Orthodoxie: Scharfe Worte des Belgrader Patriarchen

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej Kritik an der Vorgehensweise des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel im Hinblick auf die Kirchensituation in der Ukraine geübt.

Der Ökumenische Patriarch sei als Ersthierarch der orthodoxen Kirche der „Versuchung“ erlegen, etwas zu tun, „wozu er kein Recht hat“, nämlich eine schismatische Kirche anzuerkennen und ihr die Autokephalie zu verleihen, sagte Irinej nach „Pro Oriente“-Angaben vom Donnerstag bereits zu Wochenbeginn in einem TV-Interview. Diese Entscheidung könne eine „Katastrophe“ für die Orthodoxie bedeuten. Er glaube, dass diese Auffassung von allen orthodoxen Ortskirchen geteilt werde, sagte der serbische Patriarch. Seine Hoffnung sei, dass „Gott uns aus dieser Versuchung retten wird“.

Kritik an Bartholomaios I.

Irinej hatte in jüngster Zeit zwei Schreiben an den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. gerichtet, in denen er betonte, dass die Zuerkennung der Autokephalie nicht das Vorrecht des Patriarchats von Konstantinopel allein sei, sondern dass das nur im Konsens aller autokephalen orthodoxen Ortskirchen geschehen könne.

Der serbisch-orthodoxe Patriarch von Belgrad, Irinej

Reuters/Marko Djurica

Der serbisch-orthodoxe Patriarch Irinej

Das Leitungsgremium des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel hatte am 11. Oktober in einer offiziellen Erklärung die Bildung einer autokephalen (eigenständigen) ukrainisch-orthodoxen Landeskirche befürwortet. Zugleich erkannte es zwei vom orthodoxen Moskauer Patriarchat abgespaltene Kirchen in der Ukraine an und hob den von Moskau verhängten Kirchenbann gegen deren Oberhäupter auf. Darauf kündigte das Moskauer Patriarchat am 15. Oktober die eucharistische Gemeinschaft mit Konstantinopel auf - mehr dazu in Der Bruch in der orthodoxen Kirche.

In einem Interview mit der Belgrader Zeitung „Vecernje Novosti“ sagte Patriarch Irinej, er habe die jüngste Entscheidung des Ökumenischen Patriarchats in Sachen Ukraine als „Schritt ins Schisma“ empfunden. Die Entscheidung schaffe die Möglichkeit neuer Spaltungen zwischen den orthodoxen Ortskirchen und verstärke sie sogar. Er habe bei einem Treffen mit Patriarch Bartholomaios I. am 27. September in Saloniki versucht, die Krise zu verhindern, man habe aber nicht auf ihn gehört, bedauerte der serbische Patriarch.

Vergleich mit Pontius Pilatus

Das Ökumenische Patriarchat verhalte sich im Hinblick auf die möglichen Folgen seiner Entscheidung wie „Pontius Pilatus, der seine Hände in Unschuld wusch“, stellte Irinej fest. Er zitierte jenen Passus der Erklärung Konstantinopels vom 11. Oktober, in der an alle Beteiligten appelliert wurde, die „Besitzergreifung von Kirchen, Klöstern und anderen Besitztümern“ wie auch „alle Akte von Gewalt und Vergeltung“ zu vermeiden.

Wörtlich stellte der serbische Patriarch dazu fest: „Das Ökumenische Patriarchat scheint die Augen im Hinblick auf die leicht vorhersehbaren Konsequenzen seiner Aktionen nach dem Vorbild des Pilatus zu verschließen.“

Der serbisch-orthodoxen Kirche gehe es nicht darum, für die eine oder andere Seite Stellung zu beziehen, sie trete vielmehr für die Einheit der Orthodoxie ein, für Verantwortlichkeit, für die Achtung der Regeln und sie sei gegen alles, „was spaltet und ins Schisma führt“, hielt Irinej schließlich fest.

Belgrad in Sorge um Lage in Mazedonien

Die scharfe Wortmeldung aus Belgrad ist auch vor dem Hintergrund der Sorge der serbisch-orthodoxen Kirche über die Autokephalie-Bestrebungen der Kirche in Montenegro und vor allem der ungeklärten kirchlichen Situation in Mazedonien zu verstehen: In Mazedonien hatte sich 1967 mithilfe des jugoslawischen Regimes von Josip Broz Tito eine eigene orthodoxe Kirche gebildet. Die Selbstständigkeit dieser damals vom serbisch-orthodoxen Patriarchat getrennten Kirche wird von der Weltorthodoxie nicht anerkannt.

Bericht: Absage an mazedonische Kirche

Umso bemerkenswerter erscheint ein - offiziell noch nicht bestätigter - Bericht der griechischen Website Romfea (Dienstag) über einen aktuellen Brief des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios an den Heiligen Synod der kanonisch nicht anerkannten mazedonisch-orthodoxen Kirche. Bartholomaios lehnt demnach darin ausdrücklich eine Zuerkennung der Autokephalie an die mazedonische Kirche ab und betont die Zugehörigkeit der mazedonischen Eparchien zur serbischen Kirche.

Romfea zitiert aus einem Artikel der mazedonischen Zeitung „Sloboden Petschat“, der sich auf „Informationen aus hochrangigen kirchlichen Kreisen“ beruft. Demnach stelle der Patriarch von Konstantinopel in seiner Antwort auf das im Mai erfolgte Ansuchen des Heiligen Synods der mazedonischen Kirche um Zuerkennung der Autokephalie fest, dass Mazedonien nicht seiner Jurisdiktion unterstehe, sondern dem serbisch-orthodoxen Patriarchat. Die Jurisdiktion über die mazedonischen Eparchien stehe seit 1922 ausschließlich dem Belgrader Patriarchat zu. Es gebe keine Parallelen zur Ukraine, weil Konstantinopel dort - im Unterschied zu Mazedonien - die kanonische Zuständigkeit nie formal abgegeben habe.

religion.ORF.at/KAP

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