Deutscher Ex-Mönch: Zölibat ist „Lüge der Kirche“

Der deutsche ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri (64) fordert in seinem neuen Buch die Abschaffung des Zölibats. „Die katholische Kirche lügt sich selbst in die Tasche, indem sie eine Forderung aufstellt, die schon immer schwierig einzuhalten war“, so Bilgri.

Heute, in unserer Zeit, in der Sexualität kein Tabuthema sei, sei es noch schwieriger, sagte er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Der Zölibat soll ein Zeichen sein, das auf das Jenseits verweist, wo es keine Ehe mehr gibt. Aber dieses Zeichen wird heute auf keinen Fall mehr von den Menschen verstanden - ganz im Gegenteil, weil man viele Priester dazu zwingt, ihre sexuellen Empfindungen heimlich zu leben.“ Bilgris Buch „Bei aller Liebe. Warum die katholische Kirche den Zölibat freigeben muss“ ist seit Dienstag auf dem Markt.

Buchcover Anselm Bilgri, "Bei aller Liebe - Warum die katholische Kirche den Zölibat freigeben muss

Verlag Piper

Buchhinweis

Anselm Bilgri, Gerd Henghuber: Bei aller Liebe - Warum die katholische Kirche den Zölibat freigeben muss. Piper, 256 Seiten, 20,60 Euro.

Austrittsgrund auch Zölibat

Bilgri, der einst von Joseph Ratzinger zum Priester geweiht wurde, hatte vor fast 15 Jahren in Deutschland Schlagzeilen gemacht, weil er das berühmte Kloster Andechs verließ und aus dem Benediktinerorden austrat. Ein Grund dafür, dass er kein Mönch mehr sein wollte, so sagt er heute, sei auch der Zölibat gewesen.

„Es gibt eine Schätzung, die davon ausgeht, ein Drittel der Priester ist heterosexuell aktiv, ein Drittel homosexuell und ein Drittel versucht es redlich, sich daran zu halten“, sagte er. „Dabei sind es gerade die Konservativen, die besonders streng mit sich sind, die irgendwann merken, dass es nicht klappt - und das macht dann oft noch verbitterter, weil man unter einem ständigen Gewissensdruck steht.“

Lange Tradition des Eheverbots

Dass ein Priester nicht verheiratet sein darf, hat zwar seine Ursprünge im 4. Jahrhundert, doch erst im Mittelalter wurde ein Heiratsverbot für Priester rechtlich fixiert. Zölibat heißt das Eheverbot - Theologen sagen „der Zölibat“, aber der Duden lässt das Wort zugleich auch als Neutrum - „das Zölibat“ - zu. Die Bezeichnung kommt vom lateinischen „caelebs“ (unverheiratet).

Andere christliche Konfessionen wie Protestanten, Anglikaner, Altkatholiken und andere kennen keinen Pflichtzölibat. Auch die orthodoxen Kirchen haben verheiratete Priester, für ranghohe Geistliche und Bischöfe gilt allerdings auch hier das Eheverbot.

Katholiken beharren auf Ehelosigkeit

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er-Jahren hegten viele Reformkräfte die Hoffnung, mit der Öffnung der katholischen Kirche für Neuerungen werde auch die Pflicht zum Zölibat fallen - doch bis heute hat sich nichts geändert: Wer Priester werden will, muss schon bei der Diakonenweihe, die vor der Weihe zum Priester gefeiert wird, die Ehelosigkeit geloben.

Ausnahmen gibt es, wenn beispielsweise evangelische Pfarrer oder anglikanische Geistliche, die bereits verheiratet sind, zum katholischen Glauben konvertieren. Sie können dann zu Priestern geweiht werden, ohne ihre Ehe aufgeben zu müssen. Für Kirchenkritiker ist das Heiratsverbot ein wesentlicher Grund dafür, dass sich immer weniger Männer für das Priesteramt entscheiden.

religion.ORF.at/dpa

Link: