Drusen drohen Israel mit Ungehorsam

Sie waren die ersten Verbündeten der jüdischen Siedler und haben schon vor der Gründung Israels an dessen Seite gekämpft. Nun drohen die Drusen Israel den Ungehorsam an, weil sie sich durch das geplante Nationalitätengesetz diskriminiert sehen.

„Ich kann meinem Land unter diesem Gesetz nicht dienen“, sagte der führende Drusen-Politiker Bahidsch Mansur vor Journalisten in der nordisraelischen Stadt Isfija. Der neue Bürgermeister der Drusen-Hochburg bei Haifa sprach von einer „Krise“ in den Beziehungen zwischen der religiösen Minderheit und dem jüdischen Mehrheitsvolk.

„Wir lehnen dieses Gesetz komplett ab. Wir erfüllen alle unsere Verpflichtungen, deshalb kommt es nicht infrage, dass man uns die Rechte nimmt“, empörte er sich über den Plan der israelischen Rechtskoalition, den Juden offiziell eine bevorzugte Rolle in Israel zu geben und nur noch Hebräisch als offizielle Sprache anzuerkennen. Die arabischsprachigen Drusen würden durch das Gesetz zu „Bürgern zweiter Klasse“, kritisierte Bahidsch Mansur.

Drusen leisten Militärdienst

Anders als die rund 1,4 Millionen muslimischen Bürger bekennen sich die 120.000 Drusen überwiegend zum Staat Israel und leisten auch den Wehrdienst ab. Schon Mitte der 1930er-Jahre hatten sie sich freiwillig dem Kampf der jüdischen Siedler gegen die palästinensischen Aufständischen angeschlossen, auch im Unabhängigkeitskrieg des Jahres 1948 verteidigten sie Israel.

Drusen protestieren auf den Golan-Höhen gegen das geplante Nationalitätengesetz

APA/AFP/Jalaa Marey

Drusen-Protest auf den Golan-Höhen

Mansur warnte davor, dass das Nationalitätengesetz zu weiteren Spannungen zwischen der Mehrheitsbevölkerung und den Minderheiten führen könnte. „Wir müssen das lösen, bevor die Extremisten einen Vorteil daraus ziehen können“, sagte der bisherige israelische Spitzendiplomat, der sein Bekenntnis zu Israel unterstrich. „Ich spreche Arabisch, aber ich erachte mich nicht als Araber. Ich bin Israeli, und meine Religion ist die Drusische“, erläuterte er. Anders sehen dies etwa 20.000 Drusen, die auf den von Israel annektierten Golanhöhen leben. Sie fühlen sich größtenteils als Syrer.

Seit Jahrhunderten in Israel

Drusen leben seit dem 16. Jahrhundert auf dem Gebiet des heutigen Israel, aber auch in Syrien und dem Libanon, wo sie mit einer halben Million Angehörigen ein bedeutender Machtfaktor sind. In Syrien galten die Drusen viele Jahre als verlässliche Stützen der Regierung von Bashar al-Assad, doch hat sich das Verhältnis während des Bürgerkrieges merklich abgekühlt. Als charakteristisch für die Religionsgruppe gilt, dass sie ihren jeweiligen Heimatländern stark verbunden ist. Im Fall Israels wird diese Verbundenheit nun aber auf eine Belastungsprobe gestellt.

Im 11. Jahrhundert als Abspaltung des schiitischen Islam entstanden, hat die monotheistische Religion mit diesem nur wenig gemein. Die Drusen glauben nämlich an die Wiedergeburt und zeigen sich wenig anfällig für fanatischen Extremismus. „Jerusalem bedeutet uns nichts“, sagt ein Angehöriger der Religionsgruppe im Gespräch mit österreichischen Journalisten mit Blick auf die umkämpfte Heilige Stadt.

Kein Konzept des auserwählten Volkes

„Bei tausenden, ja Millionen Wiedergeburten kann niemand etwas Besonderes sein. Wir glauben nicht an das Konzept des auserwählten Volkes.“ Auch Strafen oder die Drohung einer Hölle gibt es bei den Drusen nicht. „An körperliche Folter kann man sich ja gewöhnen. Die wahre Hölle befindet sich auf Erden, wenn man ohne Spiritualität lebt. Wenn man schlechte Dinge tut, werden einem schlechte Dinge widerfahren.“

Entsprechend legen orthodoxe Drusen höchste moralische Maßstäbe an sich an, die aber nur rund ein Fünftel der Angehörigen der Glaubensgemeinschaft erfüllen kann oder will. Bescheidenheit und Zuvorkommenheit sind dabei zentrale Werte. Keine teure Kleidung, kein Schmuck, kein Fluchen und auch kein Einkommen, das nicht aus eigener Hände Arbeit stammt.

Rituale und Feste als „Ablenkung“

Auch traditionelle Rituale wie Fasten, ja sogar religiöse Festtage lehnen die Drusen als „Ablenkung“ vom Ziel, ein vollkommener Mensch zu werden, ab. Einen Mittelweg gibt es dabei nicht: Wer kein orthodoxer Druse ist, muss säkular leben und darf nicht einmal das Schrifttum der Religion lesen. Bis zur nächsten Wiedergeburt muss er aber nicht warten. Man kann neuerliche Versuche unternehmen, orthodoxer Druse zu werden.

Völlig fremd ist den insgesamt rund 1,5 Millionen Drusen auch das Missionieren. Beitreten durfte man der Religionsgruppe nämlich nur 40 Jahre nach ihrer Gründung. Exkommuniziert wird man, wenn man außerhalb der Religionsgemeinschaft heiratet. Somit ist der wohl weltweit bekannteste Druse, der libanesische Spitzenpolitiker Walid Dschumblat, ein Häretiker. Der Drusenführer ist nämlich mit einer syrischen Sunnitin verheiratet. Für Dschumblats Kinder besteht aber noch Hoffnung: Heiraten sie drusisch, werden ihre Nachfahren wieder in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen.

religion.ORF.at/APA

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