ATIB-Moschee: Kinder mussten als Leichen posieren

Die Affäre um die Kriegsspiele mit Kindern in einer ATIB-Moschee in der Wiener Dammstraße wird immer größer. Laut „Falter“ haben bereits 2016 Kriegsspiele in der ATIB-Moschee stattgefunden.

Die Wiener Stadtzeitung „Falter“ veröffentlichte am Mittwoch Fotos, welche belegen sollen, dass nicht nur heuer, sondern bereits im Jahr 2016 Schlachten mit Kindern nachgestellt wurden. Die neuen Bilder zeigen Kinder, die tote Soldaten spielen, die mit türkischen Fahnen zugedeckt wurden.

Der türkische Moscheeverein ATIB hatte noch am Dienstag betont, man habe nach Bekanntwerden der Vorgänge 2018 in der Brigittenauer Moschee, sofort Konsequenzen gezogen. Florian Klenk, Chefredakteur des „Falter“ schrieb am Mittwoch, mit den der Zeitung zugespielten Fotos sei klar, dass die Angaben von ATIB, man habe die „Spiele“ 2018 sofort unterbunden, falsch seien.

Außenansicht des türkischen Kulturzentrums ATIB in Wien Brigittenau

APA/Georg Hochmuth

Das türkische Kulturzentrum ATIB

IGGÖ distanzierte sich

Die Fotos stammen aus einer der größten Moscheen Wiens, dem Gotteshaus des zur türkischen Religionsbehörde gehörenden Vereins ATIB, der in Wien auch Kindergärten betreibt. Die Kinder mussten die Schlacht von Gallipoli aus dem Jahr 1915 nachstellen, ein blutiges Gefecht, das die Türken im Ersten Weltkrieg gewonnen hatten.

Die Türkisch-islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich (ATIB) ist ein direkter Ableger des türkischen Amts für Religion und verfolgt die Linie der türkischen Regierung. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) distanzierte sich offiziell von dem Spektakel. Die Optik sei nicht gut. Personelle Konsequenzen - der Präsident der Glaubensgemeinde, Ibrahim Olgun, ist selbst Vertreter der ATIB - blieben aber bisher aus.

Verfahren eingeleitet

Das Kultusamt hat unterdessen ein Verfahren gegen den Verein eingeleitet. Ermittelt werde wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Islamgesetz, teilte Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) am Mittwoch der APA mit. Auf Basis der Ermittlungen soll eine Sachverhaltsdarstellung erstellt werden.

Drei mögliche Verstöße, die allesamt im Islamgesetz geregelt sind, sollen durch das Kultusamt geprüft werden: Jener gegen die „positive Einstellung zu Gesellschaft und Staat“, eine Behinderung der Entwicklung der Kinder sowie die verbotene Finanzierung aus dem Ausland. Als erster Schritt stehen Ermittlungen und Einvernahmen mit Verantwortlichen, auch jenen von ATIB, an. Die Schließung der Moschee oder auch die Auflösung des Vereins ATIB stehen im Raum.

Dachverband für 60 Vereine

ATIB vertritt über 60 Vereine mit über 100.000 Mitgliedern in ganz Österreich. ATIB fungiert als Dachverband und koordiniert die religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der türkisch-islamischen Moscheegemeinden in Österreich. ATIB stand immer wieder unter türkischem Nationalismusverdacht.

Kritiker warfen der Organisation in der Vergangenheit auch Spionage und Bespitzelung von in Österreich lebenden Türken für das Regime des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor. Von dort soll ATIB auch finanzielle Unterstützung erhalten. Vorgehalten wurde dem Verein auch, dass er in islamischen Kindergärten und Schulen bewusst die Schaffung einer Parallelgesellschaft fördere und so die Integration von Türken in Österreich erschwere.

ATIB weist Vorwürfe zurück

Der Verein wies alle Vorwürfe zurück. ATIB beweise seit mehr als 30 Jahren, dass der Verein für Toleranz und gegenseitigen Respekt stehe und keinerlei Berührungspunkte zu religiösem Fanatismus oder radikalem Nationalismus habe, heißt es auf der Homepage der Organisation. In seinen Statuten betont der Verein die Befolgung der österreichischen Gesetze und empfiehlt den Weg zur Integration in der Gesellschaft.

Der Verein wurde Anfang der 1990er Jahre gegründet. Hinter ATIB verbirgt sich der türkische Name Avusturya Türkiye Islam Birligi (Österreichisch türkische islamische Vereinigung). Der Dachverband organisiert Pilgerfahrten nach Mekka, bietet Bildungs-und Kulturangebote und leistet Beerdigungshilfe wenn es der letzte Wunsch von Verstorbenen ist, in der alten Heimat begraben zu werden.

Kritik an türkischer Dominanz in IGGÖ

ATIB ist der größte muslimische Verband in Österreich und gibt damit seit einigen Jahren auch den Ton in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) an. Seit 2016 stellt man mit Ibrahim Olgun den Präsidenten der IGGÖ. Bei anderen muslimischen Gruppen stieß die türkische Dominanz seither wiederholt auf Kritik. Der Verband vertritt den sunnitischen Islam und stellt seinen Moscheegemeinden staatliche Imame aus der Türkei zur Verfügung.

ATIB gilt als verlängerter Arm der türkischen Religionsbehörde Diyanet und Erdogans AKP-Partei. Während man sich selbst eher als Kulturverein definiert, sehen Gegner die Organisation als Hort von Islamisten. Ziel von ATIB sei es, türkische Werte in Österreich zu etablieren und den Koran zu verbreiten, so der Vorwurf. Dass immer wieder versucht werde, ATIB mit diesen Positionen in Verbindung zu bringen, ändere nichts an der gefestigten Einstellung von ATIB als Hüter von demokratischen Werten, heißt es dazu seitens des Vereins.

religion.ORF.at/APA

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