Allerseelen: Bestattungskultur im Wandel

Die Bestattungskultur unterliegt wie alle religiösen, kulturellen oder soziologischen Phänomene einem beständigen Wandel. Aktuell gehe der Trend in Richtung Einäscherung und Urnenbestattung, sagte Florian Keusch vom Kommunalbetrieb Friedhöfe Wien.

In Wien liege die Einäscherungsquote bei 30 Prozent und nehme Jahr für Jahr stetig zu. Die Entwicklung in der Bundeshauptstadt gehe allerdings langsamer vor sich als in den westlichen Bundesländern, „wo zum Teil bereits über 50 Prozent der Verstorbenen eingeäschert und in Urnengräbern beigesetzt werden“, so Keusch im Gespräch mit Kathpress. In Wien werden jährlich rund 16.000 Menschen zur letzten Ruhe gesetzt.

Die Zunahme von Einäscherungen und Urnenbestattungen erklärt Johann Staudacher, Pfarrer und Trauerbegleiter in der Diözese Gurk-Klagenfurt, mit dem Wunsch nach Selbstbestimmung auch über den Tod hinaus, die immer wichtiger werde. „Mit der Entscheidung für eine Einäscherung ist der Anschein gegeben, dass ich auch hier noch selber bestimmen kann. Ich muss mich nicht der Erde und dem Verwesungsprozess überlassen“, erklärte der Trauerbegleiter gegenüber Kathpress.

Anstieg bei alternativen Bestattungsformen

Einen Anstieg nimmt Staudacher auch bei alternativen Bestattungsformen wie Naturgräbern wahr; zumindest dort, wo die selbstverständliche Zugehörigkeit zum christlichen Glauben abnehme. „Wenn die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod vage ist und Menschen eher ‚dem Kosmos‘ vertrauen, dann passen solche neuen Formen gut dazu. Die Natur als Raum wird dann wichtiger.“

Marmor-Gedenkstein über biologisch abbaubaren Urnen in Grödig im Salzburger Flachgau

APA/Barbara Gindl

Marmor-Gedenkstein über biologisch abbaubaren Urnen, Salzburger Flachgau

„Friedhöfe Wien“ reagierten auf den Trend und bieten neben den klassischen Bestattungsformen wie Erd- und Urnengräber oder Grüfte mittlerweile auch Waldfriedhöfe, Familien- und Freundschaftsbäume, Rasen- und Strauchgräber oder Urnengärten an. Erst kürzlich wurde auf dem Areal des Wiener Zentralfriedhofs ein zweiter Waldfriedhof angelegt, um die hohe Nachfrage abdecken zu können, sagte Keusch. Auf je 10.000 Quadratmetern haben dort nun 850 Urnen Platz, die in Gräbern rund um 36 dafür ausgewählte Bäume bestattet sind.

Auch Veränderung im Glauben

Begründet sieht Staudacher diese Trends in einer Abnahme der Beheimatung in gewachsenen Formen des Abschiednehmens. Aber auch eine Veränderung im Glauben lasse sich hier ablesen: Die Einäscherung entspreche eher dem fernöstlichen Denken, während die Grablegung in der Hoffnung auf Auferstehung ihr Vorbild in der Bibel - in Jesus Christus selbst - habe. Der Glaube verliere durch die neue Form etwas von seiner Konkretheit und sei „geistiger“ und „nebuloser“ geworden.

Verloren gingen dabei auch wichtige, mit der klassischen Erdbestattung verbundene, christliche Symbole. Viele prophetische Worte, die Gleichnisse Jesu und vor allem die Osterbotschaft „klingen“ bei einer klassischen Erdbestattung durch, erläuterte der Experte. Eine Urnenbestattung sei zwar aus dem christlichen Glauben heraus möglich, allerdings weniger ausdrucksstark und „leibhaftig“ als die klassische Erdbestattung. „Ob ich vor einer Urne stehe oder an einem offenen Grab, in das der Sarg hinabgesenkt wurde: da macht es einen Unterschied, allein einmal das Wort ‚Auferstehung‘ auszusprechen.“

Wünsche Betroffener respektieren

All das stelle die Kirche vor große Herausforderungen. In einer Zeit von „Kulturveränderung“ müsse sie etwa einem um sich greifenden „Kulturverlust“ entgegentreten, zugleich aber die Wünsche Betroffener respektieren.

Die Kirche habe Betroffenen allerdings auch etwas zu bieten: Ihre gewachsenen Rituale könnten in einer Zeit der Sprachlosigkeit wieder Sprache geben. Christliche Begräbnissymbole und Bräuche würden dabei helfen, nicht stumm zu bleiben und tatenlos zusehen zu müssen. Die Kirche öffne für Trauernde auch Orte der Ruhe, erläuterte der Trauerbegleiter.

Der Priester alleine könne allerdings nicht alles stemmen, deshalb sei es wichtig, dass Menschen, die ein Grundgespür für Trauernde haben, hier den priesterlichen Dienst ergänzten. Hält die Kirche allein an Priestern fest, bleibe sie den Trauernden etwas schuldig, so Staudacher.

religion.ORF.at/KAP

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