Papst zu Nahostkriegen: „Schluss mit Profitgier!“

Papst Franziskus hat erneut eindringlich zu Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten aufgerufen. So müsse „Schluss sein“ mit „Profitgier ..., nur um sich Gas- und Brennstoffvorkommen zu ergattern“ forderte der Papst vor Kirchenvertretern aus dem Nahen Osten heute in Bari.

Nach Bari, einer süditailenische Hafenstadt, in der die Reliquien des in der Orthodoxie vielverehrten Heiligen Nikolaus von Myra aufbewahrt werden, hatte der Papst die christlichen Patriarchen der Region zu einem eintägigen Friedensgebet eingeladen.

Papst Bari Treffen Naher Osten

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Papst Franziskus hat erneut eindringlich zu Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten aufgerufen

Zahlreiche Kritikpunkte an Nahost-Region

Flankiert von den 20 weiteren Kirchenoberhäuptern kritisierte Franziskus eine Reihe von Faktoren, die den Frieden in Nahost behindern.

So müsse „Schluss sein“ mit „Gewinnen einiger weniger auf Kosten so vieler“, „Schluss mit Landbesetzungen, die Völker auseinanderreißen“ ebenso wie mit „parteiischen Wahrheiten“, „sturen Gegensätzen“ und ausländischer „Profitgier ..., nur um sich Gas- und Brennstoffvorkommen zu ergattern“. Das Treffen in Bari sei ein eindeutiges politisches Signal „gegen alle geopolitischen Spiele der Mächte“ und solle den Stimmlosen eine Stimme geben.

„Stillschweigen und Mitschuld vieler“

Eine „dicke Decke der Dunkelheit“ liege derzeit über dem Nahen Osten, formulierte Papst Franziskus: „Krieg, Gewalt und Zerstörung, Besetzungen und Formen des Fundamentalismus, zwangsmäßige Migration und Flucht. All das geschah unter dem Stillschweigen und der Mitschuld vieler. Der Nahe Osten ist zu einem Land von Menschen geworden, die ihre Heimat verlassen.“

Papst Franziskus mit Lampe in Form eines silbernen Schiffes

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Papst Franziskus entzündete eine Lampe in Form eines silbernen Schiffes

In seiner mehrfach von Applaus unterbrochenen Rede vor der Basilika San Nicola forderte er zugleich Rechte für alle Bürger der Länder. Außerdem geißelte er reine Friedensrhetorik, „während man heimlich ein ungezügeltes Wettrüsten veranstaltet“. Diese „sehr ernste Verantwortung“ laste „schwer auf dem Gewissen der Nationen, insbesondere der mächtigsten Länder“. Was der Frieden brauche, seien Brot und Arbeit, Würde und Hoffnung.

Viele Konflikte im Nahen Osten seien auch „durch Fundamentalismus und Fanatismus geschürt worden“, die tatsächlich den Namen Gottes „lästerten und den Bruder verfolgten, mit dem man immer in Nachbarschaft gelebt hat“. Frieden aber müsse selbst „auf dem dürren Boden der Gegensätze“ gepflegt werden; es gebe keine Alternative, so der Papst.

Die Christen und ihre Kirchen verpflichteten sich dazu, den Weg des Zuhörens und des Dialogs zu gehen, ohne Angst, miteinander zu sprechen, fremde Gedanken zuzulassen und sich umeinander zu kümmern".

Jerusalem braucht Status quo

Zudem rief der Papst erneut dazu auf, den Status quo von Jerusalem „gemäß den Beschlüssen der internationalen Gemeinschaft“ einzuhalten. „Jerusalems Identität und Berufung müssen über die verschiedenen Streitigkeiten und Spannungen hinaus bewahrt werden“, sagte das Kirchenoberhaupt.

Der Felsendom in Jerusalem

Reuters/Amir Cohen

Der Felsendom in Jerusalem

„Nur eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern, die von der Gemeinschaft der Nationen nachdrücklich gewollt und gefördert wird“, könne zu stabilem und dauerhaftem Frieden führen und „die Koexistenz zweier Staaten für zwei Völker gewährleisten“, so das Kirchenoberhaupt.

„Gleiche Rechte für alle Bürger“

In seiner mehrfach von Applaus unterbrochenen Rede ging der Papst auch grundsätzlicher auf den Frieden in den Ländern des Nahen Ostens ein. Flankiert von den Kirchenführern forderte er gleiche Rechte für alle Bürger der Länder, kritisierte „Landbesetzungen, die die Völker auseinanderreißen“ ebenso wie reine Friedensrhetorik, während gleichzeitig Waffen geliefert werden.

Franziskus hatte zu dem ökumenischen Treffen nach Bari eingeladen, um mit Vertretern aller im Nahen Osten vertretenen Kirchen für den Frieden in der Region zu beten. Nach dem Gebetstreffen am Vormittag hatten die Teilnehmer in der Basilika San Nicola über die Lage der Christen im Nahen Osten beraten. Nach einem gemeinsamen Mittagessen im Haus des Erzbischofs von Bari wollte der Papst die Kirchenoberhäupter am Nachmittag verabschieden und gegen 16 Uhr nach Rom zurückkehren.

Patriarchen: Christen wollen im Nahost bleiben

Das Friedensgebet von Bari beweise, dass die kirchlichen Führungspersönlichkeiten im Gebet für den Frieden und das Wohlergehen aller Bewohner des Nahen Ostens vereint sind, betonte der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II. im Anschluss gegenüber der italienischen katholischen Nachrichtenagentur SIR.

„Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir im Gebet vereint sind, dass wir alle den Frieden in der Welt und vor allem im Nahen Osten wollen und dass wir sicher sein möchten, dass die Christen mit Gottes Hilfe in dieser Region bleiben“, sagte der Patriarch.

Teilnehmer des Ökumene Gipfels in Bari

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Teilnehmer des Ökumene Gipfels in Bari

Aphrem II. ging auch auf die Situation der beiden entführten Aleppiner Metropoliten Mor Gregorios Youhanna Ibrahim und Boulos Yazigi ein. Weiterhin habe er Hoffnung und bete dafür, dass sie am Leben seien, auch wenn es keine Nachrichten gebe.

Eindringlich rief er dazu auf, alles nur Mögliche für die Befreiung zu tun - der Metropoliten, von P. Paolo Dall’Oglio, der bei Verhandlungen mit Anführern der Terrorgruppe IS über die Freilassung der Metropoliten selbst entführt wurde, sowie von weiteren entführten Priester und christlichen Laien. „Wir haben das Gefühl, dass die Welt all diese Menschen vergessen hat. Niemand tut genug für sie“, so Mor Ignatius. Papst Franziskus gehe das Schicksal der Entführten zu Herzen und er sei als einziger hilfreich.

Das Schicksal der Menschen in Nahost sei in den Händen der internationalen Politik, diese widme der Angelegenheit jedoch nicht genügend Aufmerksamkeit, sagte der syrisch-orthodoxe Patriarch. Viele orientalischen Christen seien dazu gezwungen, ihre angestammte Heimat zu verlassen. Wer Frieden im Nahen Osten und in Europa wolle, müsse den Christen helfen, daheim bleiben zu können.

Hoffnung auf politische Folgewirkungen

Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Boutros Rai appellierte im Gespräch mit SIR an die internationale Gemeinschaft den Kriegen ein Ende zu setzen und sich mit den Ärmsten und den Opfern der Gewalt solidarisch zu zeigen. Die Millionen Vertriebenen Syriens hätten ein Recht auf Rückkehr in sichere Zonen des Landes; dies gelte es zu fördern.

Besonders gelte dies für die Christen, die schon 600 Jahre vor der Ankunft des Islam in Syrien gewesen seien. 1.400 Jahre hätten Christen und Muslime im Nahen Osten zusammengelebt, wobei es gute und schlechte Zeiten gegeben habe. Dass die orientalischen Christen ihre Heimatgebiete im Stich lassen, sei jedenfalls keine Option.

Papst Öumene Treffen Bari

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Papst Franziskus hat zu größeren Friedensanstrengungen für den krisengeschüttelten Nahen Osten aufgerufen

Die Gebets- und Solidaritätsinitiative des Papstes in Bari beurteilte Kardinal Rai als „überaus bedeutsam“; für ihn stehe nicht in Zweifel, dass es auch politische Auswirkungen haben werde. Denn das Gebet rüttle die Gewissen auf, müsse jedoch auch die verfehlte internationale Politik und die „aufgedrängten Kriege“ anprangern.

Zugleich erinnerte der maronitische Patriarch daran, dass im Libanon 1,7 Millionen syrische und 400.000 palästinensische Flüchtlinge leben. Der Libanon, mit 600 Einwohner pro Quadratkilometer die höchste Bevölkerungsdichte der Welt, zahle seit 1948 den Preis für den israelisch-palästinensischen Konflikt, in den letzten Jahren auch den Preis für die Kriege im Irak und in Syrien. Rai: „Wir verschließen aus Gründen der Menschlichkeit für niemanden die Tür. Aber wir stehen vor einer überaus gravierenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und Sicherheits-Krise.“

Auch das religiöse Moment spiele eine Rolle, das Risiko von Manipulationen sei hoch. Viele syrische Flüchtlinge seien sunnitische Muslime, sie könnten im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung mit den Schiiten manipuliert werden. Der Libanon könne nicht den Preis für die Auseinandersetzung zwischen Saudiarabien und dem Iran zahlen. Wenn der Libanon zusammenbrechen sollte, wäre dies eine „Katastrophe für den ganzen Nahen Osten“. Der Libanon sei das einzige Land, in dem Muslime und Christen imstande gewesen seien, Religion und Staat zu trennen; das Resultat sei demokratisch gewesen.

religion.ORF.at/KAP

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