Aschura-Fest: Schläge, Blut und Süßigkeiten

Dieser Tage begehen viele Muslime das Aschura-Fest. Von Bedeutung sind die Feierlichkeiten für alle islamischen Glaubensrichtungen, sie werden aber je nach Tradition sehr unterschiedlich begangen: sowohl mit Selbstgeißelung als auch mit Fasten und Süßem.

Für die schiitischen Musliminnen und Muslime ist das Aschura-Fest im „Trauermonat“ Muharram die wichtigste religiöse Feier. Dabei gedenken die Gläubigen des Märtyrertodes des Imam Hussein, eines direkten Nachkommen des Propheten Mohammed, vor mehr als 1.300 Jahren.

Konkret geht es um die Schlacht um Kerbela, die nach christlicher Zeitrechnung im Jahr 680 stattfand. Bei diesem Gefecht am 10. Tag des (nach dem Mondkalender berechneten) Muharram wurden der Imam Hussein und 72 seiner Anhänger, darunter fast alle seine männlichen Verwandten, von einer überlegenen Streitmacht getötet.

Selbstgeißelungen auf den Straßen

Die Aschura-Rituale finden in den ersten zehn (arabisch: ashara) Tagen des Muharram statt, wobei täglich ein anderes Ereignis im Mittelpunkt steht. Höhepunkt und Abschluss der Trauerzeremonien ist der zehnte Tag.

Afghanische Schiiten geißeln sich auf Kabuls Straßen

Reuters/Omar Sobhani

Afghanische Schiiten geißeln sich zu Aschura auf den Straßen Kabuls

Die Trauerriten umfassen Erzählungen, Prozessionen und die kultische Inszenierung des Martyriums Husseins. Tausende Gläubige ziehen durch die Straßen und empfinden die Leiden Husseins nach, bis hin zu blutigen Selbstgeißelungen. Die größten Feiern finden im Iran, Irak, Libanon und in Pakistan statt.

Aleviten gedenken mit Fastenzeit

Auch Aleviten sehen in Hussein, dem jüngeren Enkel des Propheten Mohammed, dessen rechtmäßigen Nachfolger und verehren ihn als Märtyrer. Doch sie begehen Aschura nicht mit blutigen Selbstgeißelungsritualen, sondern mit einer zwölftägigen Fastenzeit.

Am 13. Tag wird schließlich eine besondere Süßspeise, Aschure, die aus Kichererbsen, weißen Bohnen, Weizen, Reis, Wasser, Rosinen, gehackten Walnüssen, Granatapfelkernen und Puderzucker besteht, zubereitet und verteilt.

Die Süßspeise Aschure, die zu Aschura von Alevitinnen und Aleviten und teilweise Schiitinnen und Schiiten zubereitet wird

By Maderibeyza, CC BY-SA 3.0, https://tr.wikipedia.org/wiki/A%C5%9Fure

Alevitinnen und Aleviten bereiten zu Aschura die Süßspeise Aschure zu

Ali und Hussein als Nachfolger Mohammeds

Die Schlacht um Kerbala, bei der der Kampf um die Nachfolge Mohammeds ausgetragen wurde, besiegelte die Trennung von Schiiten und Sunniten. Der Imam Hussein hatte, wie sein Vater, der ermordete Kalif Ali, Anspruch auf die wahre Nachfolge Mohammeds erhoben.

Ali war ein Cousin des Propheten und heiratete dessen Tochter Fatima. 656 wurde er nach der Ermordung des Kalifen Othman zu dessen Nachfolger proklamiert. 661 wurde er in Kufa im heutigen Irak von einem Attentäter erstochen. Muawija, der Begründer der Omajaden-Dynastie, ergriff die Macht. Alis Sohn Hussein starb im Kampf gegen Jasid, Sohn des Muawija, in Kerbala.

Zwölfter Imam als Erlöser

Aus der Anhängerschaft Alis entwickelte sich die „Shiat Ali“ („Partei Alis“). Die Schiiten erkennen nur Ali und dessen Nachkommen als Nachfolger des Propheten an. Die größte Gruppe, die sogenannten Zwölferschiiten, verehrt zwölf Imame (arabisch „Vorsteher“), beginnend mit Ali sowie dessen Söhnen Hassan und Hussein aus der Ehe mit der Prophetentochter Fatima.

Der Zwölfte Imam verschwand nach schiitischer Glaubenslehre 941 n. Chr. im heutigen Irak in die Verborgenheit. Er soll einst als Mahdi („Erlöser“) kurz vor dem Ende der Welt wieder in Erscheinung treten.

Eine irakische Schiitin zündet Kerzen zu Aschura

Reuters/Ahmed Saad

Eine irakische Schiitin zündet Kerzen zu Aschura in Kerbala

Sunniten und die Sintflut

In der Vergangenheit wurden die großen Feierlichkeiten der Schiiten und Schiitinnen in islamischen Ländern immer wieder von Anschlägen mit zahlreichen Toten und Verletzten überschattet. Die Attentate werden meist von sunnitischen Extremistengruppen, die die Schiiten als Ungläubige betrachten, verübt. Im Irak, dem Herzland des Schiitentums, war das Aschura-Fest unter der Herrschaft von Saddam Hussein verboten. Seit 2004 strömen alljährlich wieder Hunderttausende Pilger und Pilgerinnen nach Kerbela und Nadshaf.

Einige sunnitische Musliminnen und Muslime betrachten Aschura allerdings auch als wichtigen Gedenktag. So soll Mohammed an dem Tag gefastet haben, unter anderem soll an diesem Tag auch die Sintflut geendet und der Prophet Noah mit seiner Arche auf dem Berg Cudi (in der heutigen Türkei) gestrandet sein. In einigen sunnitischen Haushalten wird zu Aschura daher gefastet und schließlich die Süßspeise Aschure verzehrt.

religion.ORF.at/APA/dpa