Jüdische Archive aus Bayern sollen digitalisiert werden

Das jüdische Leben in Bayern war reich und vielfältig - bis die Nationalsozialisten kamen. Von den einst 300 jüdischen Gemeinden im Freistaat vor dem Holocaust gibt es heute noch neun. Digitale Archive sollen jetzt zeigen, was verloren gegangen ist.

Allein in Bayern wurden mehr als 300 jüdische Gemeinden von den Nationalsozialisten vernichtet. Ihre Archive aber haben den Holocaust überdauert, befinden sich heute in Israel und geben einen wertvollen Einblick in das jüdische Leben in Bayern.

Damit dieser Einblick künftig möglichst vielen Wissenschaftlern zur Verfügung steht, plant der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) zusammen mit dem Jüdischen Museum in München, die Archive zu digitalisieren. Rund eine Million Euro wird das Projekt voraussichtlich kosten.

Neuer Blick auf jüdische Geschichte

„Es können sich ganz wenige Historiker leisten, mehrwöchige Archivaufenthalte in Israel zu verbringen“, sagte der Direktor des Jüdischen Museums, Bernhard Purin, vor der Vorstellung des Projektes am Dienstag in München. „Ich glaube, dass nochmal ein ganz neuer Blick auf die jüdische Geschichte Bayerns erfolgen wird.“

Archivierte Protokollbücher, Personalakten, Gemeinderechnungen, Mitgliederlisten, aber auch Bauunterlagen von Synagogen und Gemeindezentren geben eine „Innenansicht“ in jüdisches Leben in Bayern vor dem Holocaust, wie Purin sagte. Die größten Archive stammen aus Fürth (140 Kartons) und Würzburg (70 Kartons).

Viele Archive bei Novemberpogromen zerstört

Die Archive waren bei den Novemberpogromen 1938 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden. Während die Archive in den größeren bayerischen Städten - mit Ausnahme von Würzburg - damals zerstört wurden, blieben die Archive kleinerer Gemeinden erhalten, weil die Unterlagen bei der Verfolgung von Juden helfen sollten. Ein Teil gelangte so zwischen 1940 und 1942 an das Reichssippenamt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 sammelte die US-Militärregierung den Großteil der Archivbestände und übergab sie Anfang der 1950er Jahre an Israel. Dort wurden sie in den Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) archiviert, wo sie - mit wenigen Ausnahmen - heute noch verwahrt werden.

„Eigentlich sind diese Dinge Teil der bayerischen historischen Überlieferung“, sagte Purin. „Die Digitalisierung bedeutet auch eine Rückführung des jüdischen Kulturerbes nach Bayern.“

religion.ORF.at/dpa

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