US-Bischöfe stellen sich Missbrauchsopfern

Vertreter von Opfern und Laien haben in Stellungnahmen vor den Mitgliedern der US-Bischofskonferenz schwere Vorwürfe gegen den aus ihrer Sicht mangelnden Aufklärungswillen der Bischöfe erhoben.

Scharfe Kritik richteten sie auch gegen den Vatikan. Dieser hatte der US-Bischofskonferenz kurz vor der Tagung die geplante Veröffentlichung einer Charta zum Umgang mit sexuellem Missbrauch und eines Verhaltenskodexes für Bischöfe bis auf Weiteres untersagt - mehr dazu in Vatikan bremst US-Bischöfe bei Missbrauchskatalog.

Die Kirche habe sich mehr um den Schutz ihres Vermögens als um die ihr anvertrauten Menschen gekümmert, fasste Luis A. Torres vom Laienrat der Diözese Brooklyn am Montag (Ortszeit) die Wut der Betroffenen zusammen. Er habe eine Kirche kennengelernt, die sich „aktiv feindlich gegenüber Kindern“ verhalten habe, sagte der Anwalt in Gegenwart mehrerer Bischöfe.

Die Vorsitzenden der amerikanischen Bischofskonferenz

Reuters/Theresa Keil

Bischof Christopher Coyne (l) von der Diözese Burlington in Vermont, Bischof Robert Deeley (m) von Portland, Maine and Bischof Andrew Cozzens (r) der Erzdiözese von Saint Paul und Minneapolis

Torres war als Jugendlicher selbst Missbrauchsopfer eines Priesters. Seine Aussagen wurden live von den Medien übertragen. Das Herz der Kirche sei gebrochen, „und Sie müssen das jetzt in Ordnung bringen“, forderte er die Bischöfe auf.

Fehlende Transparenz

Der Chef der Überprüfungsbehörde der Bischofskonferenz zum Kindesmissbrauch, Francesco Cesareo, warf dem Episkopat fehlende Transparenz und Entschlossenheit vor. Obwohl die US-Diözesen bereits einige Maßnahmen ergriffen hätten, sei die Antwort der Bischöfe auf die Krise „unvollständig“ geblieben, sagte Cesareo am Dienstag (Ortszeit) in einer Rede vor den Bischöfen, die seit Montag und noch bis Mittwoch in Baltimore tagen.

„Heute trauen die Gläubigen und der Klerus vielen von ihnen nicht mehr. Sie sind wütend und frustriert, nicht länger zufrieden mit Worten und selbst mit Gebeten“, erklärte Cesareo vor den 350 Bischöfen. „Sie verlangen Maßnahmen, die auf einen Kulturwandel innerhalb der Führung der Kirche hindeuten. Ihr Misstrauen wird bleiben, bis sie wirklich die Prinzipien von Offenheit und Transparenz leben, die in der Charta stehen.“

Tatenwille gebremst

Damit bezog sich Cesareo auf die 2002 von der US-Kirche beschlossene „Charta zum Schutz von Kindern und Jugendlichen“, die einst als Meilenstein in der Bewältigung der Missbrauchskrise gefeiert wurde und immerhin dazu beitrug, die Zahl neuer Fälle drastisch zu reduzieren.

Es sei bedauerlich, dass die Bischöfe diese Woche nicht zur Tat schritten, kritisierte der Chef der Überprüfungsbehörde die Intervention aus Rom, die eine Beschlussfassung neuer Maßnahmen durch die Bischofskonferenz mit Blick auf ein in drei Monaten anstehendes Weltbischofstreffen zum Umgang mit Missbrauch in der Kirche vorerst unterbunden hatte. „Aber wir stehen hinter diesen Empfehlungen.“

Bischöfe häufig Bestrafungen entkommen

Bisher seien Bischöfe der Bestrafung zu häufig entkommen. „Die Rechenschaftspflicht der Bischöfe ist niemals wirklich angesprochen worden“, sagte Cesareo weiter. Dazu gehörten die Untersuchung von Vorwürfen gegen Bischöfe und die Gewähr dafür, dass Bischöfe zur Verantwortung gezogen würden, die ihre Pflicht zum Schutz der Verletzlichen nicht erfüllt hätten.

Auch Vorwürfe des ehemaligen Nuntius in den USA, Erzbischof Carlo-Maria Vigano, über die Mitwisserschaft von Bischöfen im Missbrauchsskandal um den früheren Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick müssten überprüft werden. „Kein Stein darf unumgedreht bleiben.“ Dazu gehörte eine volle Untersuchung des Falls McCarrick durch eine Kommission, an der Laien beteiligt seien - mehr dazu in Papst prüft Missbrauchsvorwürfe gegen US-Bischof.

„Aktiv feindlich gegenüber Kindern“

Bereits am Montag hatten Vertreter von Missbrauchsopfern die Bischöfe in Baltimore hart kritisiert. Die Kirche habe sich mehr um den Schutz ihres Vermögens als um die ihr anvertrauten Menschen gekümmert, fasste Luis A. Torres vom Laienrat der Diözese Brooklyn die Wut der Betroffenen zusammen. Er habe eine Kirche kennengelernt, die sich „aktiv feindlich gegenüber Kindern“ verhalten habe, sagte der Anwalt in Gegenwart mehrerer Bischöfe. Seine Aussagen wurden live von den Medien übertragen.

Pitt Green, die sich zusammen mit Torres in ihrer Opfer-Organisation „Spirit Fire Live“ um Versöhnung bemüht, sprach über die Folgen von Missbrauch für die zumeist jugendlichen Opfer: Suizide, Suchterkrankungen, chronische mentale Erkrankungen, zerbrochene Beziehungen. In Anspielung auf Vertuschung und Verleugnung von sexuellen Übergriffen in den eigenen Reihen, sagte sie: „Ich weiß nicht, wie Sie das aushalten.“

„Machtmissbrauch“ Ursache der Kirchenkrise

Vertreterinnen katholischer Frauen riefen die Bischöfe auf, bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals mit Laien zusammenzuarbeiten. Die Situation sei schwierig für die Bischöfe, gestand die frühere Präsidentin der Leadership Conference of Women Religious, Schwester Teresa Maya, in Baltimore zu. Die Exekutivdirektorin des nationalen katholischen Jugendbundes, Christiana Lamas, sagte, die Ursache der Kirchenkrise sei „Machtmissbrauch“. Die Laien könnten beim Wiederaufbau helfen.

Unterdessen kritisierte Marie Collins, prominentes Opfer von Missbrauch in Irlands Kirche, die Anweisung des Vatikans, die US-Bischöfe sollten vor der Weltbischofskonferenz im Februar nicht über weitere Maßnahmen im Missbrauchsskandal entscheiden. „Kann jetzt irgendjemand noch glauben, im Vatikan sehe man die Verantwortlichkeit der Kirchenführung als Priorität?“, so Collins auf ihrer Website.

„Trifft sehr hart“

Wenn ein Kind durch einen Priester missbraucht werde, dem es vertraut hatte, sei das wie eine „tödliche Verletzung“. Es sei um seine Unschuld, sein Vertrauen, um Glaube und Liebe betrogen worden.

Kritik übten die Betroffenen auch an der Praxis einiger Diözesen, die Opfer, die Entschädigung beanspruchen, als „Verbindlichkeiten“ zu behandeln. „Wenn man jemanden so sprechen hört, trifft es einen sehr hart“, sagte der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Kardinal Daniel DiNardo, auf einer anschließenden Pressekonferenz. Die Aussagen der beiden Opfer seien „sehr bewegend“ gewesen. „Wir glauben Euch und wir hören Euch zu“, versprach der Bischof von Burlington, Vermont, Christopher J. Coyne.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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