„Ich glaube“: Aktionstheater in Höchstform

Martin Grubers Theaterstück „Ich glaube“ konfrontiert das Publikum mit einem Textschwall, der von oberflächlichen Diskussionen über Glaube und Religion ins existenziell „Angesprochen-sein“ führt. Eine herausfordernde Produktion des Aktionstheaters.

Beim Thema Glauben wird leidenschaftlich diskutiert. Menschen geraten dabei durchaus heftig aneinander. So auch in Martin Grubers Theaterstück „Ich glaube“. Gezeigt wird die bearbeitete Wiederaufnahme des Theaterstücks im Rahmen von „Vier Stücke gegen die Einsamkeit“ in einem Projekt des Aktionstheaters in Wien und Vorarlberg.

Aktionstheater - "Ich glaube" von Martin Gruber

Gerhard Breitwieser

Alev Irmak, Babett Arens, Susanne Brandt

Glauben kann man an vieles und so streift der Redefluss der Schauspieler vom Kapitalismus über Jehovas Zeugen, die etablierten Kirchen bis hin zu Scientology. Vielleicht wird hier sogar allzu vieles unter dem Mantel Glaube subsumiert. Als Zuseher muss man sich schon gut konzentrieren, um den Textschwall von der Bühne zu verarbeiten. Aber Grubers Theater wirkt auch körperlich. Gleich zu Beginn donnert Alev (Alev Irmak) gegen das Publikum los. Und wer nicht Türkisch beherrscht, versteht kein Wort. Aber die Worte wirken dennoch. Vielleicht ein Geheimnis des Glaubens: Man muss und kann nicht alles verstehen.

Was gibt Sinn und Grund?

Aber nicht alles ist Glauben was auch als Glaube angesprochen wird. Die Figuren auf der Bühne schweifen ab, sind schnell dort, wo auch die Diskussion in der Gesellschaft bei Gesprächen über Glaube oft landet: bei den Institutionen, die den Glauben der Menschen verwalten, den etablierten Kirchen, den Glaubenskriegen, ... Vielleicht ist es auch leichter, über die Fehler und Verfehlungen anderer zu sprechen, als über das, was einen selbst ausmacht, dem eigenen Handeln Sinn und Grund gibt.

Aktionstheater - "Ich glaube" von Martin Gruber

Gerhard Breitwieser

Susanne Brandt, Benjamin Vanyek, Alev Irmak

Es zieht sich durch Grubers Inszenierung, dass seine Akteure im Gleichschritt in monotonen Bewegungen verharren, die immer gleichen Choreografien wiederholen. Während sie zu assoziieren beginnen, versuchen sie über ihre Gleichförmigkeit hinaus zu denken und Grenzen zu überschreiten.

Grubers Aktionstheater

Das „Aktionstheater Ensemble“ ist eine freie Theatergruppe in Österreich, die 1989 vom Regisseur Martin Gruber gegründet wurde. Grubers Theaterarbeiten greifen meist Themen auf, die Zusammenhänge mit dem „zeitgenössischen Menschen“ aufweisen.

Doch es ist gar nicht leicht, all das beiseite zu schieben, was den Weg zum Grund des Glaubens verstellt. Da sind Traditionen, Ängste, lieb gewonnene Klischees und Rituale, der tägliche Gleichschritt, die Bequemlichkeit der Wiederholung.

So geht es auch den Personen auf der Bühne. Es ist einfacher dort zu verharren, wo man ist, als Neues zu wagen, sich auf andere einzulassen, Erfahrungen anderer anzuhören, zu verstehen und zu bedenken. Und wenn es keine Argumente mehr gibt, dann hilft der menschlichen Allmachtsfantasie die vermeintlich göttliche Autorität, das gewünschte durchzusetzen, um sich selbst nicht bewegen zu müssen. Im Notfall muss der Glaube an den Willen eines Gottes auch zur Legitimation für Mord und Totschlag dienen.

Das Blutbad auf der Bühne überleben

Doch damit ist in Grubers Stück nicht alles zu Ende. Seine Figuren überleben das Blutbad auf der Bühne, um endlich auf den Grund des Glaubens vorzudringen. Die Ebene der Institutionen wird verlassen und plötzlich wird Glaube zu etwas Persönlichem. Zu einer Begegnung mit einem Du. “Alev, dein Freund hat dich verlassen, erzähl uns von deiner Beziehung”, fordert Martin (Martin Hemmer). Es ist der stärkste Moment im Stück, wo die Figuren ganz bei sich sind. Alev bricht schließlich in Tränen aus und ruft aus tiefster innersten Verzweiflung nach Allah, wie Jesus von Nazareth am Kreuz vor 2.000 Jahren.

Wenn alles scheitert, wenn alle Ideologie und Lebenskonzeption zu Bruch geht, dann gibt es da offensichtlich etwas, das den Menschen dennoch trägt, ein Du das angesprochen werden kann. Das den Menschen, so der Glaube vieler, schon zuvor angesprochen hat. Ist Glaube Liebe und gibt es Liebe nur in Beziehung? Einer von vielen Gedankenanstößen, den sich das Publikum aus Grubers Stück mit nach Hause nehmen kann.

Marcus Marschalek, religion.ORF.at

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