gestalt“.

Er habe mit dem in Gesprächsform verfassten Buch das „Fremde, Überraschende und Tröstende“ der Person Jesu herausstreichen wollen, um dadurch die „Verlebendigung der Beziehung“ zu ihm zu fördern und eine neue Begegnung mit Jesus zu ermöglichen, wird Bischof Glettler in einer Ankündigung seiner Diözese zitiert. Das Buch wird am Montag um 19.30 Uhr im Haus der Begegnung in Innsbruck präsentiert.

Sozialkritisch und revolutionär

Durchaus habe Jesus Gesetze in Frage gestellt oder sie sogar gebrochen, er verhielt sich unkonventionell und höchst unhöflich - gegenüber einer kanaanäischen Frau beispielsweise „richtig unverschämt und brüskierend“, heißt es im Vorwort des Buches, solche oft verdrängten oder unbekannten Bibelstellen sollten darin bewusst aufgegriffen werden.

Der zukünftige Innsbrucker Bischof Hermann Glettler

APA/EXPA/Jakob Gruber

Bischof Hermann Glettler

„Jesus ist nicht der liebe Jesus, wir uns ihn manchmal in kindischer Manier vorstellen - ein Jesus, der keinen Anstoß erregt, der niemanden verunsichert und sich den Erwartungen der Frommen fügt“, schreiben Glettler und Lehofer. Die „Verkitschung“ Jesu verdecke die herausfordernde Lebensrelevanz seiner Person, doch werde man ihm auch mit alleinigem Blick auf sein sozialkritisches und revolutionäres Potenzial nicht gerecht.

Buchhinweis

Hermann Glettler/Michael Lehofer, Die fremde Gestalt. Gespräche über den unbequemen Jesus. Styria 2018), 160 Seiten, 22 Euro.

Gegen die „Verkitschung“ von Jesus

„Den meisten ist Jesus in irgendeiner Weise vertraut, auch wenn es nicht selten nur die spärlichen Reste von Erzählungen sind, die wir in unserer Kindheit über seine Wunderheilungen und seine Sorge um Ausgestoßene gehört haben“, stellen Glettler und Lehofer fest. Es gebe eine Tendenz, bei Jesus das Unbekannte zugunsten des Bekannten zu reduzieren, eine allzu „große Vertrautheit“ mit seiner Person anzunehmen und im Umgang mit ihm eine „Alltagsbanalität“ zu entwickeln.

Dadurch gehe die für jede lebendige Beziehung nötige „innere Spannung“ verloren. Die Autoren schlussfolgern: „Ist unsere Beziehung zu ihm vielleicht deshalb oft so fad, so irrelevant für das normale Leben und letztlich banal, weil wir ihn nur in der schönen, domestizierten Verpackung haben wollen?“

„Vertraut und fremd zugleich“

Jesu unbequeme Seite werde im Buch nicht etwa als Rest willkürlicher oder bösartiger Unberechenbarkeit Gottes dargestellt. Vielmehr werde Jesus auch als Mensch gezeigt, könne sich doch durch seine Menschwerdung „das Geheimnis einer erlösten Begegnung mit Gott“ öffnen, erklären Glettler und Lehofer weiter.

Wenn Jesus „vertraut und fremd zugleich“ sei, gehöre er nicht nur den Gläubigen, sondern auch den Verunsicherten und Zweiflern, sei also „nicht der Garant einer wohltemperierten Religiosität für jene, die zum kirchlichen Innenkreis gehören“. Das Wahrnehmen der „fremden Gestalt Jesu“ könne deshalb dabei helfen, mehr Solidarität zu entwickeln mit allen, die trotz persönlicher Anstrengung keinen Zugang zu Gott finden.

religion.ORF.at/KAP

Links:

  • Buch: Philosophische Impulse in Zeiten von Corona
    Sechzehn fiktive Gespräche gewähren Einblick in die Gedankenwelt des österreichischen Theologen und Philosophen Clemens Sedmak während des Corona-bedingten Lockdowns. Ein Buch über Umbrüche, Freiheiten und Verantwortungen.
  • Film: Ein Ex-Häftling als Priester
    Ein Ex-Häftling gibt sich in einem Dorf als Priester aus und kommt mit seinem ungewöhnlichen Stil gut an. Der Film „Corpus Christi“ des polnischen Regisseurs Jan Komasa, der am Freitag in die österreichischen Kinos kommt, beruht auf einer wahren Begebenheit.
  • Buch über Kaiser Franz Joseph als Pilger nach Jerusalem
    Kaiser Franz Joseph I., dem Gründervater des Österreichischen Hospizes, widmet dessen aktueller Rektor Markus Bugnyar ein Buch. Unter dem Titel „Reise nach Jerusalem“ beleuchtet der österreichische Priester den Kaiser als Pilger.
  • Lehrgang: Suche nach zeitgemäßer Spiritualität
    Ein im Oktober startender Lehrgang befasst sich an unterschiedlichen Veranstaltungsorten in Österreich mit der Suche nach einer „radikal zeitgenössischen christlichen Spiritualität“.
  • Jubiläumsausstellung im Eisenstädter Diözesanmuseum
    Mit einer doppelten Jubiläumsausstellung hat das Diözesanmuseum Eisenstadt nach der Pause wegen des Coronavirus wieder geöffnet: Mit einer neuen Schau zu 60 Jahre Diözese Eisenstadt und 100 Jahre Land Burgenland.
  • Lizz Görgl unterstützt Gottesdienstbehelf mit Lied
    „Zu mir“ - so lautet der neue Song von Skistar Lizz Görgl, die nach Beendigung ihrer aktiven Sportkarriere als Sängerin tätig ist, und dieses Lied zum jetzt erschienen Gottesdienstbehelf der Diözesansportgemeinschaft Österreichs (DSGÖ) beigesteuert hat.
  • Die Macht des Leidens in der Kunst
    Mit Verzögerung ist die Jahresausstellung des niederösterreichischen Stifts Klosterneuburg gestartet. Die Schau „Was leid tut“ zeigt, wie machtvoll das Bild des Leidens die (christliche) Kunst seit Jahrhunderten durchdringt.
  • Jan Assmann spricht über „Religion und Fiktion“
    Der deutsche Religions- und Kulturwissenschaftler Jan Assmann (81) wird im Herbst einer der namhaften Vortragenden beim diesjährigen „Philosophicum Lech“ von 23. bis 27. September sein.
  • NÖ: Stift Altenburg feiert verzögerten Saisonbeginn
    Vom Frühling bis in den Herbst öffnet das Benediktinerstift Altenburg bei Horn in Niederösterreich gewöhnlich seine barocken Räumlichkeiten für Besucherinnen und Besucher. Im Coronavirus-Jahr 2020 startet die Saison mit Verspätung.
  • Stift Kremsmünster zeigt „50 Jahre Mission in Brasilien“
    „50 Jahre Mission in Brasilien“: Auf den Zeitraum 1970 bis 2020 blickt eine Sonderausstellung im oberösterreichischen Stift Kremsmünster zurück, die sich mit der Mission von Benediktinerpatres und Schwestern in der brasilianischen Diözese Barreiras beschäftigt.