Schächten: Diskussion und Fakten

Für Verunsicherung und Empörung hat die kürzlich aufgeflammte Diskussion um Schächtungen und mögliche Registrierungen für Kundinnen und Kunden, die koscheres Fleisch kaufen wollen, gesorgt. Juden und Muslime schächten - was ist der Unterschied?

Die Diskussion um die Verschärfungen der Bestimmungen für Schächtungen und die Forderung des niederösterreichischen FPÖ-Landesrats Gottfried Waldhäusl nach einer Registrierung von Konsumentinnen und Konsumenten, hat unter anderem in der Frage für Verunsicherung gesorgt, ob die etwa 700.000 in Österreich lebenden Muslime auch von einer eventuellen Registrierung betroffen wären.

Die Geschäftsführerin der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Anka Lorencz, hatte gegenüber der APA davon gesprochen, dass Muslime, die geschächtetes Fleisch kaufen, nicht betroffen seien, weil sich die islamische Schächtung von der jüdischen darin unterscheide, dass bei der islamischen Schächtung die Tiere vor dem Durchtrennen der Halsschlagader betäubt würden.

Mehrere Halal-Zertifikate in Österreich

Dazu sagte Enis Buzar, Halal-Beauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), gegenüber religion.ORF.at, dass die IGGÖ ihre Zertifikate nur an Betriebe (sechs österreichweit) vergebe, die die Betäubung unmittelbar nach dem Schnitt vornehmen. Die Wirtschaftskammer arbeite - zu seinem Bedauern - nicht mit der IGGÖ zusammen, sondern mit einem anderen Halal-Zertifizierer (laut APA dem größten Halal-Zertifizierer in Österreich - der Islamic Information Documentation and Certification GmbH (IIDC)).

Laut Buzar erlaubt das Zertifikat der IIDC das Betäuben der Tiere vor dem Schnitt. Unter Muslimen ist umstritten, ob durch eine vorherige Betäubung durch Elektroschock oder Bolzenschuss das Fleisch als halal gelten kann. Der Halal-Beauftragte sagte, die Mehrheit der Muslime lehne eine vorherige Betäubung ab. Für Kundinnen und Kunden ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Halal-Zertifikaten nicht sofort ersichtlich. In beiden Fällen steht „halal“ (erlaubt) darauf.

Ein Mann schneidet mit einem Messer rohes Fleisch

APA/dpa/Matthias Schrader

Koscheres und Halal-Fleisch ist nur in bestimmten Geschäften erhältlich.

Schächtungen gesetzlich geregelt

Grundsätzlich bezeichnet das Schächten das Schlachten eines Tieres im Judentum, später wurde die Praxis auch vom Islam übernommen. Dabei werden die Halsschlagader, die Speiseröhre und die Luftröhre des Tieres mit einem einzigen fachmännisch ausgeführten, schnellen Schächtschnitt durchtrennt - ohne vorhergehende Betäubung. Wichtig ist dabei das vollständige Ausbluten des Tieres, es darf nur unblutiges Fleisch konsumiert werden.

Schlachtungen ohne vorherige Betäubung sind im Tierschutzgesetz zwar prinzipiell verboten, bei „zwingenden religiösen Geboten oder Verboten einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft“ aber erlaubt. Das österreichische Tierschutzgesetz von 2004 schreibt für Schächtungen eine Betäubung unmittelbar nach dem Schnitt vor - das Post-cut Stunning.

IKG: Unverständnis über Diskussion

Der Unterschied zwischen jüdischen und muslimischen Schächtungen liegt in erster Linie im rituellen Bereich. Jüdische Schächtungen werden von ausgebildeten Rabbinern mit einer Schächtbefähigung in ausgewählten Betrieben durchgeführt. Mit dem Post-cut Stunning sei man einen Kompromiss eingegangen, sagte der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Raimund Fastenbauer, gegenüber religion.ORF.at. Auch die IGGÖ-zertifizierten Betriebe würden sich selbstverständlich an diese Vorschrift, die Tiere unmittelbar nach dem Schnitt zu betäuben, halten, sagte Buzar.

Koscheres Fleisch wird übrigens nur in Niederösterreich und der Steiermark produziert. Die Schlachthöfe dürfen nach Angaben der IKG das koschere Fleisch nur an einige wenige koschere Fleischhauereien in Wien verkaufen. Daher sei die Diskussion um die Registrierung von Konsumentinnen und Konsumenten völlig unverständlich, sagte Fastenbauer zu religion.ORF.at. Konsumentinnen und Konsumenten in den Bundesländern können sich koscheres Fleisch liefern lassen.

Koscher und halal: Ein ganzes Konzept

Sowohl im Judentum als auch im Islam geht es bei der Schächtung um mehr als die Tötungsart. Der Halal-Beauftragte der IGGÖ sagte, es werde auch darauf geachtet, dass der Transportweg möglichst kurz ist, außerdem werde das Tier räumlich von den anderen Schlachttieren getrennt, damit es vorhergehende Schlachtungen oder Schächtungen nicht mitbekommt. Auch für jüdisch geschächtete Tiere gilt grundsätzlich, dass sie gesund aufgewachsen und unversehrt sein müssen. Auch sollte der Transportweg kurz gehalten werden, damit das Tier so wenig wie möglich leidet.

Bei allen Schächtungen muss ein Veterinärmediziner anwesend sein. Eine islamische Schächtung wird außerdem in Richtung der Kaaba - dem zentralen Heiligtum der Muslime in Mekka - ausgerichtet und es wird eine Gebetsformel gesprochen.

Schächten nur in bestimmten Betrieben

Die meisten österreichischen Betriebe, die schächten, schlachten auch „normal“. Die IGGÖ stattet nicht nur Betriebe mit einem Halal-Zertifikat aus, sondern es können auch einzelne Mitarbeiter (wenn sie Muslime sind) eine Schächterlaubnis bekommen. Die IGGÖ stellt aber auch Schächtbefähigungen an Privatpersonen aus. Diese wird zeitlich begrenzt auf einzelne Tage ausgegeben, beispielsweise vor dem islamischen Opferfest (heuer am 21. August).

Bekommt eine Privatperson eine Schächterlaubnis von der IGGÖ ausgestellt, darf sie in einem Schlachthof die Schächtung durchführen. Der Schlachthof muss dafür einen Antrag bei der Behörde stellen. Keinesfalls wären damit Schächtungen in der eigenen Küche oder dem eigenen Garten möglich, betonte Buzar.

Die Erlaubnis erlischt nach der angegebenen Frist. Für private Schächtbefähigungen kommen zudem nur Personen infrage, die entweder Fleischhauer sind oder ausreichend Schächterfahrungen haben. Die IGGÖ arbeitet nach eigenen Angaben auch an Schulungen für Interessierte. Grund für einen Antrag auf private Schächerlaubnis kann das fehlende Vertrauen in die existierenden Zertifikate sein.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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