Mindestsicherung: Sorge bei Caritas und Diakonie

Caritas und Diakonie haben im Vorfeld der für Mittwoch geplanten Präsentation eines bundesweit einheitlichen Modells der Armenhilfe Bedenken geäußert. Beide Hilfsorganisationen warnen unter anderem vor einem drohenden Anstieg der Kinder- und Altersarmut.

„Wenn die Bundesregierung die Mindestsicherung reformiert, dann ist mein Appell und meine Bitte: Kinderarmut und Altersarmut dürfen in Österreich nicht steigen“, so Caritas-Präsident Michael Landau am Dienstag via Facebook. „Wir müssen die Armut bekämpfen, nicht armutsbetroffene Menschen. Es geht um die Achtung der Würde dieser Frauen, Männer und Kinder.“

Caritas-Präsident Michael Landau

Kathpress/Robert Mitscha-Eibl

Caritas-Präsident Landau wünscht sich „Hilfe von Mensch zu Mensch, von Gesicht zu Gesicht“.

Die Arbeit als kirchliche Hilfsorganisation sei unter jeder Bundesregierung die gleiche: „Not sehen und handeln. Hilfe von Mensch zu Mensch, von Gesicht zu Gesicht. Aber auch die Erinnerung daran, dass wir uns mit der Not nicht abfinden dürfen, die es auch bei uns in Österreich nach wie vor gibt“ und die Tag für Tag in den Familienzentren, den Mutter-Kind-Häusern, den Sozialberatungsstellen, den Lerncafes oder den Projekten für langzeitarbeitslose Menschen der Organisation sichtbar werde.

Mehr Sensibilität für Menschen in Not

Einmal mehr bekräftigte er auch jene Forderungen, die er gemeinsam mit anderen Caritas-Verantwortlichen in einer Erklärung bei der Herbstkonferenz im Bildungshaus St. Arbogast in Götzis an die Regierung gerichtet hatte: Gemeinsam mit Caritas-Bischof Benno Elbs und den Caritas-Direktoren sprach er sich dabei für mehr Sensibilität für Menschen in Not im In- wie Ausland und entsprechend mehr soziale Verantwortung aus.

Die Verantwortlichen äußerten darin die Sorge, dass durch die Reform der Mindestsicherung noch mehr Menschen in Armut geraten und warnten vor einem Weg in Richtung Hartz-IV in Österreich. Wörtlich hieß es in der Erklärung u. a.: „Es ist wichtig, dass wir alle gemeinsam am guten Zusammenleben und dem sozialen Frieden in Österreich arbeiten. Damit das soziale Netz auch tragfähig bleibt, braucht es hier etwa eine Mindestsicherung, die auf die Lebensrealität abgestimmt ist.“

„Kinder- und Altersarmut dürfen nicht steigen“

Bei den geplanten Änderungen müsse deshalb besonders auch auf die Lebenssituation der 434.000 Menschen in Österreich geachtet werden, die als manifest arm gelten. „Kinder- und Altersarmut dürfen nicht steigen“, unterstrich die Caritas in der Erklärung. „Wir sind überzeugt: Die Sozialleistungen sind Eckpfeiler unserer Gesellschaft. Hier zu kürzen heißt auch, diese tragenden Säulen zu schwächen.“ Richtschnur aller Entscheidungen in Politik und Gesellschaft „muss immer das Wohl aller Menschen in Österreich sein. Denn die Würde des Menschen ist unteilbar“.

Unterzeichnet hatten die Erklärung Caritas-Bischof Benno Elbs, Caritas-Präsident (und Wiener Caritas-Direktor) Michael Landau, Herbert Beiglböck (Caritas Direktor der Diözese Graz-Seckau) Johannes Dines (Erzdiözese Salzburg), Franz Kehrer (Diözese Linz), Josef Marketz (Diözese Gurk-Klagenfurt), Edith Pinter (Diözese Eisenstadt), Georg Schärmer (Diözese Innsbruck), Walter Schmolly (Feldkirch) und Hannes Ziselsberger (Diözese St.Pölten).

Diakonie: Österreich armutssicher machen

Ziel der Mindestsicherung sollte sein: Kinderarmut reduzieren, Existenz und Chancen sichern, so die Diakonie, das Hilfswerk der evangelischen Kirche, ebenfalls am Dienstag in einer Aussendung. „Wir haben eine gute Konjunktur mit Spielräumen im Budget – jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Maßnahmen zu setzen, die Armut reduzieren. Dass ausgerechnet jetzt über Einsparungen beim untersten sozialen Netz diskutiert wird, kann einen nur wundern“, so die Direktorin der Diakonie Österreich, Maria Katharina Moser, zur bevorstehenden Präsentation der Reform von Notstandshilfe und Mindestsicherung.

Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser

Diakonie/Simon Rainsborough

Diakonie-Direktorin Moser: „Es geht im wahrsten Sinn des Wortes um die Existenz.“

Die Mindestsicherung sei, wie der Name schon sage, dazu da, das Mindeste zu sichern, so die Diakonie-Direktorin. Sie verweist auf die durchschnittliche Lebenserwartung, die in Wien-Fünfhaus vier bis fünf Jahre niedriger sei als einige U-Bahnstationen weiter in Hietzing.
„Es geht im wahrsten Sinn des Wortes um die Existenz, und die muss in einem reichen Land wie Österreich für alle gesichert werden, egal wo ein Elternteil geboren wurde“, so Moser weiter. „Das verlangt die Menschenwürde. Denn jeder Mensch ist wertvoll, und alle Menschen sind gleich viel wert. Soziale Grundrechte gehören zur Wertebasis, auf der unsere Gesellschaft steht.“

Kinder ins Zentrum der Aufmerksamkeit

Zentral sei, bei den Kindern anzusetzen. „Kinder und Jugendliche, die in Haushalten mit niedrigem Einkommen aufwachsen, haben jetzt schon massive Nachteile, die in mehreren Bereichen sichtbar werden.“ Die Gefahr des sozialen Ausschlusses bei Kindern zeige sich in den geringeren Möglichkeiten Freunde einzuladen (zehnmal weniger als andere Kinder), Feste zu feiern und an kostenpflichtigen Schulaktivitäten teilzunehmen (20-mal weniger).

Beziehrinnen und Bezieher von Mindestsicherung mit Kindern lebten noch häufiger in schlechten Wohnsituationen, so die Diakonie. Desolates Wohnen wirkt sich besonders hemmend auf Bildungschancen und die Gesundheit der Kinder aus. „Feuchtigkeit, Fäulnis, Überbelag, dunkle Räume – wie sollen Kinder da gut und erfolgreich lernen?“ fragt Moser.

„Wir müssen Österreich armutssicher machen. Dazu braucht es eine Mindestsicherung, die Existenz und Chancen sichert bei Kindern, Behinderten und Kranken. Über zwei Drittel in der Mindestsicherung sind Kinder, Pensionisten, Kranke, Menschen mit Behinderung und Aufstocker“, so Moser.

Abstiegsgefahr für untere Mittelschichten

„Wer sein Leben lang gearbeitet hat, der hat nichts zu befürchten, heißt es in der Debatte um Notstandshilfe und Mindestsicherung immer. Jemand, der Mitte 30 ist und gerade eine Familie gegründet hat, schon?“ fragt die Diakonie-Direktorin. „Ich denke an eine Mutter mit einem chronisch kranken Kind, das in einen unserer Diakonie-Kindergärten geht. Sie arbeitet geringfügig, weil mehr nicht geht mit der Betreuung ihres Sohnes, und bezieht Notstandshilfe. Nun würde sie nach den Regierungsplänen in die Mindestsicherung fallen. Das bedeutet für sie: Weniger Geld und keine Anrechnung auf die Pensionszeiten.“

Die Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, würden dazu führen, dass soziale Unsicherheit bis weit in die unteren Mittelschichten hoch getrieben wird. Die Umwandlung einer Versicherungsleistung in eine Fürsorgeleistung mit weniger Rechten sei ähnlich wie bei Hartz IV, weiß man bei der Diakonie.

„Die Elemente sind dieselben: keine Statussicherung, sondern Bedürftigkeitsprüfung, Zugriff auf Erspartes; keine Pensionszeiten; Einkommensverlust; keine Aktion 20.000 für ältere ArbeitnehmerInnen, dafür Ein-Euro-Job mit Zwangscharakter; Arbeitslosengeld bei Krankheit nicht verlängern“, zählt die Diakonie auf. „Eine Fürsorgeleistung ist auch immer stärker mit Stigmatisierung und Abwertung verbunden als eine Versicherungsleistung“, so Moser abschließend.

religion.ORF.at/KAP

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