Theologe: Brauchen Ethik mehr als Religion

Für mehr Ethik als Religion in den Schulen plädiert der der Medizinethiker, Theologe und katholische Priester Matthias Beck. Er hält die Angst, dass beim Ethikunterricht religiöse Themen verloren gehen, für unbegründet.

Er äußerte sich bei einem Vortrag in der Wiener Diplomatischen Akademie am Dienstagabend. Die Angst, dass beim Ethikunterricht religiöse Themen verloren gehen, sei unbegründet. „Aus den Alltagserfahrungen ergibt sich das Religiöse von selbst, wir müssen es den Menschen nicht wie eine barocke Kuppel überstülpen“, so der Theologe. Wer weit genug frage, komme auch im Ethikunterricht an Religion nicht vorbei.

Klutur und Religion ohnehin verbunden

Mit seinem Vortrag eröffnete Beck den zweitägigen „23. Wiener Kulturkongress“, der heuer dem Thema „Religions- und/oder Ethikunterricht?“ gewidmet ist. Hochkarätige Referenten aus Kirchen, Religionen, Wissenschaft und Bildung gehen dabei der Frage nach, welche Berechtigungen, Überschneidungen aber auch Gegensätze es zwischen beiden Bereichen gibt.

Matthias Beck

kathbild/Rupprecht

Der Theologe Matthias Beck fürchtet keinen Verlust der Religion durch Ethikunterricht

In einem Durchgang durch die Philosophie- und Theologiegeschichte zeigte Beck die religiösen Wurzeln gegenwärtiger europäischer Ethik auf. Immanuel Kant habe christliche Werte aus ihrem religiösen Kontext genommen, philosophisch reflektiert und so für eine breite Allgemeinheit nutzbar gemacht. So hänge die Menschenwürde eng mit dem Personenbegriff im christlichen Menschenbild zusammen.

Reflexion und Denken nötig

Unbedingt notwenig seien aber Reflexion und Begründung religiöser Moralvorstellungen, forderte Beck, der hier einen großen Mangel sieht. „Das katholische Christentum hat es schmählich vernachlässigt, zu erklären, warum wir tun, was wir tun. Wir haben lange das Denken abgeschafft“, kritisierte der Priester. Religionsunterricht habe in der Vergangenheit viel zu lange mit Verboten gearbeitet. „Weil Allah oder der Papst das wollen“ sei keine hinreichende Begründung für moralisches Handeln.

Ein Beispiel für fehlende Meinungsfreiheit in der katholischen Kirche sieht Beck in der jüngsten Debatte um den Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen im deutschen Frankfurt, Ansgar Wucherpfenning - mehr dazu in Rektor verlor Posten wegen Sicht auf Homosexualität.

Weil dieser sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen geäußert hatte, verweigerte ihm die vatikanische Bildungskongregation die erforderliche Unbedenklichkeitserklärung („Nihil obstat“), die für eine Amtsverlängerung nötig wäre. „Das ist ja fast wie Bücherverbrennung, wenn wir im 21. Jahrhundert Menschen hinauswerfen, die über den Tellerrand hinausdenken“, so Beck dazu wörtlich.

Keine Antworten auf nie gestellte Fragen

Der Moraltheologe forderte eine tiefergehende Beschäftigung mit den Grundaussagen der eigenen Religion. „Wenn wir den Jugendlichen keine Antworten geben können, was unsere Ethik, Kultur und Religion ist, dann werden sie sich gelangweilt abwenden“, sagte Beck. Viele Jugendlichen hätten zudem den Eindruck, dass Kirche ihnen Fragen beantwortet, die sie nie gestellt haben.

Ethik müsse „alltagstauglich sein und dem Menschen dienen“, so Beck. Das Christentum bezeichnete er als „heilende Religion“, die dazu beitragen solle, dass „der Mensch zur Fülle des Lebens finden und sich entfalten kann“. Jeder Mensch habe eine individuelle Berufung, die es zu finden und zu leben gilt. Dazu solle auch die Pädagogik beitragen.

religion.ORF.at/KAP

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