Was ein „Miet-Nikolo“ können muss

Der Gedenktag des heiligen Nikolaus zählt ganz klar zu den liebsten Feiertagen für Kinder in Österreich. Der Trend, sich einen „Miet-Nikolaus“ nach Hause zu bestellen, ist seit Jahren ungebrochen.

Viele Familien, auch solche, in denen es gewöhnlich nicht sehr fromm zugeht, möchten ihren Kindern am Tag des wohltätigen Heiligen ein besonderes Erlebnis gönnen. Einigen geht es dabei nicht nur um die Freude und die mit Brauchtum garnierte Verabreichung von Süßigkeiten - dann dient der Mietheilige auch der Vermittlung mehr oder weniger christlicher Werte.

Übernahm die Rolle des Bischofs aus Myra früher oft ein männlicher Verwandter oder Freund der Familie, hat sich der Besuch des Nikolos in den letzten Jahrzehnten professionalisiert. Nikolos kann man telefonisch und per Onlineformular bestellen. Im Internet finden sich zahlreiche Angebote, Eltern greifen aber auch gern auf Mundpropaganda zurück.

Krampus im „Kombipack“

Zwischen 40 und 60 Euro kostet ein Besuch des Nikolaus - ohne Geschenke. Diese müssen von den Eltern gewöhnlich noch extra bereitgestellt werden. Vor dem Besuch wird der ungefähre Ablauf vereinbart, was in etwa der Nikolo zu den Kindern sagen und was er ihnen geben soll. Vorbereitete Sackerln und Listen mit Themen, die der Heilige ansprechen soll, werden dann zum Beispiel im Stiegenhaus oder anderswo außerhalb deponiert.

Krampus und Nikolaus

APA/Barbara Gindl

Ob auch der Krampus dabei sein soll, ist Ansichtssache

Es kann auch nötig sein, dem Darsteller einen Platz zum Umziehen zur Verfügung zu stellen. Nikoläuse, die etwas auf sich halten, treten als „richtiger“ Bischof mit Vollbart, Mitra und Bischofsstab auf. Wer möchte, bekommt auch einen Krampus im „Kombipack“ dazu, der schlägt dann extra mit weiteren 40 bis 60 Euro zu Buche.

„Übermütige Väter“ als Krampusse

Einen Krampus hat Michael Gur, der mit Nikolaus-service.at im Raum Mödling und im Süden von Wien tätig ist, nicht mehr im Programm: Zu viele Dramen mit weinenden, geradezu hysterischen Kindern seien ihm vorgekommen. Viele Eltern wüssten gar nicht, was sie da anrichten: „Da ist dann oft der ganze Abend geschmissen.“ Schlechte Erfahrungen machte der Nikolodarsteller mit 20 Jahren Berufserfahrung auch mit „übermütigen Vätern“, die selbst als Krampus verkleidet auftreten. Diese würden dann, froh, dass ihre Kinder „endlich“ einmal Angst vor ihnen haben, zu sehr über die Stränge schlagen.

Alexander Stemer von Nikolaus-bestellen.at, der in ganz Österreich auftritt, berichtet hingegen von etwa einem Drittel Krampusbuchungen: „Der rasselt dann mit der Kette, läuft ums Haus herum“ - das empfiehlt er allerdings eher nicht bei ganz kleinen Kindern. Er sieht im Wirken des Heiligen einen pädagogischen Mehrwert: „Der Nikolaus erzieht mit, das ist in vielen Familien ganz normal.“ So bitten Eltern etwa manchmal darum, den Schnuller eines Kindes einzufordern - die versprochene Weitergabe an das Christkind soll wohl über den Trennungsschmerz hinwegtrösten.

Das geheimnisvolle „goldene Buch“

Das Ansprechen von Gut und Böse werde gerade in traditionelleren Familien vom Nikolaus erwartet, so Schemer, und so erhält der Darsteller (sehr selten: die Darstellerin) dann auch im Vorfeld eine Liste von guten und weniger lobenswerten Taten der Kinder, die aus einem „goldenen Buch“ vorgelesen werden. Dass der Fremde so gut über Details aus dem Familienleben Bescheid weiß, dürfte in den Augen von Kindern einen großen Teil seines Charismas ausmachen.

Als Nikolaus verkleideter Mann

www.picturedesk.com

Trend zum geborgten Nikolaus: ein Bobo-Phänomen?

Im Allgemeinen seien die Gut-böse-Listen der Eltern „immer dieselben“, sagte Thomas Schreiner von Nikolo.at: „Es gibt mehr oder weniger fünf ‚schlechte‘ Themen: schlafen, naschen, fernsehen, mit dem Handy spielen und frech sein.“ Angst hätten Kinder selten vor ihm, viele seien ausgesprochen schlagfertig. Falls sich doch eins fürchtet, stellt er sich eben etwas weiter weg auf. Gebete hören die Nikoläuse selten, Lieder werden ihnen öfter vorgesungen: „Lasst uns froh und munter sein“ ist dabei ganz klar Spitzenreiter.

Nikolaus auch bei Firmenfeiern

Gerne werden die Miet-Nikolos auch für Firmen- und Vereinsfeiern gebucht. Hier darf es auch etwas „lustiger“ zugehen, auch in Firmen ist es offenbar üblich, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor der Kollegenschaft mit ihren guten und weniger guten Taten und Eigenschaften zu konfrontieren.

Dass der Trend zum geborgten Nikolaus ein Bobo-Phänomen sei, will „Nikolo“ Schemer nicht bestätigen: Bei ihm werde quer durch die Bevölkerungsschichten gebucht, auch im Gemeindebau und von sozial schwachen Familien, die darauf gespart hätten. Es komme auch wenig darauf an, wie religiös eine Familie ist. Er wurde auch schon von muslimischen Familien gebucht. „Das Nikolaus-Fest ist ein traditionsbesetztes Thema, weniger ein religiöses“, findet auch sein Kollege Gur.

Jungschar gegen „Sündenregister“

Wer will, kann auch einen von der katholischen Kirche abgesegneten Nikolaus bestellen: Die Katholische Jungschar vermittelt Darstellerinnen und Darsteller und bietet auch Kurse für den angstfreien Nikolaus-Besuch an. Matthias Ludwar, der sowohl ausbildet als auch selbst auftritt, sucht zunächst einmal das Gespräch mit Kindern, erzählt ihnen Legenden über den Heiligen und bemüht sich, ihnen etwaige Furcht zu nehmen. Die Kleinen dürfen die Mitra aufsetzen und den Bischofsstab halten.

Nikolofeier im Kindergarten

St. Nikolausstiftung/Stefan Knittel

„Keine Angst vorm Nikolaus“ ist die Devise der Katholischen Jungschar

Ludwar arbeitet auch in Kindergärten und bildet Zivildiener als Nikoläuse aus. Der Krampus darf, wenn es nach ihm geht, gern zu Hause bleiben. Ein „Sündenregister“, wie Ludwar die Liste kindlicher Verfehlungen nennt, kommt für ihn auch nicht infrage. Das würde dem Heiligen auch nicht gerecht: „Der Nikolaus hat nicht gefragt, ob jemand brav war - er hat einfach geholfen.“

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

Mehr dazu:

Links: