Orthodoxie-Streit über Ukraine weiter verschärft

Die Auseinandersetzung innerhalb der orthodoxen Kirchen zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau um die Gründung einer eigenständigen und einheitlichen Nationalkirche in der Ukraine hat sich weiter verschärft.

Der Heilige Synod von Konstantinopel als Leitungsgremium hat bei seiner am Donnerstag beendeten Sitzung beschlossen, die Erzeparchie für die Gemeinden russisch-orthodoxer Tradition in europäischen Staaten aufzulösen und sie den örtlichen Eparchien des Ökumenischen Patriarchats einzugliedern. Das berichtete die Stiftung „Pro Oriente“ am Samstag.

Dekret der Beauftragung zurückgezogen

Das entsprechende Dekret (Tomos) von 1999 über die Beauftragung eines Erzbischof-Exarchen für diese Gemeinden - zuletzt war dies Bischof Jean Renneteau - wurde zurückgezogen.

Als Grund nannte Konstantinopel „pastorale und spirituelle Notwendigkeiten der Gegenwart“. Die jetzige Entscheidung ziele darauf ab, die Verbindung der Pfarrgemeinden russischer Tradition mit der Mutterkirche von Konstantinopel zu stärken.

„Pastoralversammlung“ als Informationsveranstaltung

Völlig „überrascht“ zeigte sich laut „Pro Oriente“ Erzbischof Jean von der Entscheidung, die ihm Patriarch Bartholomaios persönlich mitgeteilt habe. Er sei zuvor nicht konsultiert worden, sondern bei einem Arbeitsbesuch im Phanar, dem Sitz des Ökumenischen Patriarchats, in Istanbul mit der Entscheidung konfrontiert worden.

Das Exarchat mit Sitz in Paris teilte indes auf seiner Website mit, dass für den 15. Dezember eine „Pastoralversammlung“ geplant sei, um Priester und Gläubige über die Situation zu informieren. Das Exarchat geht auf die Fluchtbewegung orthodoxer Gläubiger aus Russland ab 1918, als die kommunistische Sowjetunion errichtet wurde, zurück.

Oberhaupt ohne Weisungsbefugnis

Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, derzeit Bartholomaios I., ist Oberhaupt der eigenständigen Kirche von Konstantinopel und steht zugleich den Bischöfen der gesamten orthodoxen Christenheit als „primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) vor.

Er kann den anderen, mitunter viel größeren eigenständigen Kirchen keine Weisungen erteilen und kann auch dort keine Bischöfe einsetzen. Das Ökumenische Patriarchat ist aber die direkte übergeordnete Verwaltungsinstitution für Diözesen und Erzdiözesen in Westeuropa und Übersee mit Millionen Gläubigen.

Unabhängigkeit von Moskau als Streitpunkt

Die Regierung in Kiew will über eine Kirchenvereinigung eine von Moskau unabhängige orthodoxe Kirche schaffen. Die russisch-orthodoxe Kirche wehrt sich dagegen. Das maßgebliche Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel unterstützt die Wiedervereinigung der in drei Kirchen gespaltenen ukrainischen Orthodoxie.

Es plant, einer vereinten Landeskirche die Autokephalie (Eigenständigkeit) zu verleihen. Angesichts des Krieges in der Ostukraine zwischen von Moskau unterstützten Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen war der Ruf nach einer von Russland unabhängigen orthodoxen Kirche lauter geworden.

Die bedeutendste Spaltung der Orthodoxie in der Ukraine besteht seit 1991, als sich im Zuge der Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion das Kiewer Patriarchat in Konkurrenz zum Moskauer Patriarchat gründete.

religion.ORF.at/APA

Mehr dazu:

Link: