Missbrauch: Papst bittet zu chilenischer Sondersynode

Zwar hatte Franziskus bei seiner Chile-Reise im Jänner bereits um Vergebung gebeten für die Fehler der katholischen Kirche im dortigen Missbrauchsskandal.

Anschließend sprach er aber auch von Verleumdungen - etwa gegen den von ihm ernannten Bischof Juan Barros. Doch als ihm sein Sonderermittler, Erzbischof Charles Scicluna, nach zweiwöchigen Anhörungen Betroffener in Chile einen 2300 Seiten starken Bericht vorlegte, sah Franziskus ein: Der Skandal um jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch sowie den von Macht und Vertrauen ist viel schlimmer.

Der Vatikan

Reuters/Stefano Rellandini

Papst Franziskus hat eine Sondersynode zum chilenischen Missbrauchsskandal einberufen

Eintreffen der Bischöfe in Rom

In einem Brief an Chiles Bischöfe Anfang April gestand der Papst ein, sich geirrt und Fehler gemacht zu haben. Franziskus bat um Vergebung und bestellte die Bischöfe nach Rom. Im Laufe dieses Wochenendes nun trafen die insgesamt 33 Bischöfe nach und nach ein, am Ende auch Kardinal Francisco Javier Errazuriz.

Zunächst wollte der langjährige Vertraute Bergoglios auf die Reise verzichten, weil er vor rund drei Wochen am Rande einer Sitzung des K9-Kardinalsrates mit dem Papst über den Fall gesprochen habe. Am Samstag aber bestieg der 84-Jährige in Santiago doch eine Maschine nach Rom. Er habe es sich anders überlegt, zitierte ihn die Zeitung „La Tercera“ und meinte zusätzlich zu wissen, der Papst habe ihn angerufen, er solle kommen.

„Synodaler Prozess“

Ab Dienstag nun will Franziskus den 33 Bischöfen zunächst seine Schlussfolgerungen aus Sciclunas Untersuchungsbericht mitteilen und mit ihnen beraten - drei Tage lang. Dabei an seiner Seite: der kanadische Kurienkardinal Marc Ouellet. Als Leiter der Bischofskongregation wird er die Folgen dieses Treffens mit umsetzen und begleiten müssen.

Der kleine Saal der Synodenaula Paul VI. wurde wohl nicht allein aus Platzgründen als Tagungsort gewählt. Es gehe in der Tat um einen „synodalen Prozess“, teilte der Vatikan mit. Franziskus will mit den Bischöfen aus Chile so etwas wie eine kleine Synode abhalten.

Drei Tage lang gemeinsam auf einem steinigen und schmerzvollen Weg, in dessen Verlauf geklärt werden soll, wer in welchem Umfang welche Verantwortung dafür trägt, dass es in Chile so weit kommen konnte. Und wie es in Zukunft besser werden kann: Hilfen für die Opfer, mehr Vorbeugung und neues Vertrauen in die Kirche und ihre Botschaft.

Reihe an beschuldigter Bischöfe

Längst geht es nicht mehr nur um Bischof Juan Barros von Osorno. Dem wird vorgeworfen, in den 1980er Jahren als junger Mann Zeuge von Missbrauchshandlungen durch den heute 87-jährigen einst charismatischen und heute verurteilten Priester Fernando Karadima geworden zu sein und dazu geschwiegen zu haben. Auch andere Bischöfe werden beschuldigt. Errazuriz soll nach Aussage von Opfern lange eine Strafverfolgung Karadimas verhindert haben.

Vor zwei Wochen hatte der Papst bereits drei chilenische Missbrauchsopfer zu Gast. Mehrere Tage sprachen die Männer mit ihm über den sexuellen Missbrauch und den Widerstand, als sie die Wahrheit ans Licht bringen wollten. Die Drei haben dem Kirchenoberhaupt grundsätzliche Reformansätze vorgelegt. Offenbar war genau dies auch der Wunsch von Franziskus. Wie auch die Reihenfolge der Treffen: Erst die Opfer, danach die Bischöfe - erst zuhören, dann beraten.

Blanke Nerven und Rücktrittsgesuche

Bei Chiles Bischöfen scheinen die Nerven zum Teil blank zu liegen. Einige von ihnen forderten bereits Rücktritte, während der Papst selber noch gar keine Namen genannt hat, auch nicht mehr den von Barros. Franziskus will keine Sündenböcke, sondern Hirten, die Verantwortung übernehmen. Nach einem Weg der Unterscheidung, der bei den Jesuiten, denen Jorge Mario Bergoglio angehört, eine so wichtige Rolle spielt.

Wie dieser Weg aussieht, hat Franziskus unlängst im Vorwort eines Büchleins über zwei frühere Jesuitengeneräle geschildert. Aber auch in seiner Rede vor Priestern und Ordensleuten am 17. Januar in Santiago de Chile.

Darin warnt er vor grundlegenden Fehlern während einer Krise: im Grübeln über die eigene Hoffnungslosigkeit steckenzubleiben, bloße Ideen zu debattieren anstatt sich mit der konkreten Lage zu befassen, sich auf Gegner einschießen anstatt eigene Fehler zu erkennen.

Die Konfrontation mit der eigenen Schwäche soll Kleriker lehren, dass sie sich aus der Angststarre des Versagens lösen können, dass sie ihre Isolation in Elitedenken aufgeben und erkennen: Auch sie sind zu der Umkehr gerufen, die sie anderen predigen. Eine verwundete Kirche könne die Wunden anderer verstehen, sagte der Papst in Santiago. Am Dienstag im Vatikan wird er Chiles Bischöfe daran erinnern.

Bischöfe müssen Wohl der Kirche selbst regeln

Vom Papst werde es während und nach den Beratungen keine Statements geben, ließ der Vatikan vorab wissen. Ob und was die chilenischen Bischöfe sagen, dürfte vor Beginn der chilenischen Sondersynode noch ungewiss sein. Der Papst wird es ihnen überlassen. Er ist nicht derjenige, der für andere alles regelt.

Als Leiter ihrer Ortskirchen müssen Chiles Bischöfe selber entscheiden und verantworten, was in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren am besten ist für das Wohl der Kirche und der Menschen. Auf die päpstliche Kurie - etwa Bischofskongregation oder Kinderschutzkommission - werden sie zur Unterstützung zurückgreifen können. Die notwendigen Wege werden sie - vom Papst in die Spur gesetzt - selber gehen müssen.

religion.ORF.at/KAP