Weltfamilientag in Irland: Papst trifft Missbrauchsopfer

Überschattet von Missbrauchsskandalen der vergangenen Jahrzehnte startet Dienstagabend das sechstägige katholische Weltfamilientreffen in Irland, zu dem auch Papst Franziskus erwartet wird. Bei seinem Besuch am Wochenende wird er auch Missbrauchsopfer treffen.

Bei allen Reisen des Papstes an Orte, wo Missbrauch geschehen sei, gebe es solche Begegnungen, sagte Vatikan-Sprecher Greg Burke am Dienstag bei einem Briefing zur Reise in Rom. Wann und mit wie vielen Betroffenen das katholische Kirchenoberhaupt zusammentreffen wird, sagte Burke nicht. Die Betroffenen würden im Anschluss selbst über eine mögliche Veröffentlichung von Details entscheiden.

Papst wird Missbrauch thematisieren

Burke betonte darüber hinaus, er rechne damit, dass sich der Papst in einer seiner insgesamt sechs Ansprachen während des zweitägigen Irlandbesuchs zum Thema Missbrauch äußern werde. Am Samstag werde der Papst außerdem an einem Licht in der Kathedrale von Dublin, das für Missbrauchsopfer aufgestellt wurde, für diese beten.

Papst Franziskus beim Angelusgebet

APA/AFP/Andreas Solaro

Papst Franziskus gestand am Montag Fehler der Kirche ein

Missbrauch durch Priester und Ordensschwestern

Zuletzt hatte ein Papst das katholische Irland vor fast 40 Jahren besucht. Irland gehört zu jenen Staaten, die von kirchlichem Missbrauch besonders erschüttert wurden. Priester und Ordensschwestern missbrauchten dort zahlreiche Kinder und Frauen. Außerdem behandelten viele kirchliche Einrichtungen Mütter mit unehelichen Kindern wie Arbeitssklavinnen. Kritikerinnen und Kritiker werfen der Kirche Vertuschung vor. Sie forderten von Papst Franziskus, Klartext zu reden und sich mit Opfern zu treffen.

Am Montag hatte Franziskus sich in einem Schreiben an die 1,3 Milliarden Katholikinnen und Katholiken in aller Welt gewandt und eingeräumt, dass die Kirche den Schmerz der Opfer lange ignoriert habe - mehr dazu in Papst: Schmerz von Missbrauchsopfern lange ignoriert. Anlass des Schreibens war ein Bericht aus den USA, demzufolge sich mehr als 300 Priester in den vergangenen 70 Jahren an Tausenden Kindern vergangen haben.

Die vatikanische Kinderschutzkommission würdigte den Brief des Papstes. Sie fühle sich in ihrer Arbeit bestärkt, wenn der Papst dazu aufrufe, eine Politik von „Null Toleranz durchzusetzen und all jene zur Verantwortung zu ziehen, die solche Verbrechen begehen oder decken“, hieß es am Dienstag in einer Erklärung auf der Website der Kommission.

Genug von „bedeutungslosen Entschuldigungen“

Irische Missbrauchsopfer zeigten sich von der Erklärung des Papstes allerdings enttäuscht. Man habe genug von „bedeutungslosen Entschuldigungen und Solidaritätsbekundungen“, wird die Vorsitzende des Selbsthilfevereins One in Four, Maeve Lewis, in irischen Medien zitiert. Man vermisse einen „klaren Aufruf zum Handeln“.

Der bevorstehende Papstbesuch beim Weltfamilientreffen in Dublin wecke bei vielen dort lebenden Missbrauchsopfern „alte Gefühle von Scham, Erniedrigung, Verzweiflung und Wut“, so Lewis. Eine klare Leitlinie und Verpflichtung, wie die Kirche mit historischen Fällen von sexuellem Missbrauch in ihren Institutionen umgeht, wäre „das Mindeste, was sie verdienen“, fordert Lewis.

Der Gründer der Gruppe One in Four, Colm O’Gorman, räumte ein, dass Papst Franziskus mit „stärkeren Worten als je zuvor“ sexuellen Missbrauch verurteilt habe. Er müsse sich aber weiter vorwerfen lassen, dass er immer noch nicht jene nenne, die für Vertuschung sexueller Missbrauchsskandale verantwortlich seien.

Erzbischof: „Wut über Rolle der Kirchenleitung“

Auch der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, hatte vom Papst - noch vor der Erklärung vom Montag - eine offene Auseinandersetzung gefordert. Die Zahl der Opfer sei immens, viele Gläubige seien verbittert und verärgert.

Dublins Erzbischof Diarmuid Martin

Reuters/Tony Gentile

Diarmuid Martin, Erzbischof von Dublin

„Es reicht nicht, sich nur zu entschuldigen,“ sagte er am Sonntag bei einem Gottesdienstdienst in der St.-Mary’s-Kathedrale der irischen Hauptstadt. „Es ist nicht nur Wut über den Schrecken des Missbrauchs, sondern auch Wut über die Rolle der Kirchenleitung, die das Leiden so vieler Menschen in Einrichtungen für Kinder, unverheiratete Mütter und Frauen verschlimmert hat.“

Akten über sexuellen Missbrauch öffnen

Es sei allerhöchste Zeit, dass genau jene Schritte gesetzt werden, die beweisen, dass die Kirchenleitung sich für die begangenen schwerwiegenden Verletzungen verantwortlich fühlt und dass sie deshalb transparente und nachvollziehbare Strukturen schafft, erklärte auch die Initiative „Wir sind Kirche International“ am Montag in einer Aussendung.

Die Plattform schlug der Kirchenleitung vor, acht Maßnahmen "gegen den weitverbreiteten klerikalen Missbrauch“ zu setzen - darunter finanzielle Leistungen für Opfer bereitzustellen, Akten über sexuellen Missbrauch zu öffnen, sowie sicherzustellen, dass die Täterinnen und Täter vor Zivilgerichte gestellt werden - mehr dazu in „Wir sind Kirche“: Acht-Punkte-Plan gegen Missbrauch.

Familientreffen alle drei Jahre

Das katholische Weltfamilientreffen findet alle drei Jahre an einem anderen Ort statt. Es versteht sich als Forum für Christen und Familienverbände. Zehntausende Menschen aus mehr als 100 Ländern werden erwartet.

Papst Franziskus wird am Samstag zu seinem rund 36-stündigen Besuch in Irland aufbrechen. Zu einem Open-Air-Familienfest mit dem Papst am selben Abend im Dubliner Croke Park werden rund 85.000, zur Abschlussmesse am Sonntag bis zu 500.000 Teilnehmer erwartet. Vor der Messe am Sonntagnachmittag fliegt Franziskus vormittags für eine Stunde in Irlands größten Marienwallfahrtsort Knock im Westen des Landes.

akin, religion.ORF.at/KAP/APA/dpa

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