„Homosexualität Sünde“: Papst-Kritiker legt nach

Homosexualität ist nach Ansicht des ranghohen US-Kardinals Raymond Leo Burke eine hassenswerte Sünde, wie er am Donnerstag im Rom gesagt hat. Burke gehört im Vatikan zu den prominentesten konservativen Kritikern von Papst Franziskus.

„Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte, dass Menschen diese (homosexuelle Tendenz) erleben, aber die Kirche hat immer gelehrt, (...) den Sünder zu lieben, aber die Sünde zu hassen“, sagte Burke laut der Nachrichtenagentur Deutsche Presse-Agentur (dpa). „Mittlerweile wird jeder, der sich gegenüber einer Sünde (wie Homosexualität) feindlich zeigt, sofort als intolerant und homophob bezeichnet“, äußerte der Kurienkardinal.

„Bürgerkrieg“ im Vatikan

Rund um das Thema Homosexualität und den Umgang mit homosexuellen Menschen in der katholischen Kirche tobt im Vatikan ein Kampf, der von Kommentatoren bereits als „Bürgerkrieg“ bezeichnet wurde. Papst Franziskus ist derzeit im Zuge der kirchlichen Missbrauchsskandale in mehreren Ländern Attacken seiner Gegner ausgesetzt.

Kardinal Raymond Leo Burke

Reuters/Alessandro Bianchi

Kurienkardinal Raymond Leo Burke

Kritiker werfen ihm unter anderem vor, dass er sich zu Anschuldigungen über angebliche Mitwisserschaft bisher nicht geäußert hat, aber auch die Frage des richtigen Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen ist noch längst nicht geklärt. Kardinal Burke ist ganz klar ein Gegner von Papst Franziskus, der hier eine weichere, pastorale Linie vertritt und angedeutet hat, man könne homosexuell veranlagte Menschen auch tolerieren.

Papst-Kritiker fordert Antwort

Der frühere Kardinalpräfekt der Apostolischen Signatur, eine Art Oberster Gerichtshof im Vatikan, und Kardinalpatron des Malteserordens ist einer von vier Kardinälen, die den Papst 2016 mit einem offenen Brief herausgefordert hatten. In dem sogenannten „Dubia“-Schreiben ging es um die Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene die Kommunion empfangen dürfen. Franziskus hatte dafür den Weg geebnet.

Die Kardinäle, darunter waren auch die mittlerweile verstorbenen Kardinäle Joachim Meisner und Carlo Caffara, forderten vom Papst eine klare Stellungnahme, was damit genau gemeint sei. Burke kritisierte nun, dass Franziskus bisher nicht geantwortet habe. „Ich erwarte mir eine einfache Antwort, ja oder nein, das reicht, das ist nicht kompliziert.“

Papst unter Beschuss

Der ehemalige US-Botschafter des Vatikans, Carlo Maria Vigano, hatte Franziskus beschuldigt, Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen US-Kardinal Theodore McCarrick jahrelang ignoriert zu haben. Der italienische Erzbischof forderte den Papst deshalb zum Rücktritt auf. Vatikan-Insider mutmaßen, dass Kardinal Burke auch hinter den Anwürfen Viganos stehen könnte.

Erzbischof Carlo Maria Vigano

Reuters/Gregory A. Shemitz

Erzbischof Carlo Maria Vigano

Das elfseitige Dossier Viganos, das mehrere konservative Medien und Blogger Ende August veröffentlicht hatten, ist ein wahrer Rundumschlag, es ist gespickt mit Angriffen gegen zahlreiche prominente Bischöfe und Kardinäle im Vatikan und den USA, die zum Teil namentlich genannt und als Beförderer homosexueller Netzwerke „geoutet“ werden: Sie hätten Fälle vertuscht, die „Homosexuellen-Lobby“ oder einfach liberale Bischofsernennungen gefördert.

Homophobie und „Schwulenlobby“

In dem Text verschwimmen die Grenzen zwischen (mutmaßlich) freiwilligen homosexuellen Beziehungen unter Volljährigen mit Missbrauch an Minderjährigen. Man könne „das in vielen Formulierungen homophobe Schreiben, das den Papst als Bündnispartner der vatikanischen Schwulenlobby beschreibt, als Racheakt eines verbitterten alten Mannes sehen, der sehr gerne Kardinal geworden wäre“, wie am Donnerstag in einem von vielen Kommentaren zum Thema in der „Sueddeutschen Zeitung“ zu lesen war. Dass der Papst die Causa einfach aussitzen kann, glauben die Wenigsten.

gril, religion.ORF.at/APA/dpa

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