Schächten und Schlachten: Eine Frage der Ethik

Beim Thema Schächten gehen die Wogen hoch, grausam sei die religiöse Schlachtmethode, lautet die Kritik. Der Tierethiker Michael Rosenberger kritisiert auch konventionelle Schlachtungen und plädiert insgesamt für einen behutsameren Umgang mit Tieren.

Tieren würde bei einer Schächtung nicht mehr Leid zugefügt als bei Schlachtungen - vorausgesetzt, die Schächtung laufe nach den Vorschriften ab, sagte der Moraltheologe und Tierethiker Rosenberger im Gespräch mit religion.ORF.at. Hinter dem Schächten steht mehr als nur die Art der Tötung.

Die aus der jüdischen Tradition kommend und später vom Islam übernommenen Praxis der Schächtungen sei ein Konzept, das dem Tier „als von Gott geliebtem Geschöpf“ und als Individuum Respekt zollt, so Moraltheologe Rosenberger, der an der Katholischen Privatuniversität Linz (KU) lehrt.

Konzept des Schächtens

Auch ein artgerechtes Aufwachsen der Tiere gehört sowohl zur jüdischen als auch zur islamischen Vorschrift - also keine Massentierhaltung. Ob dieses Konzept in der Gegenwart immer aufrechterhalten werden kann ist angesichts steigender Nachfrage und kostenintensiveren Haltungskosten allerdings fraglich.

Tiere, die geschächtet werden, sollten im Idealfall in einem separaten Raum in Ruhe noch fressen und trinken können, sollten einen friedlichen Kontakt zu einem Menschen haben können und dann erst geschächtet werden. Unter den genannten Gesichtspunkten, so Rosenberger, könnten Schächtungen sogar als „humaner“ bezeichnet werden.

Wer spürt Schmerz wie?

Grundsätzlich würde eine vorherige Betäubung das Leid der Tiere schon geringer halten, meint der Theologe. Dann würde das Fleisch allerdings nicht mehr als koscher gelten, da dies nur für völlig gesunde und unversehrte Tiere gilt. Bei der Schächtung werden Halsschlagader, Speiseröhre und Luftröhre sowie die Halsvenen mit einem einzigen schnellen Schnitt mit einem extrem scharfen Messer durchtrennt.

Das Tier verliere innerhalb von Sekunden das Bewusstsein und fühle auch keinen Schmerz, sagte der Moraltheologe. Rosenberger erklärt das anhand der Erfahrung, wenn man sich beispielsweise in den Finger schneidet. Der Schmerz trete erst nach mehreren Sekunden ein, das geschächtete Tier sei zu diesem Zeitpunkt aber bereits bewusstlos.

Amtsarzt: Schächtungen leidvoller

Dem widerspricht der Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Hartberg in der Steiermark, Herbert Haupt. Er sagte gegenüber religion.ORF.at, dass der Schnitt in den Hals aufgrund der vielen sensiblen Nerven sehr schmerzempfindlich sei.

Haupt, Leiter des Veterinärreferats Hartberg, sagte, dass der Bewusstseinsverlust bei den Schächtungen nicht so schnell eintrete. Der Amtstierarzt habe zwei Sekunden zwischen dem Schnitt und dem Eintritt der Betäubung durch das gesetzlich vorgeschriebene Post-Cut Stunning gemessen. Das ist die Betäubung nach dem Schnitt. Im Tierschutzgesetz von 2004 ist geregelt, dass geschächtete Tiere unmittelbar nach dem Schnitt betäubt werden müssen (mit Bolzenschuss oder Elektroschock).

Über die Zahl der Schächtungen in Österreich wird keine Statistik geführt. Die Schächtungen werden laut Statistik Austria zu den Schlachtungen dazugezählt. So wurden 2017 beispielsweise insgesamt 622.000 Rinder und 56.300 Kälber geschlachtet. Für die Steiermark nennt Veterinärmediziner Haupt folgende Zahlen zum Vergleich: 2017 wurden 116.453 Rinder geschlachtet und 1.500 geschächtet.

Schächten versus schlachten

Im aktuellen „Falter“ stellt der Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und selbst ausgebildeter Schächter (Schochet), Schlomo Hofmeister, die Frage: „Ist es besser, die Tiere vor dem Schlachten durch CO2-Erstickungen, Stromschläge und Bolzenschüsse zu quälen?“

In der konventionelle Fleischproduktion kommen je nach Tierart verschiedene Betäubungsmethoden zum Einsatz. Große Tiere wie Rinder werden mittels Bolzenschuss in den Kopf betäubt, kleinere Tiere wie Schweine mit Elektroschocks (Plus- und Minuspol an je ein Ohr) oder durch Kohlendioxid - also Sauerstoffmangel.

Hühner werden an den Füßen aufgehängt und kopfüber in ein Strombad getaucht. Danach findet die Schlachtung statt. Hebt ein Huhn den Kopf, kommt es möglicherweis nicht in das Strombad oder die Stromschläge für die Schweine funktionieren nicht auf Anhieb, dann bleibt die Betäubung aus. Etwa zwei Prozent der Betäubungen bei konventionellen Schlachtungen gingen fehl, so Rosenberger.

Theologe für strengere Gesetze

Rosenberger weist auch auf die oft Tausende Kilometer dauernden Transportwege in der Massentierhaltung hin, die es gesetzlich zu vermeiden gelte. Wegen billigerer Schlachtungen werden lange Transporte quer durch Europa in Kauf genommen. Aber auch islamische Länder würden mittlerweile viele Tiere lebend importieren, weil sich auch dort der Fleischkonsum an den der westlichen Länder angleiche, den dortigen Schächtungen aber misstraut würde.

Der Moraltheologe weist darauf hin, dass die Standards für Schächtungen in Österreich strenger eingehalten würden, als in vielen islamischen Ländern, weil die Kontrollen in Österreich besser funktionierten.

Verantwortungsvollerer Umgang

Um das Leiden von Tieren insgesamt zu minimieren, plädiert Rosenberger für alle Arten der Tierhaltung und Fleischproduktion für strengere gesetzliche Vorgaben, Kontrollen und mehr Personal. Im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Schöpfung tritt er für eine regionale, zahlenmäßig viel kleinere Viehwirtschaft ein, was sich positiv auf das Klima und die Artenvielfalt auswirken würde.

Eine generelle Reduktion des Fleischkonsums wäre auch aus gesundheitlichen Gründen anzuraten. (Österreicherinnen und Österreicher essen durchschnittlich fünf Mal pro Woche Fleisch, während maximal drei empfohlen werden).

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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