Aufregung um „radikale Aussagen“ in Wiener Moschee

In einer Wiener Moschee sollen Prediger den Islamischen Staat verherrlichen, den Kontakt zu Ungläubigen verbieten und „radikale Muslime und Mörder“ glorifizieren. Das lässt ein von der „Kronen Zeitung“ veröffentlichtes Video mit Predigtausschnitten vermuten.

In dem Videozusammenschnitt ist zuerst Sheikh El-Said Fadel auf der Kanzel der Wiener Attaysir-Moschee zu sehen. Er ruft Jugendliche zur Gründung eines islamischen Staates auf. Das wäre eine ihrer wichtigsten Aufgaben, sagt er, denn „die Jugendlichen sind die Bausteine des Staates“.

In dem Videozusammenschnitt, den die FPÖ zugespielt bekommen hat und der zeitgleich von Johann Gudenus, dem geschäftsführenden Klubobmann der FPÖ und der „Kronen Zeitung“ am 10. August im Internet veröffentlicht wurde, scheint es, als ob der Islamische Staat (IS) verherrlicht werde.

Der Betrachter kann den Eindruck bekommen, als möchte Fadel auch den österreichischen Staat „für eine Reihe von Jahren“ islamisch regiert wissen. Wörtlich sagt er in der deutschen Übersetzung des Videos, die vermutlich von Amer Albayati erstellt wurde: „Der islamische Staat schaffte durch die Religion innerhalb von 10 Jahren die Renaissance und ist eine starke Kraft geworden ... kann ein Staat sich eine starke Armee und Wirtschaft innerhalb von 10 Jahren aufbauen? ... Das kann nur der Islamische Staat schaffen. Wenn es eine streng gläubige Jugend gibt, dann haben wir einen starken Staat und einen starken Emir“, so Fadel.

Islamischer Staat versus Islamischer Staat

Die deutschen Textzeilen im Video lassen einige nicht unwichtige Details weg und suggerieren, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS bzw. Daesch) angesprochen wird.

Der Politik- und Islamwissenschafter Ali Rami findet aber in dem originalen Predigttext einige Indizien, die darauf hinweisen, dass Fadel sich auf die Zeit des Propheten Mohammeds bezieht: „Die 10 Jahres-Spanne ist jene von der Auswanderung nach Medina 622 n.Chr. bis zum Tod des Propheten 632 n.Chr., in welcher er seine religiöse Autorität etablieren konnte, unter anderem indem er die sogenannte Charta von Medina aufsetzen ließ. Offensichtlich für den Prediger das Paradebeispiel eines islamischen Staates“, erläutert Ali.

Er vermute auch, dass der aus dem Zusammenhang gerissene Videoausschnitt vielmehr den IS „delegitimieren“ möchte. "Denn Fadel spricht ganz zu Beginn davon, dass wir schon lange keinen islamischen Staat bzw. islamisch regierten Staat haben. Er delegitimiert damit eigentlich auch autokratisch- und klerikal regierte Staaten, die sich selbst als „islamisch" postulieren“, so Ali. Das sei ein Stil, der in arabischen Predigten vergleichsweise häufig anzutreffen sei. Nämlich auf die Missstände der „Umma“, der islamischen Gemeinschaft hinzuweisen und auf das, was falsch läuft. Impliziert wird damit, dass nur eine Rückbesinnung zum „reinen“, nicht pervertierten Islam der Gemeinschaft helfen kann, erzählt Ali gegenüber religion.ORF.at.

Neues oder altes Videomaterial?

Wann genau die Ausschnitte im Video aufgenommen wurden und in welchem Kontext sie stehen, weiß weder die „Kronen Zeitung“ noch kann die FPÖ-Pressestelle auf Anfrage von religion.ORF.at dazu Auskunft geben. Es liegt nahe, dass der Videozusammenschnitt Teile aus Predigten wiedergibt, die bereits vor längerer Zeit in der Attaysir-Moschee aufgenommen wurden. Eine der Predigten, und zwar der dritte Ausschnitt im Video, könnte am 30. Dezember 2016 gehalten worden sein.

In einem Artikel der Zeitschrift „News“ vom 17. März 2017 wird über den Prediger Zakaria Mohamad berichtet. Er sei Imam ägyptischer Herkunft und öfters in der Attaysir-Moschee in der Wiener Pernerstorfergasse anzutreffen. Die Redakteure von „News“ hatten damals insgesamt 35 mitgefilmte Predigten von Mohamad in der Attaysir-Moschee im Internet gefunden.

In den Predigten ginge es laut „News“ unter anderem um die Vollverschleierung und auch um „Kuffar“, sogenannte Ungläubige, denen man keine Sympathie zeigen dürfe. „Allah werde die Personen bestrafen, die zu den Festen der Ungläubigen gratulieren“, zitiert „News“ aus einer Predigt.

Harter Umgang mit Ungläubigen

Augenscheinlich handelt es sich um die selbe Predigt von Zakaria Mohamad, die nun auch im aktuell veröffentlichten Video in einem kurzen Ausschnitt zitiert wird. Dort wird Mohamad in der deutschen Übersetzung wie folgt wiedergegeben: „Ungläubigen zu den Zeremonien des Unglaubens zu gratulieren ist verboten, Haram. Das ist einstimmig beschlossen! Es ist verboten! Es ist genauso wie die Niederwerfung vor dem Kreuz. Den Ungläubigen zu gratulieren ist für Allah viel schlimmer, als das Gratulieren zum Alkoholtrinken, Töten, Ehebruch, etc.“

Eine noch weit größere Kanzel als in der Favoritner Moschee, scheint Mohamad aber auf Facebook gefunden zu haben. Dort folgen ihm aktuell rund 25.000 Menschen und dort hat er auch unter dem Titel „Eine neue Lūge von FPÖ“ zu den publik gemachten Videoausschnitten Stellung genommen. Er schreibt: „Bezüglich der erneut verbreiteten Auszüge aus einer meiner Predigten vor zwei Jahren, möchte ich folgendes klarstellen: Der Journalist habe meine Aussage verfälscht.“

Verfälschende Video-Zusammenschnitte?

Seine wahre Intention sei im Artikel nicht transportiert worden, führt er weiter aus. Bewusst würden nur Sinn verdrehende Auszüge zusammengeschnitten, „obwohl die restliche Predigt Gegenteiliges zeigt“, denn er habe Thesen vorgelesen, die er dann im Verlauf der Predigt widerlegen würde. Thema seiner Predigt sei „die Integration und das gute Verhalten zu Muslimen und Nichtmuslimen“ gewesen.

In derselben Predigt habe er nämlich erwähnt, dass folgende Grundsätze zu befolgen sind: „1.) Menschlichkeit. 2.) Freiheit des Glaubens und der Religion. 3.) Die Weisheit Gottes im Unterschied des Glaubens der Menschheit. 4.) Die Gerechtigkeit unabhängig von der Zuneigung. 5.) Es obliegt uns nicht über den Glauben Anderer zu richten - das ist ein sehr wichtiger Grundsatz.“

Mohamad schreibt auch, dass er beim Österreichischen Presserat eine Beschwerde eingereicht habe und innerhalb von zwei Stunden erklärt habe, „welche Passagen absichtlich entfernt wurden.“ Er habe seine Meinung dort klargestellt.

Presserat lehnt Beschwerde ab

Im Urteil des Presserats dazu heißt es jedoch: „Der Beschwerdeführer hat im Verfahren nicht dargelegt, welche der im Artikel wiedergegebenen Zitate oder Formulierungen nicht stimmen. Er hat dem Presserat lediglich weitschweifige, generelle theologische Ausführungen (insbesondere zur Scharia) zukommen lassen“. Angesichts dieser Sachlage sei der Senat zur Entscheidung gelangt, dass nicht gegen den Grundsatz der Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten verstoßen wurde.

Und noch eine Aussage eines anderen Predigers lässt in dem Video aufhorchen. Aiman Morad wird in der deutschen Übersetzung in den Untertiteln des Videos wie folgt wiedergegeben: „Die große Strömung des Salafismus, wovon mehrere Takfiris (Radikale Muslime) und Mörder herstammen, ist trotzdem gut und hat für uns alle auch etwas Gutes gebracht.“

Auch zu diesem Videoausschnitt wäre es gut mehr über den Hintergrund und Zusammenhang zu erfahren, erzählt Rami Ali im Gespräch mit religion.ORF.at. Den man könne den Salafismus in drei große Stränge einteilen. „Ohne Kontext, sprich ohne dem, was davor und danach gesagt wurde, ist es schwer festzustellen, von was genau gesprochen wird. Einer der berühmtesten Salafisten, der ägyptische Gelehrte Muhammad Abduh beispielsweise hat im frühen 20.Jahrhundert nach Wegen gesucht, den Islam mit der Moderne zu versöhnen. Er lehnte die traditionellen Rechtsschulen ab und plädierte für zeitgemäße Interpretationen. Die intellektuelle Salafiyyah hatte somit einen reformistischen und auch antikolonialen Anspruch“, erzählt Ali

Es wäre davon auszugehen, vermutet der Politikwissenschafter, dass Aiman Morad nicht von der militanten Salafiyyah spricht, denn Morad deutet zuerst sprachlich an, dass es hier Schlechtes gegeben hat, wie etwa Mörder und Verbrecher.

Keine Kommunikation mit den Medien

religion.ORF.at hat alle drei Prediger um eine Stellungnahme zu den Predigtauschnitten im Video angefragt. Bis jetzt aber keine Reaktion erhalten. Wird hier Imamen und Predigern bewusst das Wort im Mund umgedreht?

Gibt es unter Österreichischen Journalistinnen und Journalisten zu wenig Wissen über islamische Diskursführung und ihr Explizieren und Widerlegen von Thesen? Und wer hat Interesse daran, dass vermutlich ältere Videos in einem kurzen Zusammenschnitt, aus dem der Kontext kaum ersichtlich ist, neu präsentiert werden?

Fragen, auf die es auch von Seiten der IGGÖ schwer ist eine Antwort zu erhalten. Seit geraumer Zeit hat die Vertretung der Musliminnen und Muslime in Österreich keine Ansprechperson für Presseanfragen mehr.

Null Toleranz gegenüber Radikalismus

Der Präsident der IGGÖ, Ibrahim Olgun, hat nun selber zur Feder gegriffen und in einer Aussendung betont, dass die „IGGÖ keine Toleranz gegenüber Radikalismus“ zeigen will. „Das gesamte Videomaterial soll gesichtet und der Sachverhalt umfänglich ermittelt werden.“

Als sofortige Maßnahme wurde ein präventives Predigtverbot bis zur genauen Abklärung der Umstände erteilt. Warum das nicht schon nach Erscheinen des News-Artikels im März 2017 passiert ist, bleibt Olgun schuldig.

Er postuliert jedenfalls: „In den Moscheen, die der islamischen Glaubensgemeinschaft zugeordnet sind, darf es zu keinen radikalen Aussagen kommen.“ Die FPÖ ihrerseits habe Anzeige gegen die Prediger erstattet.

Marcus Marschalek, religon.ORF.at

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