„Byzantinischer Hofstaat“: Jesuiten kritisieren Vatikan

Der Provinzial des Jesuitenordens in Deutschland, P. Johannes Siebner, hat das Vorgehen des Vatikans gegen den wiedergewählten Rektor der deutschen Jesuitenhochschule Sankt Georgen (Frankfurt am Main) kritisiert.

Es sei „wohl der Stil eines byzantinischen Hofstaats", P. Ansgar Wucherpfennig ohne jede Rücksprache sein Amt zu entziehen wegen wertschätzender Aussagen zum Thema Homosexualität“, sagte Siebner am Dienstag dem Bonner kirchlichen Internetportal katholisch.de - „als hätte man nichts mitbekommen oder verstanden von der Diskussion über Machtmissbrauch“. Wie „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Frankfurter Rundschau“ zuerst berichtet hatten, verweigert die Bildungskongregation im Vatikan dem Geistlichen die notwendige Unbedenklichkeitserklärung („Nihil obstat“) für eine dritte Amtszeit.

Widerruf verlangt

Die von Bildungspräfekt Kardinal Giuseppe Versaldi geleitete Kongregation verlangt von Wucherpfennig einen öffentlichen Widerruf seiner Positionen. Der renommierte Jesuit hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen geäußert. Unter anderem hatte er Segensfeiern für homosexuelle Partnerschaften befürwortet.

Siebner betonte, dass er weiter uneingeschränkt hinter Wucherpfennig stehe: „Er hat nicht die Dreifaltigkeit Gottes oder Jungfräulichkeit Mariens geleugnet und er hat nichts gesagt, wo er der Lehre der Kirche widerspricht.“ Stattdessen habe er hilfreiche Vorschläge gemacht für ein neues Nachdenken der Kirche zum Umgang mit Homosexuellen: „Es geht um eine wirkliche Würdigung menschlicher Beziehungen, nicht zuerst um Sexualmoral. Wir haben in der Kirche kein Problem mit Homosexuellen - wir haben ein Problem mit Homophoben.“

Die „verschwurbelte Rede der Kirche über Homosexualität funktioniert schon lange nicht mehr und ist auch in der Sache obsolet“, so Siebner weiter. Und hier seien Wucherpfennigs Anregungen hilfreich, um das Thema auch theologisch neu zu überdenken.

„Hier geht es um Machtgestus“

Als ärgerlich bezeichnete es Siebner weiter, dass es keine Nachfragen bei Wucherpfennig und auch keine klärenden Gespräche mit der Kongregation gegeben habe. Das beanstandete Interview habe eineinhalb Jahre im Vatikan gelegen, „bis es passend schien, den Text rauszuholen, so scheint es mir. Hier geht es also vielleicht gar nicht um die Sache, sondern um einen Machtgestus.“

Auch wenn das Semester jetzt beginne und derzeit Wucherpfennigs Stellvertreter Thomas Meckel kommissarisch die Hochschule leite, hoffe er „immer noch, dass sich das Ganze als ein Missverständnis herausstellt“, ergänzte der Jesuitenobere: „Ansonsten wäre es ein empörender Vorgang. Wir müssten irgendwann neu wählen. Ich bin aber guter Dinge, dass das ‚Nihil obstat‘ bald mit der Post kommt.“

Auch der Limburger Bischof Georg Bätzing, die Initiative „Wir sind Kirche“, der katholische Jugenddachverband BDKJ sowie zahlreiche Priester und Wissenschaftler hatten sich hinter Wucherpfennig gestellt. Sie kritisierten die Entscheidung des Vatikan scharf.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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