„Verrat“: Kritik nach Vatikan-China-Abkommen

Das von Vatikan und China geschlossene „vorläufige Abkommen“ über die Frage von Bischofsernennungen hat zu scharfer Kritik geführt. Hongkongs emeritierter Bischof Kardinal Joseph Zen Ze-kiun (86) bezeichnete das Vorgehen als „unglaublichen Verrat“.

Er forderte im Interview mit der „South China Morning Post“ den Rücktritt von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin wegen „Verrats des katholischen Glaubens“. Der Chefdiplomat des Papstes liefere seine Schutzbefohlenen „den Wölfen zum Fraß“ aus, so Zen. In einem Blog-Eintrag kritisierte er auch die Intransparenz rund um Vereinbarung. Kardinal Zen Ze-kiun warf dem Vatikan schon während der noch laufenden Verhandlungen Naivität vor und warnte vor einem „Ausverkauf“ der Kirche in China.

Sieben regierungstreue Bischöfe anerkannt

Laut päpstlichem Presseamt unterzeichneten ein Vertreter des vatikanischen Staatssekretariates und Chinas Vize-Außenminister Wang Chao das Dokument am Samstag in Peking. Franziskus anerkannte damit acht regierungstreue katholische Bischöfe, die davor ohne päpstliche Zustimmung geweiht worden waren. Damit stehen nun erstmals seit über 60 Jahren alle katholischen Bischöfe Chinas in Gemeinschaft mit Rom.

Die Ernennung katholischer Bischöfe war bisher ein entscheidendes Hindernis in der Annäherung zwischen Vatikan und China. Seit 1951 sind die offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Seiten unterbrochen. Vatikansprecher Greg Burke erklärte, Zweck des Abkommens sei kein politischer, sondern ein seelsorglicher: Katholische Gläubige sollten „Bischöfe haben, die in Gemeinschaft mit Rom stehen, aber zugleich von der chinesischen Regierung anerkannt sind“. Papst Franziskus rief Chinas Katholiken - derzeit ist der Großteil der geschätzt 13 Millionen Katholiken in China in der staatlich zugelassenen „Patriotischen Vereinigung“ organisiert - zu Einigkeit auf.

Der emeritierte Bischof von Hongkong Kardinal Joseph Zen Ze-kiun

AFP PHOTO /Alberto Pizzoli

Kardinal Joseph Zen Ze-kiun kritisierte das Abkommen mit scharfen Worten

Zen kritisiert Geheimniskrämerei

Kardinal Zen gehört zu den Teilen der chinesischen Kirche, die die Verhandlungen der vergangenen Monate zwischen dem Heiligen Stuhl und Peking mit Sorge und Skepsis verfolgten. Im Blick auf die bekannt gewordene Übereinkunft sprach er von einem „Meisterwerk der Erfindungsgabe“.

Mitzuteilen, dass die Vereinbarung mit China „vorläufig“ sei, ohne die Dauer ihrer Gültigkeit anzugeben, „sagt nichts aus“, kritisierte er die Vatikan-Diplomatie. Wörtlich schrieb Zen in seinem (von der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur übersetzten) Blog-Eintrag: „Was sind die Ergebnisse nach so langer harter Arbeit - und unserer so langen, ängstlichen Erwartung? Kein Wort dazu! Ist es ein Geheimnis?“

Verweis auf lange Unterdrückung durch Staat

Das Kommunique des Vatikans vermittle den Gläubigen in China: „Vertraue uns!“; die Regierung in Peking könne den Katholiken sagen: „Gehorch uns!“ Doch Akzeptanz und Gehorsam, ohne zu wissen, was genau zu befolgen sei, komme einem „Kadaver-Gehorsam“ gleich, kritisierte Kardinal Zen. Unklar sei bisher, was mit den bisherigen Untergrundbischöfen geschieht: Müssen sie sich mit einer Anerkennung durch die Regierung als „emeritierte Bischöfe“ zufriedengeben?, fragte Zen.

Ein Sprecher der Hongkonger Diözese zeigte sich am Samstag „sehr enttäuscht“ über das Abkommen. „Es wird nur schädlich sein und der Kirche in China und in der Welt nicht helfen“, sagte Porson Chan, Vorsitzender der Gerechtigkeits- und Friedenskommission des Bistums. Es mangle auch an Transparenz, die der Vatikan eigentlich zugesagt habe. Die Kommission verwies auf die anhaltende Unterdrückung der Kirche in China und den zwangsweisen Abriss von Kirchen. „Es ist anzuzweifeln, ob China die Aufrichtigkeit besitzt, die Religionsfreiheit der chinesischen Kirche zu garantieren“, hieß es in einer Erklärung der Kommission.

Sant’Egidio hofft auf Versöhnung

Die in der Friedens- und Menschenrechtsarbeit international aktive katholische Gemeinschaft Sant’Egidio dagegen wertete die Beilegung des Streits über Bischofsernennungen als ein Signal des kirchlichen Aufbruchs und äußerte die Hoffnung, dass der seit Jahrzehnten erhoffte Schritt zur Versöhnung innerhalb der katholischen Kirche Chinas führe.

Die deutsche China-Expertin Katharina Wenzel-Teuber sagte dem Portal katholisch.de am Samstag, mit dem Abkommen akzeptiere der Vatikan, dass künftig Bischöfe unter Aufsicht der Behörden gewählt würden. Diese versuchten in der Regel, die Wahl „nach ihren eigenen Interessen zu beeinflussen“.

„Papst kann keine Kandidaten vorschlagen“

Der Papst hätte dann nur noch das Recht, der Personalie zuzustimmen oder sie abzulehnen, so Wenzel-Teuber. Er hätte keine Möglichkeit mehr, eigene Kandidaten vorzuschlagen. Dafür stünden künftig die chinesischen Katholiken nicht mehr „immer in einer Opposition zum Staat“.

Ziel des Abkommens sei für den Vatikan eine größere Freiheit und Autonomie der Ortskirchen, hatte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am Samstag erklärt. Dafür brauche man Bischöfe, die „vom Nachfolger Petri und von den legitimen Zivilbehörden ihres Landes anerkannt sind“. Der Heilige Stuhl betrachte die Vereinbarung als Mittel für diesen Prozess, der die „Zusammenarbeit aller“ verlange.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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