„Evangelisches Konzil“ in Basel

Zu ihrer achten Vollversammlung kommt ab Donnerstag die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) in Basel in der Schweiz zusammen.

Bis 18. September diskutieren und entscheiden die Vertreterinnen und Vertreter von 94 Mitgliedskirchen über die Ausrichtung der GEKE in den kommenden Jahren. Schwerpunktthemen sind dabei die Beziehungen der evangelischen Kirchen zum Vatikan, religiöse Pluralität sowie die Ethik der Reproduktionsmedizin.

Historischer Tagungsort

Bemerkenswert ist der Ort, an dem sich die Delegierten treffen: das Basler Münster war vor rund 570 Jahren Schauplatz des Basler Konzils (1431–1449). Der gastgebende Basler evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Lukas Kundert schreibt in einer Aussendung vom Dienstag von der alle sechs Jahre stattfindenden Vollversammlung daher auch als „evangelischem Konzil“.

Basel mit Münster, vom Rhein aus gesehen

Reuters/Arnd Wiegmann

Die Konzilsstadt Basel ist Tagungsort der Vollversammlung der die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa.

Neben theologischen und kirchenorganisatorischen Fragen beraten die Delegierten auch Positionspapiere zu Bildung, Migration und Religionsvielfalt. Weiters soll auch der Startschuss zu einem offiziellen Dialog mit dem Vatikan fallen.

Friedenswort" zur Lage in Europa

Zudem soll ein „Friedenswort“ zur gegenwärtigen Lage in Europa verabschiedet werden. Den Hauptvortrag der Versammlung hält der Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio, Andrea Riccardi. Die vor 50 Jahren begründete Vereinigung setzt sich international für Arme, Friedensarbeit, Geflüchtete und Ökumene ein.

Am Sonntag (16. September) will der Verbund, zu dessen Mitgliedskirchen 50 Millionen Protestanten zählen, offizielle Dialoggespräche mit der katholischen Kirche vereinbaren. Dabei soll es um eine engere Gemeinschaft von katholischer und evangelischen Kirche gehen. Eine entsprechende Vereinbarung wollen der vatikanische Ökumeneminister Kardinal Kurt Koch und GEKE-Präsident Gottfried Locher unterzeichnen.

Bisher hat der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen seine offiziellen Dialoge immer mit bestimmten „Konfessionsfamilien“ geführt, also mit dem Lutherischen Weltbund (LWB), der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, der Anglikanischen Gemeinschaft oder der Orthodoxen Kirche. Ein Dialog mit der GEKE betritt deshalb in zweifacher Hinsicht Neuland, denn es handelt sich um eine regional begrenzte und zugleich konfessionell uneinheitliche Gruppe.

Bischof Bünker blickt zurück

Österreich spielt für die Arbeit der GEKE eine entscheidende Rolle: Zwölf Jahre lang war der österreichische evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker Generalsekretär der Kirchengemeinschaft; erst Anfang September übergab Bünker das Amt an seinen Nachfolger Mario Fischer. Der Sitz der GEKE allerdings soll in Wien bleiben. Auch darüber wird in Basel abgestimmt.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker

APA/Roland Schlager

Bischof Michael Bünker war zwölf Jahre lang war der österreichische evangelisch-lutherische Generalsekretär der Kirchengemeinschaft.

Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst für Österreich erinnerte Bünker in Rückblick auf seine Amtszeit an die vielen „Krisen“, die der Kontinent in zwölf Jahren durchlaufen hätte: Bankenkrise, Staatsschuldenkrise, die sogenannte Flüchtlingskrise, die den „Zusammenhalt der europäischen Länder zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West“ als brüchig herausgestellt hätten. „Die Kirchengemeinschaft der evangelischen Kirchen hingegen ist vertieft und intensiviert worden.“

Erstmals offizielle Gespräche mit Vatikan

Bünker hebt dabei die Aktivitäten zum Reformationsjubiläum 2017 hervor, aber auch die Aufnahme des offiziellen Dialogs mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen. Am Sonntag, 16. September, werden GEKE-Präsident Gottfried Locher und Kardinal Kurt Koch ein entsprechendes Abkommen unterzeichnen. Bünker sieht darin einen entscheidenden Fortschritt: „Das Einheitsmodell der Leuenberger Konkordie – das Gründungsdokument der GEKE von 1973 – ist damit als Dialoggegenstand anerkannt.“

Die gute ökumenische Kooperation der evangelischen Kirchen in Österreich oder Deutschland mit der römisch-katholischen Kirche bilde dafür „einen förderlichen Boden und Rahmen“. Auch GEKE-Präsident Locher betont in einer Aussendung den historischen Schritt: „Zum ersten Mal überhaupt beginnt der Vatikan einen Dialog mit einer regionalen, also nicht globalen Kirchengemeinschaft. Wir sind überzeugt, dass mit der ‚Einheit in versöhnter Vielfalt‘ ein sehr gutes Modell der kirchlichen Einheit vorliegt. Und wir wollen es weiterentwickeln und dabei auch von anderen Konfessionen lernen.“

Dokument über Pluralität in Europa

Als „anregend und herausfordernd zugleich“ sieht Bischof Bünker das von Expertinnen und Experten in einem mehrjährigen Arbeitsprozess erarbeitete Papier zur religiösen Pluralität in Europa, über das in Basel diskutiert werden soll. „Es kann eine Grundlage dafür bieten, wie evangelische Kirchen in ihren unterschiedlichen Kontexten auf die religiöse Pluralität eingehen und welchen Beitrag sie zum Zusammenleben mit verschiedenen Religionen leisten können.“ Dialog sei nur möglich, wenn die eigene Überzeugung nicht verschwiegen werde: Gerade im Betonen des eigenen evangelischen Glaubens werden Wege zu einem gedeihlichen Miteinander sichtbar.

Leuenberger Konkordie

Grundlage der GEKE ist die sogenannte Leuenberger Konkordie von 1973. Mit diesem protestantischen Ökumene-Dokument haben die seit der Reformation getrennten lutherischen, reformierten und die aus ihnen hervorgegangenen unierten Kirchen ihre Differenzen überwunden und Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklärt. Zuvor war es nicht möglich, dass etwa ein Pfarrer aus einer reformierten Gemeinde als Pfarrer oder gar Bischof in einer lutherischen Landeskirche tätig wird. Ebenso gab es keine gemeinsame Feier des Abendmahls.

Mit der Konkordie sind allerdings die unterschiedlichen Lehrmeinungen zwischen Lutheranern und den sich auf die Schweizer Reformatoren Calvin und Zwingli berufenden Reformierten noch nicht vereinheitlicht; sie gelten nur nicht mehr als kirchentrennend („versöhnte Verschiedenheit“). Und die Konkordie gilt eben nicht weltweit, sondern nur für die Mitgliedskirchen der GEKE, die sich ursprünglich „Leuenberger Kirchengemeinschaft“ nannte - und damit für etwa 50 Millionen Protestanten in Europa.

„Näher, als wir bisher gedacht haben“

Der frühere Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber hatte bei der vorigen Vollversammlung der GEKE 2012 das Projekt eines Dialogs mit dem Vatikan engagiert vorangebracht. Unter der Leitung Webers und des Speyrer katholischen Bischofs Karl-Heinz Wiesemann begannen 2013 Sondierungsgespräche, die die Chancen eines solchen Dialogs ausloten sollten. Nach Webers frühem Tod 2015 übernahm der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad dessen Aufgabe in der Kommission.

Der Abschlussbericht der Kommission mit dem Titel „Kirche und Kirchengemeinschaft“ wird jetzt bei der Vollversammlung in Basel präsentiert. Er bemüht sich um einen neuen Zugang zu den kontroverstheologischen Themen des Kirchen- und Amtsverständnisses, indem er nach Gemeinsamkeiten hinter den unterschiedlichen Konzepten fragt. „Wir sind uns in ekklesiologischen Fragen deutlich näher, als wir bisher gedacht haben“, heißt es resümierend. Zugleich wird darin die Leuenberger Kirchengemeinschaft als „nicht immanent reformatorisches“, sondern „ökumenisch offenes“ Modell bezeichnet.

religion.ORF.at/epdÖ/KAP/KNA

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