Küberl mahnt Kanzler Kurz zu Mitmenschlichkeit

Der frühere Caritas-Präsident Franz Küberl hat Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem offenen Brief gemahnt, mit seiner Regierung keine Politik auf Kosten Schwächerer zu betreiben und im Bemühen um Mitmenschlichkeit auch „mit Caritas & Co.“ zu arbeiten.

In der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins „profil“ richtete Küberl in einem Gastkommentar einen „Nationalfeiertagswunsch an den Bundeskanzler“ und sprach Kurz dabei direkt an: Er halte „Abqualifizierungen von Menschen, egal ob in Österreich oder im Mittelmeer, Menschseinabsprechungsansätze, Versuche, schwierige Lebens- und Gesellschaftssituationen mit dem Vorschlaghammer ‚bereinigen‘ zu wollen, für österreichunwürdig. Auch und gerade, wenn sie unter Mithilfe des Bundeskanzlers geschehen.“

Unterdrückung von Wehrlosen

Küberl warnte davor, „mit dem Prinzip der Grenzmoral zu operieren“; „damit verschiebt man die Anstandsgrenzen elegant nach unten“. Kritik übte der langjährige Caritas-Chef daran, „dass die gerne gesuchten Reibebäume von Teilen der Regierenden immer jene sind, die sich nicht wehren können“: Küberl nannte als Beispiele junge Asylwerber in einer Lehre, Asylwerber als solche, Konventionsflüchtlinge, einheimische Mindestsicherungsbezieher, Langzeitarbeitslose, arme Menschen und „komplizierte SchülerInnen“.

Und „zur Sicherheit“ gäben die politisch Verantwortlichen Institutionen wie den Kirchen oder NGOs „auch noch ein wenig Abreibung“ mit, die es wagten, sich in diesen heiklen Fragen zu Wort zu melden. „Aber Hand aufs Herz, auf den Schultern jener Menschen zu stehen, die man nach unten drückt, macht einen das wirklich größer?“, fragte Küberl in seinem als Gastkommentar publizierten Brief.

Franz Küberl

APA/Georg Huchmuth

Ehemaliger Caritas-Präsident Franz Küberl

Appell mit Zivilgesellschaft zu arbeiten

Das Kabinett Kurz sei zwar erst ein Jahr im Amt und viele Mühen lägen noch vor der Regierung. „Aber auch die Möglichkeit, mit Caritas &Co. zu einem österreichweit vernünftigen Stil des Zusammenwirkens zugunsten Schwächerer bei uns und anderswo zu kommen“, wie Küberl ergänzte. Denn Kooperation, eine offene und zugleich faire Debatte über Zukunftswege und ein gemeinsames Nachdenken „über Lösungen, die helfen“, würden in Österreich gebraucht. „Und einige Prisen Zivilgesellschaftlichkeit könnten wohl mithelfen, unserem Land eine gedeihliche Zukunft, an der möglichst viele Menschen mittragen, zu ermöglichen.“

„Gott sei Dank“ gebe es hierzulande viele Einrichtungen, die mit konkreter Hilfe „dazu beitragen, dass unser Land auch in heikleren sozialen Fragen auf Mitmenschlichkeitskurs bleibt“, betonte Küberl. Hauptberuflich Tätige oder unzählige Freiwillige würden „Zeit, Ressourcen, Achtung, Gebet, Respekt, Fähigkeiten mit jenen teilen, die anderer bedürfen, dass sie selber wieder in den Tritt der Eigenständigkeit kommen können“. Das sei langfristig wertvoll, denn „die eigene gute Zukunft hat damit zu tun, dass der Nachbar auch eine gute Zukunft hat“, wie der Ex-Caritas-Vertreter anmerkte.

Kritik ist Anregung, nicht Affront

Einige grundsätzliche Anmerkungen machte Franz Küberl in seinem Schreiben über den öffentlichen Diskurs, in dem allzu schnell „Widerspruch als Affront empfunden“ und Kritik zu selten „als Anregung gewertet“ werde. Das empfinde er als „demokratiepolitischen Rückschritt“ gegenüber seiner Zeit an der Caritas-Spitze, in der Küberl „unzählige Gespräche“ mit politischen Verantwortlichen geführt habe, die durchaus in der Lage gewesen seien, mit Kritik und Anregung umzugehen.

„Da schließe ich meine Erfahrungen mit Integrationsfragen in deiner Zeit als zuständiger Staatssekretär, lieber Sebastian, deutlich mit ein“, fügte Küberl hinzu. „Demokratie lebt eben von Kooperation und Kritik.“ Küberl schloss seinen Brief „mit allen guten Wünschen für deine wahrlich nicht einfache Aufgabe und sehr herzlichen Grüßen“.

Küberl-Nachfolger kritisiert „autoritäre Denkmuster“

Kritik am derzeitigen politischen Stil hatte erst kürzlich der Nachfolger Küberls als Grazer Caritasdirektor, Herbert Beiglböck, geübt: In der katholischen Zeitschrift „Quart“ beklagte er das sukzessive Abgehen vom bewährten Zusammenspiel zwischen Staat und NGOs wie der Caritas. „Durch unsere Arbeit sind wir nahe an den Menschen, erkennen strukturelle Lücken, auch neu entstehende Problemlagen, sozusagen als soziale Seismographen“, so Beiglböck.

In den vergangenen Monaten sei in Österreich im Zusammenspiel zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen „zunehmend ein Stottern wahrzunehmen“ - auf Kosten sozial Hilfsbedürftiger. Der Caritasdirektor ortet bei den politisch Verantwortlichen ein „erschreckend autoritäres Denkmuster“.

religion.ORF.at/KAP

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