Russische Kirche gedenkt Zarenmordes von 1918

Der Moskauer Patriarch Kyrill I. hat am Sonntag bei einem Gottesdienst in Jekaterinburg der Ermordung von Zar Nikolaus II., seiner Familie und seiner persönlichen Betreuer vor 100 Jahren gedacht.

Die Bluttat durch die Bolschewiki sei eine Mahnung zur Einheit, sagte der Patriarch laut Kathpress der Agentur TASS zufolge. In der Nacht vom 16. auf den 17. Juli 1918 hatten die neuen kommunistischen Machthaber in Jekaterinburg den gefangenen letzten Zaren, seine Frau Alexandra Fjodorowna und ihre fünf Kinder erschossen und auch mit Bajonetten erstochen. Die russische Kirche hat die Familie als Märtyrer heiliggesprochen.

Zar Nikolai II. und seine Frau Alexandra Fjodorowna

dpa

Zarenpaar Nikolai II. und Alexandra Fjodorowna

Zu den mehrtägigen Gedenkfeiern, die am Dienstag enden, wurden rund. 100.000 Menschen in Jekaterinburg erwartet. Kyrill weihte am Sonntag auch eine Gedächtniskirche im Kloster Alapajewsk. In ihr steht die Hausikone der Zarenfamilie.

Mehrtägige Gedenkfeiern

Bereits am Freitag hatte Kyrill in Jekaterinburg Reliquien der einen Tag nach der Zarenfamilie in Alapajewsk ermordeten Schwester der Zarin, Großfürstin Jelisaweta Fjodorowna, für die „Erlöserkirche auf dem vergossenen Blut“ überbrachte. Diese Kirche wurde 2004 an der Stelle des Ipatjew-Hauses errichtet, in dessen Keller die Ermordung der Mitglieder des Zaren-Haushaltes erfolgte. Am Samstag leitete der Patriarch in Jekaterinburg eine Sitzung des Heiligen Synods, bei der der Ereignisse vor 100 Jahren gedacht wurde. Am Sonntag weihte Kyrill die Kirche der Gottesmutter im Kloster in Alapajewsk.

In der Nacht auf Dienstag wird der Patriarch einen Vigilgottesdienst auf dem Platz vor der „Erlöserkirche auf dem vergossenen Blut“ zelebrieren und dann eine Prozession leiten, die 21 Kilometer weit zur Ganina Jama zieht, einer Grube, in der die Bolschewiki die Leichen der Ermordeten „entsorgen“ wollten. Heute steht auch dort ein Kloster. Das Oberhaupt des Hauses Romanow, Großfürstin Maria Wladimirowna, wird teilnehmen.

Kirche prüft Authentizität von Überresten

Während russische Behörden die Echtheit der sterblichen Überreste der damals erschossenen Herrscherfamilie am montag bestätigt haben, bleibt die Kirche skeptisch. Die russisch-orthodoxe Kirche werde die Ergebnisse der DNA-Untersuchung prüfen, sagte der Sprecher.

Der Leiter der Synodal-Abteilung für die Beziehungen zur Gesellschaft und zu den Medien, Wladimir Legojda, hatte zuvor bekanntgegeben, dass die russisch-orthodoxe Kirche keine Stellungnahme zur Frage der Authentizität der ab 1991 sichergestellten sterblichen Überreste des Zaren und seiner Familienangehörigen und Betreuer abgeben wird. Zuvor müssten alle Analysen - forensische, genetische, anthropologische, historische - abgeschlossen sein.

Patriarch Kyrill

APA/AFP/Daniel Mihailescu

Patriarch Kyrill I.

Patriarch Kyrill habe wiederholt betont, dass die Kirche in dieser Frage keinen Fehler machen dürfe, sagte Legojda im Gespräch mit der „Iswestija“. Zum jetzigen Zeitpunkt könne eine wissenschaftliche Untersuchung der sterblichen Überreste nur eine 70- bis 80-prozentige Sicherheit garantieren, der Kirche gehe es darum, eine nahezu 100-prozentige Sicherheit zu gewinnen.

Gedenkstätten als Pilgerziele

Die Gedenkstätten für die ermordeten Mitglieder der Familie Romanow haben sich in den letzten Jahren zu Pilgerzielen entwickelt, die Orthodoxe und auch Nichtorthodoxe aus aller Welt anziehen. Während der Fußball-WM kamen besonders viele Lateinamerikaner nach Jekaterinburg.

Der Bürgermeister der Ural-Metropole, Jewgenij Roizman, hat über die Botschaft in Moskau auch die britische Königsfamilie nach Jekaterinburg eingeladen, weil die Familien Romanow und Sachen-Coburg/Windsor - und damit auch Kaiser Nikolaus II. und König George V. - eng miteinander verwandt waren.

religion.ORF.at/APA