Vaterland vor Vatikan: Chinas Kirche im Dilemma

Gottesdienstverbot für Kinder und Bibelverbot im Netz: China demonstrierte seinen Katholiken zuletzt Härte. Zugleich verhandelt die Regierung mit dem Vatikan über einen Deal, der die lange Spaltung der Kirche in eine staats- und eine romtreue beenden könnte.

Papst Franziskus möchte nach China. Am liebsten „morgen“, sagte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche 2014 auf dem Rückflug von seinem Besuch in Südkorea. Eingeladen wurde er deshalb zwar nicht, doch die Tatsache, dass die chinesische Regierung das Flugzeug des Papstes zum ersten Mal durch ihren Luftraum fliegen ließ, zeugte von einem neuen Willen zur Annährung.

Papst Franziskus schickte seinerseits ein Telegramm an Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping: „Ich rufe den göttlichen Segen für Frieden und das Wohl für die Nation“, hieß es darin. Beide Seiten - der römisch-katholische Kirchenstaat und das atheistische China vermittelten einander und der Welt, es sei möglich, die seit 1951 auf Eis gelegten diplomatische Beziehungen langsam auftauen zu lassen - ein ambitioniertes Projekt. Schließlich will die chinesische Führung keine Einmischungen in innere Angelegenheiten aus der Kirchenzentrale in Rom. Und die Katholiken blicken auf eine schmerzhafte Geschichte mit den chinesischen Machthabern zurück.

Verboten und verfolgt

Unter dem kommunistischen Staatschef Mao Zedong (1893-1976) wurde die katholische Kirche ab Ende der 1940er Jahre eingeschränkt, verboten, die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan gekappt und die katholiche Kirche quasi unter staatliches Kuratel gestellt, um sie dem ausländischen Einfluss aus dem Vatikan zu entziehen: Die Katholische Patriotische Vereinigung wurde gegründet.

Gläubige, die ihren Glauben ausleben wollten, mussten dies in dem strammen Korsett tun, welches der Staat billigte - Vaterland vor Vatikan - so die Devise. Geistliche und Ordensleute, die sich dem entzogen und dem Papst die Treue hielten, wurden verfolgt und somit in den Untergrund gedrängt.

Gespaltene Kirche

Repressionen gibt es zwar noch, doch mittlerweile hat sich die Lage in China für Katholiken erheblich verbessert und entspannt. Vatikan und China nahmen vor drei Jahren wieder Gespräche auf. Doch die chinesische Kirche ist nach wie vor gespalten - in die Untergrundkirche, die treu zum Vatikan steht, von der Regierung heute aber weitgehend geduldet wird, und der offiziellen chinesischen, patriotischen Kirche.

Das umstrittenste Thema zwischen Vatikan und Peking ist die Frage der Bischofsernennungen. In der katholischen Kirche ernennt in der Regel der Bischof von Rom alle anderen Bischöfe. Doch China sieht die Ernennungen als innerchinesische Angelegenheit. So sind zwar derzeit etwa 60 Bischöfe von beiden Seiten anerkannt, doch rund 30 nur vom Vatikan und sieben nur von Peking bestätigt worden. Viele Diözesen sind unbesetzt, wobei sich der Vatikan und China nicht einmal über die Anzahl der Diözesen einig sind.

Gläubige betend in Tianjin bei einer Messe

Reuters/Kim Kyung-Hoon/File Photo

Laut Schätzungen leben rund 10 Millionen Katholiken in China

Zulauf zu Protestanten

Darüber, wieviele katholische Christen es in China gibt, kurisieren viele Schätzungen. Das Holy Spirit Study Centre (HSSC) der Diözese Hongkong geht von zehn Millionen Katholiken aus, wie aus dem Bericht für 2017 des in Deutschland ansässigen China-Zentrums hervorgeht. Die Gläubigen sollen etwa gleich auf Untergrund- sowie Offizialkirche aufgeteilt sein. Und die Zahl der Katholiken steigt.

Mehr noch als die katholische Gemeinde wachsen allerdings die vielfältigen protestantischen Gemeinden. Nach Angaben der offiziellen protestantischen Gremien gibt es 20 Millionen Gläubige, andere Schätzungen gehen von einem Vielfachen aus. Die meisten Christen in China sind mittlerweile protestantisch. Kommentatoren sehen darin auch einen Grund für das Bestreben der katholischen Kirche, ein Abkommen mit der Regierung zu schließen und damit mehr Spielraum in China zu gewinnen.

Wunsch nach Einigung

Die aktuellen Verhandlungen zwischen dem Vatikan und China seien wichtig, sagte der China-Kenner und Leiter der Jesuitenmission Österreich, Hans Tschiggerl, im Gespräch mit religion.ORF.at. Rom und Peking müssten ein „genaues Prozedere finden“ wie Bischöfe in Zukunft ernannt werden sollen.

Ein stärkeres Eingehen auf die chinesischen Bedürfnisse, sieht Tschiggerl pragmatisch: „Auch in Österreich wird die Regierung gefragt.“ Wichtig sei, dass der Wunsch nach einer Lösung „bei vielen chinesischen Katholiken groß“ sei. Viele wollen die Kirche geeint und den Papst eines Tages auf chinesischem Boden sehen.

Widerspruch aus dem Untergrund

„Die Untergrundkirche ist aus einer Zeit, in der die Kirche verfolgt wurde“, dies sei heute nicht mehr der Fall, wie Tschiggerl sagte. Er wies zudem auf das hohe Alter vieler Geistlicher hin: „Die Untergrundbischöfe sterben aus“. Anders dürften das freilich viele Priester und Bischöfe aus eben dieser inoffiziellen Kirche sehen. Einige Vertreter der Untergrundkirche äußerten in den vergangenen Monaten und Wochen Kritik an den Plänen des Vatikans. Medienberichten zufolge sei der Papst bereit, einige Untergrundbischöfe abzusetzen und durch „staatstreue“ zu ersetzen.

Der emeritierte Bischof von Hongkong Kardinal Joseph Zen Ze-kiun

AFP PHOTO /Alberto Pizzoli

Kardinal Joseph Zen ze-kiun warnt vor einem Deal mit der Führung Chinas

Am lautesten vernahm man die Kritik des früheren Bischofs von Hongkong, Kardinal Joseph Zen Ze-kiun. Das Vorgehen des Vatikans sei ein „Ausverkauf“ der katholischen Kirche in China, wie er im Jänner sagte. Der Vatikan gehe einen Pakt mit dem Teufel ein, der zu „Verwirrung und Schmerz“ führen könnte unter jenen, die dem Vatikan unter einem repressiven System stets treu geblieben seien. Die Untergrundkirche fürchtet, sich durch ein Abkommen unter staatliche Kontrolle begeben zu müssen.

Onlineverkauf der Bibel verboten

Das sprichwörtliche Öl ins Feuer gießt die chinesische Regierung durch ihre jüngst demonstrierte Härte gegenüber Christen im Land. So setzt die Regierung - zum Ärger vieler Gläubige - seit einigen Wochen das Verbot des Onlineverkaufs der Bibel durch - mehr dazu in China: Bibel aus Onlinehandel verbannt.

Auch wird - zumindest in einigen Provinzen Chinas - das Gottesdienstverbot für Kinder und Jugendliche umgesetzt. Wie Medien berichteten schickten Beamte Kinder und Jugendliche von Ostergottesdiensten fort. Repression einerseits, Annährung an den Vatikan andererseits - so scheint die Strategie der chinesischen Führung zu lauten.

Verhandlungen stocken

Über den Fortschritt der Verhandlungen drang lang kaum etwas nach außen. Der Vatikan hält sich bedeckt. Am Wochenende berichtete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) allerdings von einer Unterredung des Papstes mit dem Erzbischof von Taipeh (Taiwan), Hung Shan-chuan. Der Vatikan unterhält zum Missfallen Chinas diplomatische Beziehungen mit Taiwan. Dass diese dem Abkommen zum Opfer fallen könnten, fürchten die taiwanesischen Katholiken. Der Vatikan werde nicht davon abrücken, dass der Papst die Bischöfe ernennt, sagte Hung Shan-chuan der dpa und berief sich auf Franziskus. Zudem, so der Erzbischof, steckten die Verhandlungen zwischen Vatikan und Peking seit März in einer Sackgasse.

Merkwürdig mutete allerdings das Hin- und Her der Verhandlungspartner Ende März an. Der Generalsekretär der offiziell vom Heiligen Stuhl nicht anerkannten chinesischen Bischofskonferenz, Guo Jincai, hatte damals erklärt, der Abschluss eines Abkommens sei in einigen Tagen zu erwarten - „falls alles gut läuft“. Die Verhandlungen hätten „die Schlussphase“ erreicht. Einige Stunden nachdem Medien über die Aussagen berichteten, dementierte der Vatikan, dass der Abschluss kurz bevor stehe. Wie das katholische Nachrichtenportal aus Asien, Ucanews, danach berichtete, sei das Abkommen verschoben worden. Papst Franziskus wird sich gedulden müssen.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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