Direktor: Caritas gibt Flüchtlingen keinen Vorrang

Hannes Ziselsberger, Direktor der Caritas der Diözese St. Pölten, ist dem Vorurteil entgegengetreten, die kirchliche Hilfsorganisation richte ihr Augenmerk allzu sehr auf Flüchtlinge, mache aber wenig für einheimische Hilfsbedürftige.

Von den 2.200 Caritas-Mitarbeitern würden nicht einmal 15 im Bereich Asyl und Integration arbeiten, informierte er im Interview der St. Pöltner Kirchenzeitung „Kirche bunt“. „Man könnte uns also auch vorwerfen, dass wir da zu wenig tun“, sagte Ziselsberger. Und es werde heuer noch weniger werden, weil die Zahl der Flüchtlinge in Österreich weiter sinkt.

„Für die Caritas der Diözese St. Pölten war das ein ganz kleines Thema“, stellte Ziselsberger klar. Vom Caritas-Jahresbudget fließe weniger als ein Prozent in den Bereich Asyl und Integ­ration.

Eine Pflegerin geht mit einem Patienten am Gang

APA/Georg Hochmuth

Schwerpunkt auf Pflege

Wieso dann in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstand, hat laut Caritasdirektor viel mit der medialen Aufmerksamkeit zu tun, den das Thema zuletzt hatte. „Über andere Caritas-Themen, wie z. B. Pflege oder Behindertenbetreuung, wurde und wird wenig berichtet, obwohl da einer unserer Schwerpunkte liegt.“

Eine Rolle bei der beschriebenen verzerrten Wahrnehmung spiele auch, dass sich die Caritas als eine der wenigen Organisationen in dieser Frage klar posi­tioniert hat, sagte Ziselsberger. Sie sei dem Evangelium verpflichtet, das in vieler Hinsicht „radikal“ sei: „Wenn man das ernst nimmt, was in der Bibel steht, und wenn man das Thema Nächstenliebe ernst nimmt, dann unterteilt man nicht, wen man liebt.“ Das begründe die Haltung der Caritas auch in der Flüchtlingsfrage: „Wir müssen da helfen und dürfen nicht wegschauen.“

Barmherzigkeit kommt zu kurz

Derzeit habe er den „Eindruck, dass ganz viel auf die Rechtlichkeit bzw. die Rechtsstaatlichkeit geachtet wird, aber die Barmherzigkeit manchmal zu kurz kommt, gerade auch wenn es um die Abschiebung gut integrierter Menschen geht“. Augenmaß im Verhältnis von Legalität und Barmherzigkeit habe auch der St. Pöltner Bischof Klaus Küng kürzlich eingemahnt.

Auch einem anderen Vorwurf, nämlich dass sich die Caritas selbst zu wenig mit der Kirche identifiziert, trat Ziselsberger entgegen: „Unsere Mitarbeiter sind Menschen - so wie in allen Pfarren auch: Manche sind mehr, manche sind weniger gläubig, aber alle treten sie für die Werte und Idee der Caritas ein.“ Und generell gelte: „Caritas geht nicht ohne Kirche und Kirche geht nicht ohne Caritas.“

religion.ORF.at/KAP

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