Landau: Reformen an Lebensrealität orientieren

Für eine Mindestsicherungsreform, die sich an der konkreten Lebensrealität armutsbetroffener Menschen orientiert, hat sich Caritas-Präsident Michael Landau ausgesprochen.

Es sei löblich, wenn sich die Regierung um eine europa- und verfassungsrechtlich korrekte Reform bemühe, dabei dürfe jedoch nicht das prinzipielle Ziel aus den Augen verloren werden, dass Armut insgesamt „sinken und nicht steigen“ solle, betonte Landau im Interview mit der „Wiener Zeitung“ (Freitag-Ausgabe).

Ein einheitliches Modell der Mindestsicherung dürfe etwa nicht zu mehr Kinder- und Altersarmut führen - „das kann niemand wünschen“. Zugleich kritisierte Landau populistische Züge in der Debatte: „Wer von sozialen Hängematten spricht, hat von der Realität der Menschen keine Ahnung.“

„Spaltung der Gesellschaft“

Landau erinnerte in der aktuellen Debatte einmal mehr daran, dass die Mindestsicherung der Armutsvermeidung diene und ein Leben in Würde auch für arme Menschen ermöglichen solle. Wer diesen Grundsatz auszuhebeln versuche, betreibe eine „Spaltung der Gesellschaft“, mahnte der Caritas-Präsident.

Caritas-Präsident Michael Landau

APA/Helmut Fohringer

Caritas-Präsident Michael Landau

Konkret sei etwa eine Absenkung der Mindestsicherung bei Paaren und Familien höchst problematisch: „Wenn kinderreiche Familien Gefahr laufen, in dramatische Notlagen zu rutschen, dann ist das etwas, was niemand von uns wollen kann“. Auch sei keinem Mindestpensionist damit geholfen, wenn es kinderreichen Familien schlechter gehe, mahnte Landau.

„Diskutieren nicht die richtigen Fragen“

Insgesamt ortet Landau eine Debattenschräglage in Österreich: „Wir diskutieren vielfach nicht die richtigen Fragen“. Mehr noch ortet der Caritas-Präsident in der Debatte über Einsparungen bei der Mindestsicherung ein Ausweichmanöver der Politik: „Wir diskutieren über diese Menschen, weil sie sich nicht wehren können und wir andere Dinge nicht diskutieren wollen.“

So sei etwa die Debatte über die „Paradise-Papers“ viel zu rasch wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden. „Statt dessen wurde monatelang darüber diskutiert, ob Menschen, die ohnehin nicht viel Geld zum Leben haben, mit noch ein paar Euro weniger auskommen könnten. Das bringt uns nicht weiter.“

Warnung vor „Hartz-IV“-System

Eine deutliche Warnung spricht Landau in Richtung einer Adaptierung des deutschen „Hartz-IV“-Systems in Österreich aus: Wenn man bei der Unterstützung Arbeitsloser spare, so könne dies „längerfristig zu massiven Schäden“ führen. Eine der Konsequenzen eines solchen Schritts wäre etwa, dass Menschen in der Mindestsicherung alles, was sie zur Altersvorsorge gespart haben, verbrauchen müssen und sie auch keine weiteren Versicherungszeiten für die Pension sammeln würden - „damit ist Altersarmut vorprogrammiert“.

Mit „Mythen“ aufräumen

Außerdem gelte es, im Blick auf die Mindestsicherung mit „Mythen“ aufzuräumen, so Landau weiter: Die Realität armutsbetroffener Menschen sei ein „Leben am Limit“ - und habe nichts mit einem Leben in der „sozialen Hängematte“ zu tun: Schließlich seien auch Mindestsicherungsbezieher gefordert, sich um Arbeit zu bemühen - und es bestehe die Möglichkeit, die Mindestsicherung zu kürzen, wenn sie dies nicht tun.

„Selbstverständlich darf die Gesellschaft erwarten, dass sich Menschen anstrengen, aber wer hier von sozialen Hängematten spricht, hat von der Realität der Menschen keine Ahnung.“

Sicherheit auf mehreren Ebenen

Kritik übte der Caritas-Präsident schließlich auch noch an einem verkürzten Sicherheitsbegriff: Es genüge bei der Frage der Sicherheit nicht, „Polizisten auf die Straße zu stellen“. Man müsse vielmehr „für soziale Sicherheit sorgen, damit Menschen Zukunftsperspektiven und Hoffnung haben“. Das Ziel müsse es sein, „dass die Menschen selbstbestimmt ihr eigenes Leben gestalten können, nur warm, satt und sauber reicht nicht aus.“ Sicherheit bedeute immer auch, „dass ich auch im Alter in Würde leben und meine Gesundheit erhalten kann. Sicherheit ist, dass Kinder Zugang zur Bildung haben.“

religion.ORF.at/KAP

Links: