IGGÖ weist Fastenverbot für Schulpflichtige zurück

„Aufs Schärfste“ hat am Donnerstag die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) die Forderung von ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer zurückgewiesen, ein Fastenverbot für schulpflichtige Kinder einzuführen.

Das betonte die Frauenreferentin im Obersten Rat der IGGÖ, Carla Amina Baghajati, in einer Aussendung, die auch an religion.ORF.at erging. Nehhammer hatte am Donnerstag via APA Berichte von Lehrern zum Anlass genommen, die von geschwächten Kindern während des demnächst endenden islamischen Fastenmonats Ramadan berichtet hätten, ein Verbot zu fordern.

„Völlig undifferenziert“

Der Monat Ramadan beinhalte viel mehr als eine Enthaltung von Essen und Trinken – er fördere eine Ethik des sozialen Zusammenhalts und der Empathie, argumentiert Baghajati. „Jedem Politiker, der in Bezug auf den Ramadan Verbote erlassen will, muss bewusst sein, dass er damit auch diese Werte angreift, indem er die Fastenpraxis der Muslime an sich völlig undifferenziert in ein schlechtes Licht stellt“, so die Aussendung.

Carla Amina Baghajati

APA/Georg Hochmuth

Die Frauenreferentin im Obersten Rat der IGGÖ, Carla Amina Baghajati

Wenn Nehammer meine, „über den Trick, das ‚Kindeswohl‘ angeblich schützen zu wollen, einer Diskussion zum Thema ‚Einschränkung der Religionsfreiheit‘ aus dem Weg gehen zu können, so wird das nicht gelingen“. Zu offensichtlich sei, dass es hier nicht um das Kindeswohl gehe. „Vielmehr möchte man Ressentiments gegen den Islam und Musliminnen und Muslime bedienen – die man zuvor selbst noch beständig angefacht hatte. Längst hat die Verbotspolitik den Charakter des rein Symbolhaften verloren.“

Muslime „ständig vor den Kopf gestoßen“

Zu tiefgreifend sei, wie hier Muslime ständig vor den Kopf gestoßen würden und man sie bewusst zu demütigen such, so die IGGÖ-Frauenbeauftragte. Das führe zu einer gefährlichen Entfremdung in der Gesellschaft. Vor allem Kinder und Jugendliche bekämen diese Feindbildpolitik zu spüren. „Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie sich bewusst von der hiesigen Gesellschaft abwenden oder noch schlimmer empfänglich werden für radikales Gedankengut“, so Baghajati.

Denn: „Sprechen wir vom Ramadan, so geht es hier um eine Säule der Religion.“ Kinder seien „selbstverständlich“ aus zwei Gründen vom Fastengebot ausgenommen: Sie sind körperlich im Wachstum und noch nicht religionsmündig. Freilich würden sie die besondere Stimmung des Ramadan intensiv miterleben. „Es gibt auch viele Kinder, die in verschiedenen Formen Anteil am Fastenmonat nehmen. Das heißt nicht, dass sie wie Erwachsene mitfasten. Aber sie probieren mitunter einen halben Tag zu fasten, machen ein ‚Süßigkeitenfasten tagsüber‘ oder enthalten sich bewusst schlechter Rede“, erklärte Baghajati.

IGGÖ: Sache der Erziehungsberechtigten

"In Einzelfällen mag es auch dazu kommen, dass ein Kind, meist an der Grenze zur Pubertät, schon den ganzen Tag fasten möchte. Es ist Sache der Erziehungsberechtigten dies verantwortungsvoll zu begleiten. Vor allem würden sie signalisieren: „Du müsstest noch nicht fasten“ und würden so auch auf die Gesundheit des Kindes achten. Über Generationen habe sich ein „reicher Erfahrungsschatz gebildet, wie man pädagogisch angemessen mit dem Thema umgeht. Über den Religionsunterricht können wir zusätzlich einen vernünftigen Umgang fördern und Wissen – etwa auch über Ausnahmen vom Fasten - verbreiten.“

Nicht zuletzt sei der Ramadan für junge Erwachsene auch eine Chance, die eigene Mündigkeit zu erfahren und zu reflektieren, so die Aussendung. Baghajati zitierte auch die Kinderrechtskonvention von 1992, wo insbesondere in Artikel 4 festgehalten sei, „dass die freie Meinungsäußerung des Kindes zu respektieren sei. Dazu gehört auch, die spirituellen und religiösen Bedürfnisse eines Kindes zu achten.“ Es sei ein Trugschluss annehmen zu wollen, ein Kind, das faste, könne nur dazu gezwungen sein und wäre daher davon zu „befreien“.

Schilderungen entsetzter Eltern

„Ganz im Gegenteil sind wir gerade nach dem heurigen Ramadan zutiefst betroffen davon, wie viele Schilderungen entsetzter Eltern über klares pädagogisches Fehlverhalten an uns herangetragen wurden. Darunter sind Schilderungen, dass ihre Kinder in der Schule auf erniedrigende Weise gezwungen wurden, Wasser zu trinken oder Nahrung zu sich zu nehmen – ohne dass diese Anzeichen körperlicher Schwäche gezeigt hätten“, schilderte die Frauenbeauftragte. Essenszwang sei ein „tiefer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht. Das sind geradezu traumatische Erfahrungen, die im Widerspruch zu jedem Kinderrechtsverständnis stehen.“

religion.ORF.at

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