Bischof: Prager Frühling auch für Kirche bedeutend

Der Prager Frühling 1968 in der damaligen Tschechoslowakei war auch für die katholische Kirche im Land von immenser Bedeutung, wie der unter den Kommunisten verfolgte Prager Weihbischof Vaclav Maly der Kooperationsredaktion der heimischen Kirchenzeitungen sagte.

„Der Prager Frühling war auch ein Frühling für die Kirche“, so der Weihbischof, der die Ereignisse damals als 18-Jähriger erlebte. In den 1950er Jahren seien viele Priester verhaftet und verurteilt worden, die Bischöfe wurden isoliert oder waren in Haft. Das Ordensleben sei nicht mehr möglich gewesen und die Pfarrstrukturen beschädigt worden. Öffentliches Wirken sei verboten und kirchliches Leben auf die Kirchengebäude beschränkt worden.

Ging nicht um Sozialismus, sondern um Freiheit

In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre kehrten dann Priester aus den Gefängnissen zurück, und im Prager Frühling seien sie aktiv geworden. Auch die Bischöfe hätten ihren Platz wiedereinnehmen können, so Maly: „Das war eine sehr fruchtbare Zeit, auch im kulturellen Leben: In Prag entstanden neue Theater und Zeitschriften. Ich war begeistert und habe viel gelesen.“

Bishop Vaclav Maly

AFP/Photo Martin Bureau

Weihbischof Vaclav Maly wurde unter den Kommunisten verfolgt und inhaftiert

Im Prager Frühling sei die Zensur aufgehoben worden, und man habe von einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ gesprochen. Doch allen sei klar gewesen: „Wenn der Prager Frühling sich fortsetzen würde, dann käme ein demokratisches System. Denn es ging den Menschen nicht um Sozialismus, sondern um Freiheit und Demokratie.“

„Säuberungen“ auch in der Kirche

Der Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts am 21. August 1969 sei dann ein Schock gewesen. Maly: „Es gab vorher gewisse Signale, dass etwas passieren könnte. Aber der brutale Einmarsch war in dieser Form nicht erwartet worden.“ Die Situation sei zwar im Herbst 1968 noch verhältnismäßig gut geblieben, im Frühling 1969 hätten aber die Säuberungen in der Kommunistischen Partei selbst begonnen, und ab dem Sommer 1969 betrafen die Säuberungen die Gesellschaft und auch die katholische Kirche.

Die damaligen Ereignisse hätten ihn dazu bewogen, Priester zu werden, erinnerte sich der Bischof: „Nach dem Prager Frühling sah ich aber, wie sich Menschen veränderten und vorsichtiger wurden. Es gab wieder Karrieristen. Ich dachte mir, man könne nicht die persönliche Einstellung und den Glauben ändern, weil sich das System ändert. Als Priester wollte ich zeigen, dass es sich lohnt, das Evangelium zu bekennen.“

Vom Regime verfolgt und inhaftiert

Als einer von ganz wenigen Priestern unterschrieb Maly, der 1976 geweiht worden war, in der Folge die „Charta 77“, die Gerechtigkeit und Freiheit in der kommunistischen Tschechoslowakei forderte: „Ich habe in der Kirche gepredigt, dass wir tapfer sein, uns zu Jesus Christus bekennen und in der Wahrheit leben müssen. Mir war aber klar, dass ich auch öffentlich nicht schweigen kann.“

Hinweis

Der Prager Frühling vor 50 Jahren war der Versuch der Kommunistischen Partei in der damaligen Tschechoslowakei, Demokratisierungsprozesse durchzusetzen. Sie wurden gewaltsam niedergeschlagen.

Daraufhin wurde es ihm elf Jahre lang verboten, als Priester zu wirken. Maly: „Ich wurde von der Geheimpolizei verfolgt, geschlagen, war sieben Monate im Gefängnis. Es war für mich dennoch eine sehr wertvolle Zeit, weil ich in dieser Opposition den Dialog mit Menschen ganz unterschiedlicher weltanschaulicher Herkunft führen konnte.“

Im Untergrund Eucharistie gefeiert

Als Priester sei er in dieser Zeit geheim tätig gewesen: „In Wohnungen oder im Sommer auch im Wald habe ich mit kleinen Gruppen Eucharistie gefeiert. Ich habe Bibelstunden und Vorträge gehalten, Sakramente gespendet und für den Samisdat (Untergrundliteratur, Anm.) geschrieben.“

Bei der Samtenen Revolution 1989 war Maly dann erneut öffentlich an der Seite von Vaclav Havel beim Bürgerforum auf dem Wenzelsplatz aufgetreten: „Wir traten auf, nachdem die Polizei Studenten zusammengeschlagen hatte. Es war unser Ziel, den Leuten eine Richtung zu zeigen. Wir haben gesagt, dass es keine Rache geben darf. Es war ein Wunder, dass die Menschen uns angenommen haben. Als zehntausend Arbeiter einer Prager Fabrik zu uns stießen, war für uns klar, dass wir die kritische Masse erreicht hatten.“

„Städtische Kirche, keine Volkskirche“

Zur Situation der katholischen Kirche in der heutigen Tschechischen Republik meinte der Weihbischof, dass die Frage der Rückgabe kirchlichen Eigentums gelöst sei. „Es liegt jetzt an uns, neue Wege zur Verkündigung des Evangeliums zu finden.“ Zum Teil würden die Menschen mehr von der Kirche erwarten, „als dass sie sich selbst als aktive und verantwortliche Mitglieder sehen“.

Maly bezeichnete die katholische Kirche in Tschechien als eine „städtische Kirche und keine Volkskirche“. In den Städten konzentrierten sich die Gläubigen in guten Pfarrgemeinden. In solch einer Pfarre würden vielleicht drei, vier Personen im Jahr zur Kirche hinzustoßen. „Das sind junge Menschen, die Verantwortung in sich spüren. Das gibt mir Hoffnung“, so der Bischof: „Wir sind nicht die Kirche der Menge, aber eine Kirche der kleinen Gruppen, die in ihrer Umgebung wirken.“

religion.ORF.at/KAP