IGGÖ-Chef: Kopftuchverbot „schamlos und letztklassig“

Scharfe Kritik an den Plänen der Regierung, ein Kopftuchverbot für Volksschülerinnen einzuführen, kommt von dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) Ibrahim Olgun. Er nannte die Pläne „schamlos“, „letztklassig“ und „unehrlich“.

Olgun wird am Montag in einer Aussendung der Glaubensgemeinschaft mit folgenden Worten zitiert: "Nachdem die FPÖ vergangene Woche mit dem rassistischen Video zum Thema „Foto auf der E-Card" ihre menschen-verachtende Geisteshaltung wieder einmal an den Tag gelegt hat, setzt man diesen Weg nun mit einem politischen Ablenkungsmanöver und Schnellschuss fort, um von den tatsächlich relevanten Themen abzulenken.“ Es werde auf dem Rücken von Kindern populistische Politik betrieben, so der IGGÖ-Chef.

Zwang in aufgeklärter Gesellschaft „nicht vertretbar“

Das zeige wie „schamlos und letztklassig die FPÖ in diesem Zusammenhang vorgeht“. „Kein Mädchen und keine Frau, unabhängig von ihrem Alter, darf gezwungen werden ein Kopftuch zu tragen“, stellte Olgun fest und bekräftigte: Genauso wenig dürften Mädchen gezwungen werden, ihr Kopftuch abzulegen.

„Beide Zwänge und Verbote entstammen nämlich dem selben bevormundenden Ursprung. Die Geisteshaltung, die hier insbesondere von vielen Männern proklamiert wird, Mädchen und Frauen vorzuschreiben, was sie zu Tragen haben, ist innerhalb unserer aufgeklärten Gesellschaft nicht vertretbar“, so Olgun.

IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun

APA/Georg Hochmuth

IGGÖ-Chef Ibrahim Olgun

Diese ÖVP-FPÖ-Regierung spare auf der einen Seite in Sachen Integration „an allen Ecken“ und verkaufe auf der anderen Seite Verbote gegenüber Musliminnen und Muslimen als Integrationsmaßnahmen, kritisiert der IGGÖ-Chef. Er sehe allerdings keine Spur von einem Gesamtkonzept im Bildungs- und Integrationsbereich.

IGGÖ ortet „unehrliches Schauspiel“

„Ich bin davon überzeugt, dass die österreichische Bevölkerung dieses unehrliche Schauspiel, das von der ÖVP scheinbar voll-umfänglich mitgetragen wird, durchschauen wird“, konstatiert der Präsident der IGGÖ. Olgun kritisierte, dass sich sowohl SPÖ als auch NEOS am Wochenende grundsätzlich gesprächsbereit erklärten: „Der Umstand, dass Teile der Opposition dieser politischen Scharade auf den Leim gehen und in diesem Zusammenhang Gesprächsbereitschaft signalisieren, ist äußerst bedauerlich.“

In der Aussendung wird die FPÖ weiter mit scharfen Worten kritisiert. Der Partei gehe es „nämlich nicht um das Kindeswohl“ oder um ein besseres Miteinander in der Schule, sondern sie versuche „Mädchen zu instrumentalisieren, um die Stimmungsmache gegen die muslimische Community noch weiter anzuheizen“.

Gemeinsam Lösungen erarbeiten

Die Position der Glaubensgemeinschaft sei klar: Statt Symbol- und Scheinpolitik zu betreiben, sollte gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden. Die Regierung rief Olgun auf, in einen konstruktiven Dialog mit Entscheidungsträgern, Expertinnen und Experten und Betroffenen zu treten.

Die IGGÖ wies darauf hin, dass sie bereits mehrfach davor gewarnt habe, dass es nicht zielführend sei, Musliminnen und Muslime durch „strukturierte Ausgrenzung an den Rand der Gesellschaft zu drängen“. Wörtlich heißt es in der Aussendung: „Das führt sicherlich nicht zu einem besseren Miteinander, sondern vielmehr zu Segregation dieser Bevölkerungsgruppe. Vielleicht beabsichtigt die Bundesregierung durch diese Art von Politik ja genau dies“, so der Vorwurf des Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

IGGÖ verweist auf juristische Schritte

Eine solche „Ungleichbehandlung der muslimischen Bevölkerung“ könne und dürfe nicht toleriert werden, so Olgun und verwies auf etwaige juristische Schritte, die seitens der IGGÖ in naher Zukunft ins Auge gefasst werden.

In einer Aussendung am Sonntag hatte sich die IGGÖ bereits ablehnend und kritisch, aber weniger scharf über die Pläne der Regierung geäußert. Man lehne „Verbotspolitik auf dem Kopf von Kindern kategorisch ab“, hieß es in einer Aussendung am Sonntagnachmittag. „Diese Symbolpolitik weisen wir als kontraproduktiv und den gesellschaftlichen Frieden gefährdend zurück.“

Gegen jeden Zwang

Man appelliere an die „konstruktiven politischen Kräfte, sich von solchen populistischen Forderungen nicht blenden zu lassen“. Es gehe der Regierung nicht darum, Kindern etwas Gutes zu tun, vielmehr „will man antimuslimische Ressentiments bedienen“, befand die IGGÖ. „Kleider-Verbotspolitik“ sei bevormundend, es sei daher zynisch zu behaupten, ein solches Verbot fördere Freiheit und Autonomie.

Nur eine „verschwindend kleine Zahl“ sei betroffen, was auch daran liege, dass man sich in der IGGÖ seit Jahren damit beschäftige. Die Frage des Kopftuchtragens stelle sich für mündige Musliminnen, und „wir stehen für das Recht auf eine eigene mündige Entscheidung ein und sind prinzipiell gegen jeden Zwang“.

Bildungsminister für „breite rechtliche Absicherung“

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) strebt eine „breite rechtliche Absicherung“ des geplanten Kopftuchverbots an den Volksschulen an. Sollte eine Verfassungsmehrheit allerdings nicht möglich sein, sei auch eine einfachgesetzliche Verabschiedung möglich, so Faßmann im Ö1-Mittagsjournal. „Aber da würde ich erst über die Brücke steigen, wenn es notwendig ist.“

Für Faßmann sei eine gesetzliche Verankerung grundsätzlich wichtig. Dabei gehe es um die Frage: „Wie geht ein säkularer Staat mit religiöser, aber auch religiös verbrämter traditioneller Symbolik um.“ Das könne und solle ein Ministerium nicht einfach über einen Erlass regeln. Die SPÖ kündigte am Montag jedenfalls an, einem Kopftuchverbot für Mädchen in der Volksschule als isolierte Einzelmaßnahme nicht zuzustimmen.

„Geschlechtliche Segregation“ als Argument

ÖVP und FPÖ argumentieren bei der Frage der einfachgesetzlichen Zulässigkeit mit der öffentlichen Ordnung: Eingriffe in Grundrechte wie die Religionsfreiheit seien dann zulässig, wenn sie vorhersehbar seien, ein legitimes Ziel verfolgten und verhältnismäßig seien. Zu diesen Zielen zählten etwa der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Gesundheit und der Moral sowie der Schutz der Rechte Dritter. Die Orientierung an religiösen Werten dürfe auch nicht im Widerspruch zu den Zielen der staatsbürgerlichen Erziehung stehen.

Das Tragen des islamischen Kopftuches bis zum Erreichen der Religionsmündigkeit könne aber zu einer frühzeitigen, insbesondere geschlechtlichen, Segregation führen, welche mit den österreichischen Grundwerten und gesellschaftlichen Normen nicht vereinbar sei. Die öffentliche Ordnung soll nun durch die Vermeidung einer Segregation nach Geschlecht und damit der Gleichberechtigung von Mann und Frau erreicht werden.

Verbot auch für Privatschulen

Außerdem soll die Information über den persönlichen körperlichen Entwicklungsstand von Schülerinnen sowie über das Religionsbekenntnis bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ausrichtung des Islam geschützt werden. Im Bildungsministerium will man außerdem, dass das Verbot für öffentliche wie auch private Schulen gilt. Das Kopftuchverbot in Volksschulen wird von ÖVP und FPÖ diese Woche per Initiativ-Antrag im Nationalrat eingebracht.

religion.ORF.at/APA

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