Orthodoxer Kirchenstreit spitzt sich zu

Im Streit zwischen den beiden Machtzentren der orthodoxen Kirche - Konstantinopel (Istanbul) und Moskau - um die Ukraine droht eine weitere Eskalation. Die russische Kirche berät über Sanktionen gegen Konstantinopel.

Der Heilige Synod der russisch-orthodoxen Kirche berät am Montag erstmalig in der Geschichte in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Beobachter rechnen mit einer weiteren Verschärfung der bereits im September beschlossenen russisch-orthodoxen Sanktionen gegen das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel.

In Diskussion ist unter anderem der Abbruch aller Kontakte zum Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel. Für russische Geistliche besteht bereits ein Gottesdienstverbot mit Priestern des Ökumenischen Patriarchats - mehr dazu in Russisch-orthodoxe Kirche bricht mit Konstantinopel.

Patriarch Kyrill von der russisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats

APA/AFP/Sergey Vlasov/Moscow Patriarchate

Patriarch Kyrill hielt in Minsk am Sonntag auch eine Messe ab

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew versammelten sich am Sonntag unterdessen Tausende Menschen auf dem Sophienplatz, um Konstantinopel für seine Entscheidung zu danken. Sie feierten, dass Konstantinopel die Gründung einer vereinten, eigenständigen orthodoxen Landeskirche in der Ukraine befürwortet.

Mehrere unabhängige Kirchen

Zu Differenzen war es gekommen, weil der Patriarch von Konstantinopel die Unabhängigkeitsbestrebungen der ukrainisch-orthodoxen Kirche unterstützt. Der „Erste unter Gleichen“ (Primus inter pares) unter den anderen Oberhäuptern autokephaler Kirchen orthodoxer Christen hob kürzlich den Kirchenbann gegen zwei ranghohe ukrainisch-orthodoxe Geistliche auf. Seitdem gehen die Wogen bei der russisch-orthodoxen Kirche hoch - sie sieht ihren Einfluss schwinden.

Rund 70 Prozent der Ukrainer sind orthodoxe Christen. In dem Land gibt es drei orthodoxe Kirchen. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK-MP) mit Metropolit Onufrij (Berezowskij), das ukrainische orthodoxe Kiewer Patriarchat (UOK-KP) mit Patriarch Filaret (Denisenko) und die kleinere „Ukrainische autokephale orthodoxe Kirche“, deren Primas Metropolit Makarij (Maletytsch) ist.

Eskalationsspirale

Die russisch-orthodoxe Kirche möchte ihre Oberhoheit über die orthodoxe Kirche in der Ukraine behalten. Das Moskauer Patriarchat betrachtet das osteuropäische Land als sein kanonisches Territorium.

Mitte September hatte die russische Kirche erstmals in der neueren Kirchengeschichte offiziell mit dem völligen Bruch mit Konstantinopel gedroht: „Für den Fall, dass das Patriarchat von Konstantinopel seine widerrechtlichen Aktivitäten auf dem Territorium der ukrainischen orthodoxen Kirche fortsetzt, werden wir gezwungen sein, die eucharistische Gemeinschaft mit dem Patriarchat von Konstantinopel vollständig abzubrechen“, heißt es in der Erklärung des Heiligen Synods.

Vorausgegangen war die Entsendung zweier Bischöfe durch Bartholomaios I. in die Ukraine, die die Bildung einer autokephalen Kirche vorbereiten sollen.

Russischer Patriarch will Ukraine „schützen“

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. sagte am Wochenende bei einem Gottesdienst in Minsk, das Leitungsgremium seiner Kirche wolle die ukrainische Gesellschaft beruhigen, das kirchliche Leben in der Ukraine stärken und die Kirche vor „möglichen Angriffen und Unterdrückung“ schützen.

„Wir glauben, dass keine säkulare Kraft erfolgreich sein wird, die das Ziel hat, die Kirche zu zerstören“, so der Moskauer Patriarch. Die Lage in der Ukraine sei zwar schwierig, aber er hoffe inständig, dass die orthodoxe Weltkirche die Kraft finden werde, um die derzeitigen Krisen zu bewältigen und ihre Einheit zu bewahren, sagte Kyrill außerdem laut „Interfax Religion“ vor Journalisten in Minsk.

Kirchliche und politische Signale

Schon in der vergangenen Woche hatte der Moskauer Patriarch mit Blick auf die politische Führung in Kiew, die die Bildung einer eigenständigen (autokephalen) ukrainisch-orthodoxen Landeskirche forciert, seine Überzeugung betont, dass diese politischen Versuche in einem „totalen Misserfolg“ enden würden.

Die „Kräfte des Bösen“ hätten sich verschworen, die ukrainische Kirche aus der Einheit der Kirche der Rus herauszubrechen, die vor 1.030 Jahren mit der Taufe im Dnjepr begonnen habe, sagte Kyrill bei einem Festgottesdienst in der Klosterstadt Sergijew Posad.

Russisch-orthodoxer Patriarch beschwört Einheit

Wörtlich fügte Kyrill nach Angaben des Informationsdiensts der Wiener Stiftung „Pro Oriente“ hinzu: „Wir sollten uns daran erinnern, dass die Gesetze, aufgrund derer der Herr die Kirche führt, nicht die Gesetze der Menschen sind und dass Politiker jedesmal, wenn sie sich in die Kirche einmischen, besiegt werden.“

Bezüglich der Ukraine setze er auf „den Glauben und die Frömmigkeit“ des Volkes, fügte der russisch-orthodoxe Patriarch hinzu. „Es sind die einfachen Leute, die jetzt die Einheit unserer Kirche verteidigen. Ich weiß, dass sie diese Einheit tapfer verteidigen, ebenso wie ihre Gotteshäuser.“

Hilarion: Konstantinopel „unverschämt“

Der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), warf Bartholomaios I. am Wochenende im russischen Fernsehen vor, zwei für die Spaltung der ukrainischen Orthodoxie verantwortliche Kiewer Kirchenführer anerkannt und so das Schisma legitimiert zu haben, das seit mehr als einem Vierteljahrhundert in der Ukraine bestehe.

„Das macht es uns bereits unmöglich, mit dem Patriarchat von Konstantinopel vereint zu sein“, so Hilarion. Er wolle den Beschlüssen des Leitungsgremiums, des Heiligen Synods, in Minsk jedoch nicht vorgreifen. Die jüngsten Entscheidungen des Heiligen Synods des Patriarchats von Konstantinopel bezeichnete der russisch-orthodoxe Metropolit wörtlich als „unverschämt“. Er könne die Aktionen des Ökumenischen Patriarchen nur als „räuberisch“ bezeichnen.

Es sei klar, dass diese Aktionen zu einer Spaltung in der orthodoxen Welt führen werden, so Hilarion. Die Situation könne nur bereinigt werden, wenn „Patriarch Bartholomaios oder einer seiner Nachfolger auf solche Übergriffe und auf Ansprüche auf das kanonische Territorium von anderen unterlassen“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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