Schönborn: Papst sprach zu Missbrauch „Klartext“

Tief betroffen von den jüngsten Berichten über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in den USA hat sich Kardinal Christoph Schönborn gezeigt. Vom jüngsten Schreiben von Papst Franziskus zum Thema Missbrauch zeigte sich Schönborn beeindruckt.

Der Papst habe „Klartext gesprochen“, wie mit Missbrauch in der Kirche umzugehen sei. Die Kirche dürfe bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und der Präventionsarbeit nicht nachlassen, sagte der Wiener Erzbischof am Dienstag im Interview mit Kathpress. Die ganze Gemeinschaft der katholischen Kirche sei gefordert, alles zu unternehmen, „damit Missbrauch keinen Platz mehr in dieser Kirche hat“. Dieser Verantwortung gelte es sich ohne Kompromisse zu stellen.

Missbrauchsthema dominiert Familientreffen

Schönborn hält sich derzeit in Irland auf, wo er am katholischen Weltfamilientreffen teilnimmt. Zu den beiden Abschlusstagen wird am 25. und 26. August auch Papst Franziskus in Dublin erwartet. Das Weltfamilientreffen steht dem Motto „Das Evangelium der Familie. Freude für die Welt“, wird aber auch ganz massiv vom Missbrauchsthema dominiert. Es wird auch erwartet, dass Papst Franziskus Ende der Woche bei seinem Besuch einen Schwerpunkt in dieser Richtung setzt.

Kardinal Christoph Schönborn

Kathpress/Henning Klingen

Kardinal Christoph Schönborn

Der Papst hatte am Montag in einem Brief an alle Katholiken schwere Schuld der katholischen Kirche in der Frage des Missbrauchs durch Ordensleute und Priester eingeräumt. „Mit Scham und Reue geben wir als Gemeinschaft der Kirche zu, dass wir nicht dort gestanden haben, wo wir eigentlich hätten stehen sollen und dass wir nicht rechtzeitig gehandelt haben, als wir den Umfang und die Schwere des Schadens erkannten“, so Franziskus - mehr dazu in Papst: Schmerz von Missbrauchsopfern lange ignoriert.

Papst hat „Klartext gesprochen“

Wieder einmal sei Papst Franziskus mit diesem Schreiben „einen deutlichen Schritt vorausgegangen“, sagte Schönborn: „Dafür gebührt ihm unser aller Dank.“ Er habe den Bischöfen und allen in der Kirche „damit ganz klar den Weg gewiesen, der zu gehen ist“. Es wäre höchst unfair, aufgrund der Missbrauchsfälle alle Priester unter Generalverdacht zu stellen, aber wenn ein Teil der Kirche betroffen ist, „dann können wir nicht so tun, als ginge uns das nichts an“, so der Kardinal.

In Österreich gehe man spätestens seit 2010 einen ganz entschiedenen Weg der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen sowie der verstärkten Präventionsarbeit, so Schönborn im Kathpress-Interview. Die Prämisse dabei: „Unsere erste Sorge muss den Opfern gelten. Kompromisslos.“ Alle Bischöfe, ja überhaupt alle Katholiken im Land würden in dieser Frage an einem Strang ziehen, zeigte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz überzeugt.

Rahmenordnung gegen Missbrauch

Ein zentraler Eckpunkt der kirchlichen Bemühungen ist die 2010 von den Bischöfen österreichweit in Kraft gesetzte einheitliche Rahmenordnung gegen Missbrauch und Gewalt. Die Rahmenordnung unter dem Titel „Die Wahrheit macht euch frei“ enthält Wissenswertes über sexuellen Missbrauch und Gewalt.

Dabei werden Themen wie der Umgang mit Nähe und Distanz genauso thematisiert wie die Fragen nach Täterprofilen, den strukturellen Bedingungen sexueller Gewalt und den Umgang mit Opfern. Im rechtlichen Teil werden die verpflichtenden Maßnahmen im Bereich der Prävention, konkrete Verhaltensrichtlinien, der Umgang mit Verdachtsmomenten und die Pflichten der Verantwortungsträger thematisiert.

Anlaufstellen für Gewaltopfer

Erstanlaufstelle für Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch in kirchlichem Kontext sind die in jeder Diözese eingerichteten Ombudsstellen. In jeder Diözese gibt es weiters eine Diözesankommission, die „ernsthaften Verdachtsfällen“ nachgeht, eine möglichst umfassende und objektive Beurteilung des Sachverhalts gewährleisten soll und in Folge den Bischof bei der Entscheidung über die weitere Vorgehensweise berät.

Über finanzielle Hilfe und Therapiekosten entscheidet die „Unabhängige Opferschutzkommission“ unter dem Vorsitz von Waltraud Klasnic. Die Auszahlung der Mittel erfolgt über die kirchliche „Stiftung Opferschutz“.

Keine „Schuld- oder Freisprüche“

Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine freiwillige kirchliche Vorgehensweise. Staatliche zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren werden davon nicht berührt. So wird in der Rahmenordnung auch ausdrücklich betont, dass die Arbeit der diözesanen Kommissionen ein Verfahren vor staatlichen Behörden und Gerichten nicht ersetzen kann und soll. Es solle auch nicht der Eindruck erweckt werden, dass durch die diözesanen Kommissionen verbindliche Schuld- oder Freisprüche gefällt werden könnten.

Hinsichtlich der Präventionsarbeit wurde gemäß der Rahmenordnung auch in jeder Diözese eine Stabsstelle für Kinder- und Jugendschutz. Aufgabe dieser Einrichtungen ist es, durch gezielte Information, Schulungen und Beratung die Prävention gegen Missbrauch und Gewalt zu fördern.

Lob für „Klasnic-Kommission“

Zur Einrichtung der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft unter der Leitung von Waltraud Klasnic war es im Frühjahr 2010 gekommen. Schönborn würdigte am Dienstag gegenüber Kathpress einmal mehr die Arbeit dieser Einrichtung, die auch Vorbild für zahlreiche weitere Einrichtungen in den Bundesländern wurde.

Der Kardinal erinnerte aber auch daran, dass es von Seiten der katholischen Kirche damals andere Pläne und diesbezügliche Gespräche mit der Bundesregierung gegen hatte. „Wir haben eine staatliche Kommission vorgeschlagen, die allen Fällen in staatlichen wie kirchlichen Einrichtungen hätte nachgehen sollen und wir hätten uns dieser Einrichtung unterstellt.“ Die Regierung habe diesen Vorschlag aber nicht aufgegriffen, bedauerte Schönborn einmal mehr.

Positiv würdigte er hingegen den Staatsakt für Missbrauchsopfer im österreichischen Parlament im November 2016, zu dem die damalige Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) geladen hatte. Das sei ein wichtiger symbolischer Akt gewesen, in dem sich der Staat und die Kirche ihrer Verantwortung gestellt und Solidarität mit den Opfern gezeigt hätten.

Kirchliche Rahmenordnung überarbeitet

2016 wurde auch die kirchliche Rahmenordnung (aus dem Jahr 2010) überarbeitet und nochmals nachgeschärft. In der überarbeiteten Version ist zum Beispiel eine Verpflichtungserklärung vorgesehen, die alle kirchlichen Mitarbeiter unterzeichnen müssen. Zugleich müssen sie über die Themen der Rahmenordnung nachweislich eine Schulung absolvieren.

Das betrifft etwa in der Erzdiözese Wien beispielsweise auch alle ehrenamtlichen Pfarrgemeinderatsmitglieder. In den Pfarrgemeinderäten gibt es zusätzlich jeweils einen Präventionsbeauftragten.

Die Rahmenordnung ist auch auf Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch, Kroatisch, Bosnisch und Serbisch vorhanden. Zielgruppe dafür sind die österreichweit rund 500.000 Katholiken in den fremdsprachigen Kirchengemeinden. Die Rahmenordnung ist online auf Deutsch und in allen anderen Sprachen unter www.ombudsstellen.at abrufbar.

1.812 Entscheidungen für Opfer

Im Zuge der Aufarbeitung vergangener Fälle von sexuellem Missbrauch sowie körperlicher bzw. psychischer Gewalt hat die Unabhängige Opferschutzkommission seit 2010 insgesamt 1.812 Fälle zugunsten der Opfer entschieden. 245 Fälle sind noch in Bearbeitung, 138 Fälle wurden negativ entschieden (Stand 11. Juli 2018).

Die Kirche hat bisher alle Entscheidungen der „Klasnic-Kommission“ akzeptiert und umgesetzt, wie es vonseiten der Kommission heißt. Den Opfern wurden bisher in Summe 25,6 Millionen Euro zuerkannt, davon 20,4 Millionen als Finanzhilfen und 5,2 Millionen für Therapien. Bei 44 Prozent aller Vorfälle habe es sich um sexuellen Missbrauch gehandelt. Bei allen anderen Vorfällen sei es um Formen von körperlicher bzw. psychischer Gewalt gegangen.

Die meisten Vorfälle seien rechtlich verjährt und hätten sich hauptsächlich in den 1960er und 1970er Jahren ereignet: 54,5 Prozent seien vor 1970 geschehen, 44,6 Prozent von 1970 bis 1999 und 0,9 Prozent seit 2000.

religion.ORF.at/KAP

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