Kein Antijudaismus: Kardinal will Rabbiner überzeugen

Der Präsident der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum, Kardinal Kurt Koch, hat erneut den Aufsatz des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Verhältnis von Christen und Juden verteidigt und will nun Klarheit schaffen.

In einem zu Wochenbeginn veröffentlichten offenen Antwort-Brief wandte er sich an die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland, um „eine Reihe von Irritationen auszuräumen“. Er versicherte, die Erneuerung des Verhältnisses der katholischen Kirche zum Judentum sei „irreversibel“. Das Schreiben ist im Fachdienst „Ökumenische Information“ der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert.

Rabbinerkonferenz übte Kritik

Die Rabbiner hatten den Kardinal zuvor in einem offenen Brief gefragt, warum er im Geleitwort zu dem Aufsatz schreibe, dass Benedikts „theologische Reflexionen in das künftige Gespräch zwischen Kirche und Israel eingebracht werden sollten“ und dass „der vorliegende Beitrag das jüdisch-katholische Gespräch bereichern“ werde.

Die liberal ausgerichtete Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschlands wertete eine erste Stellungnahme Kochs zur Kritik an dem Beitrag des emeritierten Papstes als „unzureichend, ja befremdlich“. Kochs Ausführungen ließen fürchten, „dass der Dialog unter falschen Voraussetzungen geführt wird“.

Der Schweizer Kardinal Kurt Koch

REUTERS/Alessandro Bianchi

Kardinal Kurt Koch, Präsident der Vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum

Umstrittener Beitrag

Der umstrittene Beitrag war in der Juli-Ausgabe der theologischen Fachzeitschrift „Communio“ unter dem Namen „Joseph Ratzinger - Benedikt XVI.“ erschienen. Darin setzte sich der emeritierte Papst mit der Frage auseinander, ob die Kirche an die Stelle des alttestamentlichen Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel getreten sei, sowie mit der Aussage vom „nicht gekündigten Bund Gottes mit Israel“.

Substitutionstheologie

Von Lat. substituere, ersetzen: Substitutionstheologie bedeutet in etwa die Vorstellung, dass das zunächst von Gott erwählte Volk Israel von ihm verworfen worden und der Bund mit Gott auf die christliche Kirche als neues Volk Gottes übergegangen sei.

Das brachte ihn in den Augen von Kritikern in der Nähe der „Substitutionstheologie“, die nahelegt, dass der mit dem Volk Israel geschlossene Bund „zugunsten“ des Christentums aufgekündigt sei.

Koch verteidigt Benedikt

Das Anliegen des emeritierten Papstes, schreibt Koch jetzt an die Rabbiner, sei zu prüfen, wie gut der jüdisch-katholische Dialog in der katholischen Theologie begründet sei. Zu diesem Zweck stelle er „zwei wesentliche Argumente auf den Prüfstand einer theologischen Sprachkritik“: die Verwerfung der Lehre, dass die Kirche an die Stelle des alttestamentlichen Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel getreten sei, und die Rede vom ungekündigten Bund.

„Das Ergebnis dieser Prüfung ist, wie ich es sehe und hoffe, keine Schwächung, sondern eine Stärkung des Beitrags, den die katholische Theologie im Dialog mit dem Judentum geben kann“, so der Kardinal.

Bruch mit Antijudaismus

Die Ausführungen des emeritierten Papstes zur „Substitutionsekklesiologie“ wollten vor allem zeigen, dass die Tradition der Kirche selbst niemals als Begründung dafür herangezogen werden könne, die Idee der Ersetzung als irgendwie legitim anzusehen, weil es immer auch andere Töne gegeben habe.

Benedikt XVI. mache „indirekt auch deutlich, dass das Zweite Vatikanische Konzil, indem es eine Erneuerung des Verhältnisses der Kirche zu den Juden begründet hat, nicht einen Bruch mit der gesamten bisherigen Geschichte der Kirche vollzogen hat, sondern mit dem schrecklichen Antijudaismus in ihr“, hebt Koch weiter hervor.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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