Kommunionsstreit: Kritik an Leak des Vatikan-Briefes

Die Wortmeldungen zum Streit über die Kommunion für nicht-katholische Ehepartner reißen nicht ab. Neben der Debatte über katholisches Kirchenrecht und Dogmen wird nun auch Kritik daran laut, dass der Brief aus dem Vatikan „geleakt“ wurde.

Zum Kommunionsstreit meldete sich auch der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, kritisch zu Wort. Laut Kasper geht es bei der umstrittenen Frage nicht um „einen deutschen Sonderweg oder um ein deutsches Eigenkirchenwesen“. Ihn habe der Eindruck verwundert, „dass auch solche, die es besser wissen müssten, behaupten, eine Kommunion von nicht-katholischen Christen sei grundsätzlich ausgeschlossen oder müsse zumindest universalkirchlich erst geklärt werden“, schrieb Kasper in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de am Donnerstag.

Frage im Zweiten Vatikanischen Konzil geklärt

Eine „universalkirchliche Möglichkeit“ sei durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) grundgelegt, im Kirchenrecht „im Sinn einer Einzelfallregelung“ gegeben und durch zwei Enzykliken von Papst Johannes Paul II. „weiterführend im positiven Sinn geklärt“, so Kasper weiter. Es sei ausdrücklich festgehalten, dass „der Diözesanbischof oder die Bischofskonferenz über den Einzelfall zu entscheiden“ hätten.

Kurienkardinal Walter Kasper

AP/Domenico Stinellis

Kardinal Walter Kasper spricht von einem „unnötigen Streit“

Kardinal Kasper spricht von einem „unnötigen Streit“ und nennt es überraschend, dass keine einvernehmliche Lösung der Deutschen Bischofskonferenz möglich gewesen sei. Er verweist auf eine „De-facto-Praxis“, nach der nicht-katholische Partner zur Kommunion „hinzutreten“. Es sei aber gut, dass die Bischofskonferenz versucht habe, „diese De-facto-Praxis aus dem Grauschleier des Unerlaubten, Halberlaubten oder nur Geduldeten herauszunehmen“. Es könne nicht um „eine generelle Erlaubnis“ gehen, „sondern um Kriterien für die individuelle Gewissensentscheidung“.

Überraschender Brief aus dem Vatikan

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte sich bei ihrer Frühjahrsvollversammlung mit Dreiviertel-Mehrheit auf eine bisher unveröffentlichte Handreichung geeinigt, wonach im Einzelfall nichtkatholische Ehepartner zur Kommunion zugelassen werden können. Sieben Bischöfe baten den Vatikan um Klarstellung, ob eine solche Regelung von einer Bischofskonferenz beschlossen werden kann.

Kardinal Reinhard Marx

APA/AP/Gregorio Borgia

Kardinal Reinhard Marx war vom Brief aus dem Vatikan überrascht

Am 3. Mai reiste eine Bischofsdelegation mit Vertretern beider Richtungen zu Gesprächen nach Rom. Der Vatikan verwies den Konflikt zunächst an die deutschen Bischöfe zurück. Doch kürzlich wurde ein Schreiben von Glaubenspräfekt Erzbischof Ladaria bekannt, in dem es heißt, Papst Franziskus sei zu dem Schluss gekommen, „dass das Dokument noch nicht zur Veröffentlichung reif ist“. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hatte sich von dem Schreiben „überrascht“ gezeigt.

„Zornig“ über Leak

Kardinal Kasper sagte nun, Ladarias Brief habe auch bei ihm Fragen ausgelöst. Es mache ihn „zornig“, dass der Brief „durchgestochen“ worden sei. Das sei „eine Fortsetzung in der Reihe der ‚Vatileaks‘ und ein Loyalitätsbruch von Mitarbeitern der Kurie“.

Von „Querschüssen aus der katholischen Betonfraktion“ schreibt „Furche“-Redakteur Otto Friedrich (Donnerstag-Ausgabe) angesichts der Tatsache, dass der Ladaria-Brief „in jenen Medien auftauchte, die gern von den innerkirchlichen Feinden dieses Papstes bedient werden“. Medien hatten schon über den Brief berichtet bevor Kardinal Marx ihn überhaupt erhielt. „Der Apparat, der jede Beschneidung zentralistischer Glaubensmacht bekämpft, hätte somit einen Sieg errungen und Franziskus alt aussehen lassen“, so Friedrich.

Aus einer Mücke einen Elefanten machen

Was die Frage der Kommunion für nicht-katholische Ehepartner betrifft, werde "aus einer Mücke ein Elefant gemacht (...) „als ob es um die Grundfesten des Glaubens ginge“, schreibt Friedrich. „Aber nüchtern betrachtet ist der deutsche Bischofsvorstoß, in einem Detail auf dem Weg zu einer eucharistischen Tischgemeinschaft mit den Protestanten eine pastorale Lösung zu versuchen, bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Nach Ansichts des deutschen Kardinals Gerhard Ludwig Müller handelt es sich allerdings um eine Angelegenheit mit weitreichenden Konsequenzen. "Hier wurde kurz vor dem Abgrund die Notbremse gezogen“, sagte der frühere Chef der mächtigen Glaubenskongregation am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Rom. „Entgleist ist der Zug trotzdem, weil Rom zu spät und zu zögerlich reagiert hat. Jetzt kommt es darauf an, den Zug sorgfältig wieder auf die Schienen zu setzen“, so Müller.

Triumphgeheul „unangebracht“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht unterdessen „Triumphgeheul über das Ende der Ökumene“ als unangebracht an. Aus dem in dieser Woche bekannt gewordenen Brief von Ladaria, gehe schließlich nicht hervor, „dass das Anliegen in der Sache als illegitim zurückgewiesen wird“, sagte der bayerische Landesbischof im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe).

Der Bischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm predigt auf der Kanzel

APA/AFP/Ferdinand Ostrop

EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm sieht kein Ende der Ökumene

Bedford-Strohm könne sich die Intervention von Papst Franziskus nur so erklären, dass einem zunächst nationalen Anliegen nun doch eine weltkirchliche Bedeutung zugemessen worden sei. „Diese Einsicht ist im Verlauf der Meinungsbildung offensichtlich erst spät erfolgt“, sagte er.

Dennoch sehe der EKD-Ratsvorsitzende in diesem Zwischenschritt auch eine Chance. „Womöglich will man in Rom darüber nachdenken, wie das Anliegen der deutschen Bischöfe auf eine theologische und kirchenrechtliche Basis gestellt werden kann, die breiter und stärker ist als die, die bislang erarbeitet wurde“, so Bedford-Strohm.

Paare haben „Recht auf Klarheit“

Der Bochumer katholische Theologe Thomas Söding hofft unterdessen auf eine schnelle Einigung in dem Streit. „Die betroffenen Eheleute, die im römischen Schreiben mit keiner Silbe erwähnt werden, haben ein Recht darauf, möglichst bald Klarheit zu haben - um ihre Konsequenzen zu ziehen“, schreibt Söding in einem Beitrag für die Freiburger Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“.

Noch immer gebe es Chancen für eine „konstruktive Weiterarbeit“. Zwar sei der Brief aus Rom ein „Schuss vor den Bug der Deutschen Bischofskonferenz“, so Söding weiter. Man könne ihn aber auch als Ermutigung für die Bischöfe sehen, „pastoral aktiv zu werden, wie es für ihre Diözesen angezeigt scheint“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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