Prozess gegen Kardinal Pell beginnt
Der 77-jährige Finanzchef des Vatikan ist der bislang höchstrangige Kirchenvertreter, der sich wegen Missbrauchsvorwürfen vor einem weltlichen Gericht verantworten muss. Eine Berichterstattung darüber ist verboten. Dieses Verbot schließt auch Berichte über das Verbot selbst ein.
Keine Berichterstattung
„Das Publikationsverbot gilt für alle Bundesstaaten und Territorien in Australien sowie für alle in Australien zugängliche Websites oder andere elektronische (Medien) oder Sendeformate“, hieß es im Antrag der Staatsanwaltschaft zum Schutz des Richters und der Geschworenen vor Beeinflussung durch die Öffentlichkeit. Das Verbot bleibt bis zum Ende des Verfahrens einschließlich einer möglichen Berufungsverhandlung in Kraft.
APA/AFP/William West
Offiziell unbekannt sind auch die Anklagepunkte. Es ist aber in Australien ein offenes Geheimnis, dass es um zwei Fälle geht: In den 70er Jahren soll Pell als Priester in Ballarat mehrere männliche Teenager in einem Schwimmbad sexuell belästigt haben. Im zweiten Fall geht es um den Vorwurf, Pell habe in den 90er Jahren als Erzbischof in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne Chorknaben zu Oralsex gezwungen.
Pell plädiert auf „Nicht schuldig“
Pell weist die Vorwürfe energisch zurück. „Nicht schuldig“, erklärte er im April bei einer Anhörung. Für die Dauer des Verfahrens ist Pell von Papst Franziskus freigestellt. Die beiden Vorwürfe werden getrennt verhandelt. Dem Vernehmen nach soll es in dem nun beginnenden Verfahren zunächst um den Kathedralen-Fall gehen.
Medienexperten sehen die gesetzliche Unterbindung der Medienberichterstattung über Strafrechtsprozesse kritisch. Einer Untersuchung von Jason Bosland vom Zentrum für Medien und Kommunikationsrecht an der Uni Melbourne zufolge wird die Unterbindung der Berichterstattung von dortigen Gerichten exzessiv gehandhabt.
Auch Vorwurf der Vertuschung
Im australischen Missbrauchsskandal spielt Pell eine zentrale Rolle. Als Erzbischof von Melbourne setzte er erste Standards für die Aufklärung und den Umgang mit Missbrauchsfällen. Als Priester in Ballarat soll Pell selbst aber nach Erkenntnissen der staatlichen Missbrauchskommission an der Vertuschung von Missbrauchsfällen beteiligt gewesen sein.
Vor Prozessbeginn demonstrierte der Kardinal öffentlich Gelassenheit. Mitte Juli nahm er gut gelaunt in Sydney an der Verlobungsparty der Tochter des Kanzlers der Erzdiözese Sydney, Chris Meney, teil, wie die Zeitung „Sydney Morning Herald“ berichtete.
religion.ORF.at/KAP/KNA
Mehr dazu:
- Missbrauch: Zwei getrennte Verfahren gegen Pell
(religion.ORF.at; 2.5.2018) - Kardinal Pell wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht
(religion.ORF.at; 5.3.2018)