Jesuit widerruft Aussagen zu Homosexualität nicht

Der wegen seiner liberalen Haltung zu Homosexualität unter Druck stehende bisherige Rektor der katholischen Hochschule Sankt Georgen im deutschen Frankfurt, Ansgar Wucherpfennig, will seine Aussagen zu dem Thema nicht widerrufen.

„Ich sehe meine Äußerungen zur Homosexualität und zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare auf dem Boden der katholischen Lehre“, sagte der Jesuitenpater am Mittwoch den Kirchenzeitungen der Diözesen Limburg, Mainz und Fulda. Einen öffentlichen Widerruf lehnt er ab: „Um diesen Preis will ich nicht Rektor sein.“ Er werde allerdings sein Amt wieder übernehmen, sollte die vatikanische Unbedenklichkeitserklärung („Nihil obstat“) noch ausgesprochen werden.

Wiedergewählt, aber nicht bestätigt

Wucherpfennig war im Februar für eine dritte Amtszeit an der Spitze der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main wiedergewählt worden, an der die Diözesen Hamburg, Hildesheim, Limburg und Osnabrück ihre Priesteranwärter ausbilden lassen. Um in seinem Amt bleiben zu können, benötigt er eine Unbedenklichkeitserklärung („Nihil obstat“ - dt.: „es steht nichts entgegen“) vom Vatikan.

Ein gleichgeschlechtliches Pärchen aus Plastik auf einer Hochzeitstorte

APA/Herbert Neubauer

Der Jesuit Ansgar Wucherpfennig setzt sich für eine stärkere kirchliche Anerkennung von gleichgeschlechtlich Liebenden ein.

Vorsichtiger Zugang von Homosexuellen

Wucherpfennig hatte 2016 die biblischen Verurteilungen der Homosexualität in einem Zeitungsinterview als „tiefsitzende, zum Teil missverständlich formulierte Stellen“ bezeichnet. Der Geistliche, der im katholischen Stadtdekanat Frankfurt auch als Homosexuellen-Seelsorger wirke, habe sich für eine stärkere kirchliche Anerkennung von gleichgeschlechtlich Liebenden ausgesprochen.

Im „heute-Journal“ des ZDF hatte der Hochschullehrer am Dienstagabend betont, er empfinde es als verletzend gegenüber Schwulen und Lesben, dass die nötige Erklärung noch nicht erteilt sei. Homosexuelle Menschen fänden wegen offenerer Haltungen in der Kirche gerade wieder einen Zugang zu ihr, „der noch sehr zart ist. Und jetzt hab ich den Eindruck, da wird jetzt mit dem Hammer draufgehauen“.

„Habe mich auf Papst Franziskus verlassen“

Wucherpfennig, der sich unter anderem in der Seelsorge für homosexuelle Menschen engagiert, sagte in der Sendung, er habe sich auf vergleichsweise liberale Äußerungen von Papst Franziskus zum Umgang mit Schwulen und Lesben verlassen.

„Und ich kann nicht nachvollziehen, warum das jetzt ausgebremst wird, ausgerechnet von engsten Mitarbeitern des Vatikans.“ Der Jesuit hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen und mit Frauen geäußert und unter anderem Segensfeiern für homosexuelle Partnerschaften befürwortet.

Unverständnis auf vielen Seiten

Auch der Provinzial der deutschen Jesuitenprovinz, Johannes Siebner, kritisierte das Vorgehen des Vatikans. Er beklagte einen „verschwurbelten“ und verschämten Umgang der dortigen Verantwortlichen mit dem Thema Homosexualität. Dieser sei in der Sache „obsolet“, so Siebner: „Wir müssen endlich die Beziehungen von gleichgeschlechtlichen Menschen als das akzeptieren, was sie sind.“

In dieser Woche stieß die bisher nicht erteilte Unbedenklichkeitserklärung auch in mehreren deutschen Diözesen auf Unverständnis. Nach Limburgs Bischof Georg Bätzing sprachen auch die Diözesen Osnabrück und Hildesheim dem Theologen ihr Vertrauen aus. Die Initiative „Wir sind Kirche“, der katholische Jugenddachverband BDKJ sowie zahlreiche Priester und Wissenschaftler hatten sich ebenfalls hinter Wucherpfennig gestellt.

Kollege: Ablehnung „unterstes intellektuelles Niveau“

Auch der deutsche Jesuit Klaus Mertes, Direktor des Kollegs St. Blasien, verurteilte die Entscheidung der katholischen Kirchenspitze in Rom. „Die penetrante Selbstsicherheit, mit der Vatikanbeamte in seriöse theologische Lehre und Seelsorge eingreifen, ist bildungsfeindlich“, so Mertes in der Wochenzeitung DIE ZEIT.

Mertes verteidigt das angebliche „Vergehen“ seines Ordensbruders, der „gleichgeschlechtliche Liebe nicht verdammt und für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare plädiert“. Die Forderung des Vatikans, Wucherpfennig solle seine Ansichten korrigieren, sei eine Verhöhnung. Dazu meint Mertes: „In dürren Worten auf unterstem intellektuellen Niveau fertigen sie einen loyalen Jesuiten und anerkannten Hochschullehrer ab.“

Derzeit leitet Wucherpfennigs Stellvertreter Thomas Meckel kommissarisch die Hochschule. Provinzial Siebner betonte, er hoffe „immer noch, dass sich das Ganze als ein Missverständnis herausstellt“. Er sei „guter Dinge, dass das ‚Nihil obstat‘ bald mit der Post kommt“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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