Kopftuch: Deutschland könnte Ö-Modell übernehmen

Deutschland könnte die Österreich-Pläne für ein Kopftuchverbot an Kindergärten und Volksschulen übernehmen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände (BAGIV) spricht sich für eine solche Maßnahme aus.

Entsprechende Pläne der Regierung in Österreich seien nachahmenswert, um muslimische Kleinkinder vor Diskriminierung zu schützen, so der Präsident der Arbeitsgemeinschaft, Ertan Toprak. „Es geht hier um eine Abwägung zwischen dem Erziehungsrecht und dem Kindeswohl“, fügte Toprak Montag in Berlin hinzu. Staat und Gesellschaft seien unbedingt verpflichtet, dem Kindeswohl Vorrang zu geben.

Für Kopftuch erst in Pubertät

„Immer mehr Eltern verschleiern ihre Kinder bereits Jahre vor der Pubertät und legen eine sehr extreme Interpretation der Religion an den Tag.“ Darüber dürfe ein freiheitlich-demokratischer Staat nicht weiter hinwegsehen. Toprak verwies darauf, dass nach dem Koran ein Kopftuch ohnehin erst in der Pubertät vorgeschrieben sei. Vor allem Kleinkinder müssten „vor dem religiösen Totalitarismus der Eltern geschützt werden“.

Von einer Religionsfreiheit könne hier gar keine Rede sein. Vielmehr würde die Religion instrumentalisiert und missbraucht, um die politische Dimension des Islam voranzubringen. An die Adresse der Politik sagt er: „Die Politiker sollten endlich die theoretischen Symboldebatten über den Islam beenden, und dem politischen Islam in der Praxis die Grenzen aufzeigen.“

FDP forderte Verbot

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte Anfang April angekündigt, mit dem Kopftuchverbot könnten „Parallelgesellschaften“ vermieden werden. Zuletzt hatte FDP-Chef Christian Lindner ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren in Deutschland gefordert.

Ein solches Verbot sei verhältnismäßig und stärke die Persönlichkeitsentwicklung der Mädchen. „Es ist zugleich ein leider notwendiger Hinweis, dass unsere moderne Gesellschaft die individuelle Religionsfreiheit auch innerhalb von Familien verteidigt.“

Integrationsexperte beklagt aufgeheizte Debatte

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) beklagt die neuerliche Aufregung um das Kopftuch für junge Mädchen. „Das ist eine sehr aufgeheizte Diskussion“, sagte der stellvertretende Ratsvorsitzende Haci Halil Uslucan der Deutschen Presse-Agentur, wie diese am Montag vermeldete.

Das nordrhein-westfälische Integrationsministerium prüft aktuell ein Kopftuchverbot für muslimische Mädchen unter 14 Jahren. Mit dem 14. Geburtstag ist man in Deutschland religionsmündig. Jugendliche können dann selbst über ihre Religionszugehörigkeit entscheiden.

Uslucan, der in Essen Universitätsprofessor für Türkeistudien ist, betonte: „Aus religiöser islamischer Perspektive gibt es keinen Grund, vor dem Erreichen der Geschlechtsreife ein Kopftuch zu tragen.“

Religion als „zweite Haut“

Dass einige religiöse Eltern ihre Kinder trotzdem mit Kopftuch in die Schule und zum Teil sogar in den Kindergarten schickten, habe aber wohl das unausgesprochene Motiv, „dass das Kopftuch, wenn es die Mädchen schon sehr früh tragen, zum Habitus gehört, so dass sie es später im Teenageralter gar nicht mehr hinterfragen“. Die Religion werde so zu einer „zweiten Haut“, die man nicht mehr abstreift.

Dass heute mehr muslimische Eltern ihre Töchtern ermunterten, Kopftuch zu tragen, habe nicht nur mit der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen aus islamischen Ländern zu tun, fügte Uslucan hinzu. Ein weiterer Faktor sei das heute größere Selbstbewusstsein der Migranten-Gemeinden.

„Die Muslime der Gastarbeitergeneration hätten es nicht gewagt, ihre Vorstellungen so selbstbewusst durchzusetzen wie heute die muslimischen Eltern der zweiten und dritten Generation.“ Das gelte sowohl für den islamischen Religionsunterricht als auch für das Kopftuch.

religion.ORF.at/APA/AFP/dpa

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