Jom Kippur: Brösel, Huhn und Sündenbock
Am Tag der Reue und Sühne versöhnen sich gläubige Jüdinnen und Juden mit Gott und ihren Mitmenschen. Auch der „Sündenbock“ hat hier seinen Ursprung. In der Zeit des Zweiten Tempels (etwa 515 v. Chr. bis zu seiner Zerstörung 70 n. Chr.) wurden zu Jom Kippur symbolisch die Sünden des israelitischen Volkes einem Ziegenbock aufgeladen und dieser in die Wüste gejagt.
Ein Hohepriester übertrug die Sünden des Volkes durch Handauflegen symbolisch auf den Bock. Mit dem Vertreiben des Bocks in die Wüste wurden all diese Sünden mitverjagt. In unseren Sprachgebrauch wurde der Begriff durch Martin Luthers Bibelübersetzung gebracht.
APA/AFP/Pierre Andrieu
Sendungshinweis
Der Schriftsteller David Weiss spricht diese Woche in den „Gedanken für den Tag“ um 6.55 Uhr auf Ö1 über Jom Kippur und Sündenböcke.
Es seien bei dem Ritual immer zwei Böcke im Spiel gewesen, erzählte der Schriftsteller David Weiss am Montag in der Ö1-Sendung „Gedanken für den Tag“. Das Los entschied darüber, welcher der beiden Böcke der Sündenbock wurde und welcher das Opfertier für die Gemeinschaft.
Reinigung von Sünden
Symbolisch für die Sünden werden auch in einem Ritual (Tschlich) Brotbrösel in Gewässer oder Becken geworfen, um sich zu reinigen. Wo kein natürliches Gewässer in der Nähe ist, tut es auch ein Becken, in das Fische getan werden, die die Brösel auffressen und damit verschwinden lassen.
In einigen ultraorthodoxen Kreisen wird das Entsühnungsritual Kapparot durchgeführt. Dabei schwingen Gläubige am Vorabend des Festtags ein lebendiges Huhn dreimal über dem Kopf und rezitieren eine Formel, die ihre Sünden symbolisch auf das Tier überträgt. Danach wird das Tier rituell geschlachtet und Bedürftigen gespendet.
Reuters/Nir Elias
Abschluss der „zehn ehrfurchtsvollen Tage“
Dem Versöhnungtag gehen die „zehn ehrfurchtsvollen Tage“ voraus, die mit dem jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana beginnen - mehr dazu in Rosch ha-Schana: Start für „zehn ehrfurchtsvolle Tage“. Jom Kippur beginnt wie alle jüdischen Feiertage mit Sonnenuntergang. Der Feiertag endet am Mittwoch ebenfalls mit Sonnenuntergang.
In Israel bleiben zu Jom Kippur die meisten Büros und auch viele Geschäfte geschlossen, weshalb sich viele aufs Fahrradfahren verlegen. Da zu Jom Kippur keine Busse und bis auf wenige Ausnahmen auch keine Autos fahren, gehören die Straßen ganz den Fahrradfahrern. Einen Tag lang ruht auch der Eisenbahn- und Flugverkehr.
Reuters/Elizabeth Shafiroff
Ruhetag in Israel
Zu Jom Kippur kommt das öffentliche Leben in Israel fast vollständig zum Stillstand. Dafür dauert der Gottesdienst für Gläubige den ganzen Tag. Er ist auch ein strenger Fasttag. Durch Fasten, den Verzicht auf Kosmetika, die ruhende Arbeit und sexuelle Enthaltung soll Freiheit von weltlichen Dingen gewährleistet werden - im Vordergrund steht die Beziehung zu Gott.
In Israel unterbrechen Fernsehen und Radio während der gesamten Zeit ihre Sendungen. Es erscheinen keine Tageszeitungen, auch Kinos, Bars und Restaurants bleiben geschlossen.
gold, religion.ORF.at/APA/dpa
Mehr dazu:
- Sendereihe „Gedanken für den Tag“ (von 17.9.2018 bis 22.9.2018 zu Jom Kippur)